Dortmund. Im Restaurant oder auf dem Spielplatz: „Eltern sind zu oft am Handy“, warnt eine Expertin. Welche Probleme Kinder dadurch bekommen können.

Auf dem Spielplatz, beim Essen im Restaurant und während des Spaziergangs mit dem Kinderwagen: Immer mehr Eltern nutzen das Handy im Beisein ihrer Kinder. Welche Folgen hat das? Dazu forscht Barbara Mertins. Sie ist Professorin für Psycholinguistik an der Technischen Universität Dortmund. In ihrem Fachbereich beschäftigt sie sich mit der Frage, wie das menschliche Gehirn Sprache erlernt, verarbeitet, versteht und produziert. Die Handynutzung der Eltern könne sich negativ auf die Entwicklung ihrer Kinder auswirken, warnt Mertins im Gespräch mit Laura Lindemann.

Frau Mertins, wie hat sich die Handynutzung von Eltern entwickelt?

Barbara Mertins: Die Smartphone-Nutzung hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Vor allem bei den Menschen, die kürzlich Eltern geworden sind. Das beobachten wir in Studien aber auch im Alltag: In der Bahn sehe ich oft Eltern, die auf ihr Handy starren, während ihre Kleinkinder schreien. Die Kinder wirken verzweifelt und kämpfen um Aufmerksamkeit. Auch im Restaurant bekomme ich mit, wie Eltern und Kinder auf ihre Handys oder iPads tippen, anstatt sich zu unterhalten. Diesen Trend finde ich beängstigend.

Prof. Dr. Barbara Mertins von der TU Dortmund beschäftigt sich mit der Frage, wie das menschliche Gehirn Sprache erlernt, verarbeitet, versteht und produziert. 
Prof. Dr. Barbara Mertins von der TU Dortmund beschäftigt sich mit der Frage, wie das menschliche Gehirn Sprache erlernt, verarbeitet, versteht und produziert.  © TU Dortmund | Felix Schmale

Wie wirkt sich das auf die Kinder aus?

Für die sprachliche und kognitive Entwicklung kann das fatal sein. Um herauszufinden, wie das Handy-Verhalten der Eltern die Kleinkinder beeinflusst, haben wir Kinder im Alter zwischen vier und 14 Monaten beobachtet. Erste Ergebnisse haben im vergangenen Jahr gezeigt: Je öfter die Eltern ihr Handy nutzten, desto weniger Interesse haben die Kinder an Sprache gezeigt.

Inwiefern?

In diesem Alter erhalten die Kinder aus der Interaktion mit ihren Eltern wichtige Grundsteine, um Sprache zu verstehen, zu sprechen und sich ihre Umwelt zu erschließen. In der Zeit sucht ein Baby den ständigen Kontakt, überprüft die Mimik, Gestik, Zuwendung, den Augenkontakt sowie die Sprache und deren Rhythmus. Fehlt diese Interaktion oder wird ständig unterbrochen, sind die Babys nicht in der Lage, Wörter aufzunehmen, zu verarbeiten und letztlich zu verstehen. Zudem konnten wir in einer neuen Studie feststellen, dass Kinder weniger in der Lage sind, zu erkennen, wo ein Wort beginnt und wo es endet, weil sie zu wenig Input von ihren Eltern bekommen. Das war erschreckend.

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Welche Konsequenzen hat das für das spätere Leben des Kindes?

Dadurch, dass im frühkindlichen Alter wichtige Lernschritte ausbleiben, kann sich die sprachliche Entwicklung der Kinder deutlich verzögern. Und nicht alles lässt sich später ausgleichen. Bei betroffenen Kindern konnten wir in der fünften und sechsten Klasse beispielsweise sehen, dass sie große Probleme hatten, die Textaufgaben im Mathematikunterricht zu verstehen. Das lässt sich auf Probleme bei der sprachlichen Entwicklung zurückführen.

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Das Handy ist aus dem Alltag der meisten Menschen nicht mehr wegzudenken. Sie arbeiten darauf, lesen ihre Zeitung, planen Termine. Was können Eltern tun?

Ich verteufle das Handy nicht. Es hat in der Tat viele Vorteile und ist für die meisten Menschen ein fester Bestandteil des täglichen Lebens. Vielmehr kommt es darauf an, zu welchen Zeiten Eltern es nutzen. Beim Spielen, Wickeln, Füttern rate ich davon ab, das Handy zu nutzen. Und wenn man mit dem Kind auf dem Arm durch die Wohnung läuft oder auf den Spielplatz geht. Denn in diesen Phasen lernt das Kind besonders viel. Ich empfehle, das Handy eher dann zu nutzen, wenn das Kind schläft oder sich gerade mit sich selbst oder jemand anderem beschäftigt. Natürlich kann man sich auch mal zurückziehen und bewusst am Handy sein. Am wichtigsten ist hierbei ein achtsamer Umgang.

Und wenn das Kind schon älter ist? Wie können Eltern dann ein gutes Vorbild sein?

Transparenz ist ganz wichtig. Wir schulden es unseren Kindern, ihnen zu erklären, warum wir das Handy gerade in der Hand haben. Sie müssen merken, dass es einen Unterschied macht, ob man konzentriert am Handy arbeitet oder in den sozialen Medien chattet und ein Video nach dem anderen schaut. Eltern müssen jetzt dringend Verantwortung übernehmen.

Aktuelle Nachrichten - kindgerecht erklärt

Auch Kinder möchten wissen und verstehen, was auf der Welt geschieht. Für Eltern ist es aber oft gar nicht so leicht, ernste Themen altersgerecht zu erklären. Was, wenn die Kinder Fragen zum Krieg in der Ukraine stellen? Welche beantwortet man als Mutter und Vater? Und wie beantwortet man sie?

Eine tolle Unterstützung für Eltern sind kindgerechte Medien wie unsere Kinderzeitung CHECKY! Hier können Kinder zwischen 6 und 12 Jahren jede Woche verständliche und altersgerechte Texte zum Weltgeschehen lesen. Weil aber auch Kinder manchmal eine Pause von den Nachrichten brauchen, gibt es in der Kinderzeitung zusätzlich jede Menge spannende Texte zum Thema Wissen, tolle Experimente, Rätsel, Basteltipps und vieles mehr. Hier gibt‘s alle Infos zu unserer Kinderzeitung CHECKY!