Essen. Mindestens die Hälfte der Deiche in NRW müsste nachgebessert werden - warum das so lange dauert und was Fachleute fordern.

Im Sommer 2014 brach eine Regenflut über das Münsterland ein, 2021 verwüstet eine Jahrhundertflut Teile von NRW, Weihnachten 2023 verbringen tausende Helferinnen und Helfer damit, im Dauerregen die Deiche zu schützen - Wetterextreme nehmen auch in NRW massiv zu und werden nach Einschätzung von Fachleuten unberechenbarer.

„Die aktuelle Hochwasserlage bestätigt unsere bereits vielfach geäußerte Prognose, dass wir in Folge des Klimawandels immer häufiger Regenereignisse erleben werden, deren Folgen wir heute kaum einschätzen können“, sagt Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender von Emschergenossenschaft und Lippeverband, dieser Redaktion. Hochwasserschutz wird immer wichtiger - doch der Zustand der Deiche lässt zu wünschen übrig.

Wie ist der Zustand der Deiche in NRW?

An den Flüssen von NRW gibt es Deiche mit einer Gesamtlänge von rund 530 Kilometern. Bei mindestens der Hälfte dieser Deichanlagen besteht nach Angaben des NRW-Umweltministeriums gegenüber dem WDR Handlungsbedarf. Konkreteres ist in Kürze zu erwarten: In einem Bericht des Umweltministeriums zur Lage der Deiche in NRW vom November heißt es, dass der Sanierungsbedarf derzeit systematisch geprüft werde und dazu zeitnah Ergebnisse vorliegen.

Bereits seit 2014 gibt es einen Fahrplan, in den aktuell 47 Deich-Sanierungsprojekte aufgenommen sind. Bislang sind laut Bericht aber nur sechs Projekte fertiggestellt worden, vier weitere befinden sich noch im Bau, für sechs liegt die Genehmigung vor. Ursprünglich sollten alle 2014 in den Fahrplan aufgenommenen Vorhaben bereits 2025 erledigt sein.

Wieso geht das nur so schleppend voran?

Ein Grund ist der Fachkräftemangel. Es fehlen offenbar in den Bezirksregierungen Fachkräfte, die die Sanierungsvorhaben genehmigen können. Die Landesregierung hat zwar bis 2027 jedes Jahr rund 200 zusätzliche Stellen zur Verstärkung der Umweltverwaltung vorgesehen, von denen viele den Bereich Hochwasser in allen Behörden unterstützen sollen. Allein 2022 sind laut Umweltministerium über 100 Stellen in der Wasserwirtschaftsverwaltung geschaffen worden, von denen ein Großteil zu den Bezirksregierungen gegangen sei.

Gegenüber dem WDR sagte Umweltminister Oliver Krischer (Grüne), dass nun auch vorhandenes Personal bei den Bezirksregierungen qualifiziert werden solle, um den Bedarf weiter zu decken.

Hochwasser in NRW - die Lage bleibt weiterhin angespannt

Trassenband, Schilder und Absperrgitter stehen am Rheindeich am Mittwoch in Duisburg - Homberg am Parkplatz an der Rheindeichstraße. Wegen Hochwasser im Rhein mußte der Deich für die Spaziergänger gesperrt werden.
Trassenband, Schilder und Absperrgitter stehen am Rheindeich am Mittwoch in Duisburg - Homberg am Parkplatz an der Rheindeichstraße. Wegen Hochwasser im Rhein mußte der Deich für die Spaziergänger gesperrt werden. © Duisburg | Volker Herold
Hochwasser an der Ruhr in der Nähe des Ruhrparksin Oberhausen.
Hochwasser an der Ruhr in der Nähe des Ruhrparksin Oberhausen. © Oberhausen | Lars Fröhlich
Ruhrhochwasser in Bochum Stiepel
Ruhrhochwasser in Bochum Stiepel © Funke Foto Services | Dirk A. Friedrich
Ruhrhochwasser in Bochum Stiepel
Ruhrhochwasser in Bochum Stiepel © Funke Foto Services | Dirk A. Friedrich
Wie eine Insel liegt der Ort Düffelward Schenkenschanz bei Kleve vom Hochwasser umgeben. Bootsführer des THW bringen mit Motorbooten die Anwohner an Land.
Wie eine Insel liegt der Ort Düffelward Schenkenschanz bei Kleve vom Hochwasser umgeben. Bootsführer des THW bringen mit Motorbooten die Anwohner an Land. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Rheindeich am Mittwoch in Duisburg - Homberg
Rheindeich am Mittwoch in Duisburg - Homberg © Duisburg | Volker Herold
Die Rheinpromenade in Rees ist überflutet.
Die Rheinpromenade in Rees ist überflutet. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp
Wie eine Insel liegt der Ort Düffelward Schenkenschanz bei Kleve vom Hochwasser umgeben. Bootsführer des THW bringen mit Motorbooten die Anwohner an Land.
Wie eine Insel liegt der Ort Düffelward Schenkenschanz bei Kleve vom Hochwasser umgeben. Bootsführer des THW bringen mit Motorbooten die Anwohner an Land. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann
Steele: Starkregen sorgt bei der Ruhr für Hochwasser und überflutete das Freibad Steele und die Ruhrwiesen.
Steele: Starkregen sorgt bei der Ruhr für Hochwasser und überflutete das Freibad Steele und die Ruhrwiesen. © Essen | Michael Gohl
Steele: Starkregen sorgt bei der Ruhr für Hochwasser und überflutete das Freibad Steele und die Ruhrwiesen.
Steele: Starkregen sorgt bei der Ruhr für Hochwasser und überflutete das Freibad Steele und die Ruhrwiesen. © FUNKE Foto Services | Michael Gohl
In Rees ist die Straße nach Grietherort durch das Rheinhochwasser überflutet. Die Bewohner von Grietherort werden mit einem Boot übergeholt.
In Rees ist die Straße nach Grietherort durch das Rheinhochwasser überflutet. Die Bewohner von Grietherort werden mit einem Boot übergeholt. © FUNKE Foto Services | Thorsten Lindekamp
Grundwasser wird aus einem Garten an der Speldorfer Straße in Oberhausen in einen Gully gepumpt. Aufgrund des Ruhr-Hochwassers ist der Grundwasserspiegel in den umliegenden Gebieten stark angestiegen.
Grundwasser wird aus einem Garten an der Speldorfer Straße in Oberhausen in einen Gully gepumpt. Aufgrund des Ruhr-Hochwassers ist der Grundwasserspiegel in den umliegenden Gebieten stark angestiegen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich
Düffelward Schenkenschanz bei Kleve ist vom Hochwasser umgeben.
Düffelward Schenkenschanz bei Kleve ist vom Hochwasser umgeben. © Kleve | Ralf Rottmann
Hochwasser in Duisburg
Hochwasser in Duisburg © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich
Hochwasser in Duisburg
Hochwasser in Duisburg © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich
Hochwasser in Duisburg
Hochwasser in Duisburg © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich
Hochwasser in Duisburg
Hochwasser in Duisburg © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich
Hochwasser in Duisburg
Hochwasser in Duisburg © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich
Ein Angler fährt am Ufer des Wolfsees in Duisburg-Wedau entlang.
Ein Angler fährt am Ufer des Wolfsees in Duisburg-Wedau entlang. © FUNKE Foto Services | Martin Möller
Die Ruhr an der Aackerfährbrücke in Duisburg.
Die Ruhr an der Aackerfährbrücke in Duisburg. © Duisburg | Michael Dahlke
Der Seegelflughafen ist durch das Rheinhochwasser überflutet in Emmerich.
Der Seegelflughafen ist durch das Rheinhochwasser überflutet in Emmerich. © Emmerich | Thorsten Lindekamp
In Emmerich sind die Rheinwiesen überflutet.
In Emmerich sind die Rheinwiesen überflutet. © Emmerich | Thorsten Lindekamp
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Woran liegt es noch?

Beobachter verweisen immer wieder auf die komplizierten Genehmigungen und langwierige Verfahren. Der Rhein-Deich bei Wesel-Bislich etwa soll seit 30 Jahren an verschiedenen Stellen verbessert werden, was neue Verordnungen oder wechselnde Eigentumsverhältnisse erschwerten.

Emschergenossenschaft-Chef Uli Paetzel sagte dieser Redaktion im September, dass selbst Genehmigungsverfahren etwa für Überlaufflächen drei bis fünf Jahre dauerten und damit viel zu lange. Er kritisierte auch die fehlende Digitalisierung in den Behörden. NRW-Umweltminister Oliver Krischer sagte unlängst zu, er wolle die Genehmigungsverfahren vereinfachen, um Planungen zu beschleunigen.

Was kann man sonst noch tun?

Die Städte im Ruhrgebiet müssen nach Ansicht der Emschergenossenschaft besser vor Starkregen geschützt werden. Man brauche „dringend mehr Flächen für Notpolder und Rückhalteräume“, sagte Paetzel dieser Redaktion. Seit dem Emscherumbau seien bereits fünf Millionen Kubikmeter zusätzlicher Überlaufflächen geschaffen worden, aber es brauche mindestens noch einmal halb so viel Fläche - das Format einer Kleinstadt wie Herten.

Hinzu komme die Gefahr für Hochwasser an Stellen, die gar nicht in der Nähe von Gewässern liegen: Wenn bei starkem Regen Kanäle und Straßen volllaufen, Gärten unter Wasser stehen, der Boden die Feuchtigkeit nicht mehr aufnehmen kann: Wo soll das Wasser dann hin? Dafür brauche es „Notwasserwege“, sagt Ilias Abawi, Sprecher von Emschergenossenschaft/Lippeverband. Das Prinzip der „Schwammstadt“, sagt auch sein Chef Paetzel, „muss oberste Leitlinie der Stadtplanung werden.“

Welche Gefahren drohen?

Die Wasserverbände, Polizei und Feuerwehr warnen weiterhin, sich von Gewässern fernzuhalten und unter keinen Umständen die Deiche zu betreten, Abstand zu halten und keinesfalls Absperrungen zu umgehen. „Hochwassertourismus ist gefährlich“, mahnt die Emschergenossenschaft; schlimmstenfalls könne er tödlich enden – etwa durch eigenes Abrutschen oder den plötzlichen Abgang von aufgeweichtem Bodenmaterial. Zudem sei die Strömungsgeschwindigkeit „extrem gefährlich“.