Ist es sinnvoll, wenn Eltern ihre Kinder mit GPS-Uhren und Handyapps verfolgen? Eine Expertin gibt Tipps und klärt über mögliche Gefahren auf.
In Echtzeit verfolgen, wo sich das eigene Kind gerade befindet, ermöglichen GPS-Tracker oder spezielle Smartwatches. Doch wie sinnvoll ist es, den Nachwuchs digital zu orten? Unsere Autorin Asgard Dierichs sprach mit Dr. Iren Schulz, Medienpädagogin und Dozentin an der Universität Erfurt. Die Kommunikationswissenschaftlerin kennt sich mit digitalen Medien aus. Für „Schau hin – Was dein Kind mit Medien macht“, eine 2003 gegründete Initiative vom Bundesfamilienministerium, der AOK und den öffentlich-rechtlichen Sendern Das Erste und ZDF ist die 47-Jährige als Mediencoach tätig.
Smarte Kinderuhren sind schon ab rund 50 Euro im Handel. Damit kann das Kind von unterwegs anrufen und muss kein Handy haben. Solche Smartwatches sind für die Jüngsten gedacht. Sie können auch Sprachnachrichten an die besorgten Eltern verschicken. Dazu genügt es, auf den Touchscreen tippen. Doch im Internet kann man damit nicht surfen. Das klingt nach einem sinnvollen Schutz, wenn das Kind unterwegs ist. Was meinen Sie, Frau Dr. Schulz?
Vorab: Grundsätzlich ist es keine gute Sache, die eigenen Kinder mit entsprechenden Geräten oder Apps zu tracken. Als Mutter kann ich verstehen, dass Eltern sich sorgen, wenn die Kinder ohne Aufsicht draußen unterwegs sind. Doch solche Smartwatches bieten nur eine Pseudo-Sicherheit.
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Aber man sieht doch mit den Trackern per GPS-Ortung oder Voice Monitoring jederzeit, wo sich das Kind gerade befindet.
Natürlich. Allerdings ist die Frage, welche Gefahren man damit wirklich ausschließen kann und ob man mit dieser Überwachung nicht mehr Unsicherheiten und Ängste schafft, als dass diese ausgeräumt werden – sowohl bei den Eltern als auch bei den Kindern. Wirklich schlimme Fälle wie Entführungen treten realistisch betrachtet ja nicht ein. Daher ist diese Art der Überwachung meines Erachtens übertrieben. Außerdem zerstört das heimliche Tracken die Vertrauensbasis zwischen Kind und Eltern. Wer seinem Kind einen Tracker in den Rucksack packt oder es mit einer entsprechenden Smartwatch ausstattet, muss ihm also die Gründe erklären und sollte eine gute Balance finden zwischen dem Vermitteln von Sicherheit und dem Ermutigen, die Welt zu erkunden. Das lässt sich mit guten Regeln besser erreichen als mit technischen Tracking-Tools.
Die Technik erlaubt unter anderem, den Radius zu bestimmen, in dem sich das Kind bewegen darf. Verlässt es diesen Bereich, erkennt es die Watch und benachrichtigt die Eltern darüber.
Das ist richtig. Doch was tut man, wenn das Kind den Weg verlassen hat oder der Tracker keine neue Position mehr sendet? In den wenigsten Fällen gibt es berechtigte Gründe zur Sorge. Vielleicht hat der Junge oder das Mädchen nur den Rucksack oder Tornister abgesetzt? Die volle Kontrolle können und sollen Mütter oder Väter nie über ihre Kinder haben. Das wäre zudem ein Eingriff in die Freiräume der Heranwachsenden. Kinder sollen sich ja auch allein etwas trauen, mal allein Entscheidungen treffen und lernen, in einer komplexen Welt selbstbestimmt und souverän zu handeln.
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Welche Folgen kann das Tracking der eigenen Kinder sonst noch haben?
Man sollte auf jeden Fall mit dem Nachwuchs darüber sprechen, dass man ihn auf diese Weise überwacht. Sonst wäre das ein klarer Vertrauensbruch mit langfristigen Folgen. Schlimmstenfalls macht das Kind danach erst recht, was es will. Und geht überall hin, ohne den Erwachsenen Bescheid zu geben.
Was empfehlen Sie besorgten Eltern?
Auch wenn das Loslassen schwer fällt: Je älter Kinder werden, umso mehr Freiräume benötigen sie. Tracking beraubt sie eigenen Erfahrungen, die sie machen müssen auf dem Weg des Erwachsenwerdens. Man kann mit dem Kind eine Verabredung treffen, zum Beispiel einen Ort ausmachen zwischen der Schule und der Wohnung. So habe ich das mit meiner nunmehr 13-jährigen Tochter gemacht. Ich bin ihr ein Stück entgegengekommen. Natürlich war ich die ersten Male aufgeregt. Doch ihre eigenen Schritte machen zu dürfen, stärkte ihr Selbstbewusstsein. Gleichzeitig wuchs bei mir das Vertrauen in mein Kind.
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Wie beurteilen Schulen das Tracking?
Manche haben sich grundsätzlich gegen die digitale Überwachung ausgesprochen, ob durch Uhren oder Air Tags wie die von Apple. Ein klares Nein dazu gab es etwa in der Grundschule meiner Tochter in Erfurt. Noch einmal: Es mag Fälle geben, wo Eltern berechtigte Sorgen haben, dass die eigenständigen Wege ihrer Kinder noch zu unsicher sind, aber für die meisten Mädchen und Jungen ist die elektronische Überwachung keine gute Sache.
Gibt es technische Bedenken?
Die Bedienung dieser Geräte und Tools ist meist kindergerecht einfach. Ein Risiko bietet das „Global Positioning System“, kurz GPS zur Positionsbestimmung. GPS nutzt Satelliten, die mit codierten Radiosignalen ihre aktuelle Position und die Uhrzeit übermitteln. Der Einsatz der inzwischen preiswerten Technik hat seit den 2020er Jahren erheblich zugenommen. Aber leider können auch GPS-Tracker und die Konten gehackt werden, die Informationen dieser Gadgets speichern. So besteht die Gefahr, das Kontakt- oder Standortdaten schlimmstenfalls in falsche Hände geraten. Wir raten Eltern daher, sich genau über die jeweiligen Datenschutz- und Verschlüsselungsrichtlinien der Geräte zu informieren.
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Was ist eine sinnvolle Alternative zum Tracking?
Am besten stellt man in der Familie gemeinsam Zeiten und Regelungen auf. Ein Kindergartenkind darf je nach Wohnlage, auch allein zum Spielplatz, wenn es den Weg kennt und er mit Eltern oder Erziehern geübt wurde. Ein Schulkind kann mit zunehmendem Alter entsprechend längere Strecken ohne die Mutter oder den Vater absolvieren. Es muss sich auch nicht immer sofort melden, ob es angekommen ist. Hört man nichts, ist in der Regel alles in Ordnung.
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