Düsseldorf. Wenn das Kind nichts mehr trinkt, um nicht aufs Klo zu müssen: Schultoiletten in NRW sind in einem katastrophalen Zustand. Was jetzt gefragt ist.
Und schon wieder hatte seine Tochter in der Schule nichts getrunken. Rainer Thielemann machte sich Sorgen, als er die volle Wasserflasche aus ihrem Tornister zog. Noch etwas anderes fiel ihm auf: Kaum öffnete er der Neunjährigen die Tür, stürzte diese sofort zur Toilette. In dieser Zeit klagte sie häufig über Bauchschmerzen.
Seine Tochter wollte in der Schule nicht zur Toilette gehen. Zu sehr ekelte sie sich vor dem beißenden Uringeruch, der über die Jahre in die Wände gezogen war. Auf die verschmierten Klobrillen wollte sie sich nicht setzen. Und jedes Mal hatte sie Angst, dass das Toilettenpapier und die Seife wieder leer waren. So wie seiner Tochter ging es vielen Schülerinnen und Schülern der Grundschule St. Rochus in Düsseldorf. Die Toiletten, die rund 300 Schülerinnen und Schüler nutzen, seien einmal am Tag gereinigt worden. „Das ist viel zu wenig“, findet Rainer Thielemann. Für ihn und viele andere Eltern sei der Zustand irgendwann nicht mehr hinnehmbar gewesen.
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„Das Problem ist nicht neu, doch leider wird beim Thema Schultoiletten immer noch zu oft weggeschaut“, sagt der Düsseldorfer. Gemeinsam mit anderen Eltern der St. Rochus Schule nahm er das Problem selbst in die Hand, sammelte Geld für eine tägliche zusätzliche Reinigung nach der ersten großen Pause. Seit über einem Jahr zahlen die Eltern dafür nun zehn Euro im Halbjahr pro Kind.
Schultoiletten in NRW: Häufig marode, oft Opfer von Vandalismus
An Schulen in NRW greifen Eltern häufig in die eigene Tasche oder engagieren sich für saubere Schultoiletten, sagt Birgit Völxen von der Landeselternschaft der Grundschulen, „weil sie verzweifelt sind“. In vielen Schulen werde sich nicht die Zeit für die Reinigung der Toiletten genommen, die eigentlich nötig wäre, so Völxen. Einige seien in einem baulich desaströsen Zustand, andere würden immer wieder mutwillig zerstört. „Jedes Jahr kommen Eltern von Erstklässlern zu mir, die völlig entsetzt über die Zustände sind.“
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Dass sich Eltern engagieren, sei zwar löblich, doch eigentlich müsse es anders gehen, findet Völxen. „Gerade, wenn Toiletten marode sind und seit Jahrzehnten nicht saniert wurden, sollte die Kommune die Verantwortung übernehmen.“ Vandalismus hingegen könne man mit entsprechenden Konzepten bekämpfen.
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Hilfestellungen liefert etwa der Verein „German Toilet Organization“. „Es ist wichtig, die Schülerinnen und Schüler bei der Gestaltung der Räume miteinzubeziehen“, sagt Svenja Ksoll, Projektkoordinatorin für den Bereich Schule. Auch ein gut organisiertes und sichtbares Mängelmanagement durch die Schule sei hilfreich. Das könne in Form von Meldeketten funktionieren, so Ksoll. Auch Birgit Völxen findet: „In den Toiletten sollte eine gute Atmosphäre geschaffen werden, denn da, wo es schon dreckig ist, verursacht man schneller selbst welchen.“
Eltern aus Duisburg wünschen sich „weniger Bürokratie, mehr Pragmatismus“
In Duisburg etwa kämpfen Eltern seit Jahren in vielen Schulen für saubere Toiletten. Rund die Hälfte sei bereits saniert worden, sagt Melanie Maurer, Vorsitzende der Elternschaft Duisburger Schulen. „Doch da ist noch viel Luft nach oben“, betont sie. Maurer hörte von Schulen, wo Kot an den Klo-Wänden klebt oder wo Grundschüler die Spülung nicht benutzen können, weil das alte Druckknopf-System zu schwierig für sie ist.
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Sie hörte von einer Schülerin, die regelmäßig unter einer Blasenentzündung leidet, weil sie sich nicht zur Toilette traut und von Schülern, die in den Pausen Toilettendienst haben und vor den Klos „Wache stehen“ und notieren müssen, wer zur Toilette geht, um mögliche „Verschmutzer“ schneller ausfindig zu machen. „Konzepte wie diese überlegen sich Schulen aus der Not heraus“, sagt Maurer. Das könne jedoch keine Lösung sein.
Sie erinnert sich an eine Situation an der Schule ihrer eigenen Kinder: „In den Schulklos liefen ständig die Wasserhähne. Deshalb haben wir Eltern überlegt, Druckwasserhähne zu installieren. Doch wir durften sie laut Verwaltung nicht montieren. Bis ein Monteur von der Stadt kam, lagen die Hähne ein Jahr unbenutzt herum. Das war so frustrierend.“ Damit sich die Situation kurzfristig verbessert, wünscht sich Maurer weniger Bürokratie und mehr Pragmatismus. So sollten engagierte Eltern mitanpacken dürfen.
Düsseldorf: Eine Million Euro im Jahr für die Sauberkeit von Schultoiletten
In Düsseldorf investiert die Stadt jetzt in Schultoiletten. Künftig wollen CDU und Grüne knapp eine Million Euro pro Jahr für eine bessere Reinigung von Schultoiletten in die Hand nehmen, heißt es von Seiten der Stadt. Zudem soll eine Putzkraft künftig vor Ort in den Schulen sein und die Toiletten nach Bedarf reinigen. Ab Anfang Februar testet die Stadt die Tagesreinigung vorerst an 16 Schulen.
„Ich bin froh, dass sich etwas tut“, sagt Rainer Thielemann. „Schließlich werden Toiletten in anderen halböffentlichen Räumen auch mehrmals am Tag geputzt. Zudem hat fast jedes Unternehmen einen Reinigungsplan. Ich verstehe nicht, warum von Kindern erwartet wird, dass sie das Klo picobello hinterlassen.“ Schultoiletten müssten endlich aus der Tabu-Ecke raus, Schülerinnen und Schüler sollten das Gefühl bekommen, dass jemand präsent ist und das stille Örtchen kein unbeachteter Raum mehr ist.
Städte tragen Verantwortung für Schulklos
Grundsätzlich tragen Städte die Verantwortung für den Schulbau und damit auch für die Instandhaltung der Schultoiletten. Bund und Länder unterstützen die Kommunen bei ihren Aufgaben jedoch mit finanziellen Mitteln, heißt es aus dem NRW-Schulministerium. So wurden bundesweit etwa 3,5 Milliarden Euro für die Sanierung, zum Umbau und zur Erweiterung von Schulgebäuden bereitgestellt. NRW wurden dafür rund 1,12 Milliarden Euro zugeteilt.