Münster. . In Münster endete 1648 der 30-jährige Krieg. Das Rathaus spielte dabei eine bedeutende Rolle. Hier wurde der Westfälische Friede geschlossen.

Fabio Chigi hat stets im Blick, wer sich ins Goldene Buch einträgt. Das Porträt des italienischen Geistlichen und späteren Papstes ist eines von 37, die an der Wand des Friedenssaals im historischen Rathaus von Münster hängen. Nur ein paar Meter entfernt steht der Tisch mit dem Buch darauf – allerdings nicht das Original, das kommt nur aus dem Schrank, wenn Berühmtheiten den Oberbürgermeister besuchen. Die Gemälde an der West- und der Südwand des Saals zeigen Chigi und die 36 anderen Diplomaten, die hier im Jahr 1648 den Westfälischen Frieden aushandelten – und damit die Schrecken des 30-jährigen Krieges in Europa beendeten.

Klaus Küper.
Klaus Küper. © Volker Hartmann

An diesem Herbstnachmittag herrscht geschäftiges Treiben vor dem Rathaus in der Altstadt der westfälischen Großstadt. Die Menschen zieht es in die Läden in den Erdgeschossen der stattlichen Kaufmannshäuser nebenan und gegenüber, Studenten laufen zum Semesterstart in großen Gruppen über den Prinzipialmarkt. Im Sekundentakt kommen Radfahrer vorbei. Klaus Küper steht etwas abseits des Trubels, unter den Rundbögen des Rathauses.

Bevor es in den Friedenssaal geht, bringt der Stadtführer den Reporter auf die Rückseite des Gebäudes. Dort schweben zwei tonnenschwere Stahlbänke des baskischen Künstlers Eduardo Chillida scheinbar über dem Boden – sie sollen den Dialog symbolisieren und für Frieden und Toleranz unter den Völkern stehen.

Geburtsstunde der Niederlande

Ein paar Meter weiter ist eine Betonplatte in das Pflaster eingelassen, sie erinnert an den „Vrede van Munster“. „Die Stadt steht für zwei Friedensverträge“, sagt Küper. Noch bevor der Vertrag für den Westfälischen Frieden unterschrieben war, einigten sich die sieben Republiken der Niederlande und Spanien darauf, den 80-jährigen Krieg zu beenden. Der „Friede von Münster“ gilt bis heute als die Geburtsstunde unseres Nachbarlandes. „Deswegen kommen immer wieder Niederländer hierhin, um sich den Friedenssaal anzuschauen“, sagt Küper.

Das Rathaus (hinten) zieht Touristen an.
Das Rathaus (hinten) zieht Touristen an. © Volker Hartmann

Was sie und alle anderen Besucher sehen können, ist ein Raum, in dem seit dem Abschluss des Friedensvertrages beinahe nichts mehr verändert wurde: die Holzvertäfelung aus der Renaissance, der mächtige flämische Kronleuchter oder die Gerichtsschranke (der Saal wurde auch als Gericht genutzt) – alles ist im Originalzustand erhalten. „Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Großteil der Ausstattung des Saals nach Schloss Wöbbel in Lippe gebracht“, erklärt Küper. Obwohl Münster im Bombenhagel fast vollständig zerstört wurde, konnte das Rathaus samt Friedenssaal nach dem Krieg wieder aufgebaut werden. Nur der Kamin am Südende des Raums ist eine Replik.

Es waren stürmische Zeiten in Europa, als 1643 die Friedensverhandlungen in Westfalen begannen. Der Krieg, den wir heute als 30-jährigen kennen, hatte Landstriche verwüstet und entvölkert. Die Menschen litten an Hungersnöten und Seuchen. Plünderer zogen über die Lande. Hatte der Konflikt als Religionskrieg begonnen, ging es schnell um die Vormachtstellung in Europa. Zahlreiche Mächte kämpften gegeneinander.

Fünf Jahre blieben die Gesandten zu Verhandlungen in der Stadt

„Toleranz durch Dialog“ heißen die Skulpturen auf der Rückseite.
„Toleranz durch Dialog“ heißen die Skulpturen auf der Rückseite. © Volker Hartmann

Verhandelt wurde nicht nur in Münster, sondern genauso im einen Tagesritt entfernten Osnabrück. Dort trafen sich die Vertreter der protestantischen Staaten, in Münster die der Katholiken. Warum man sich für die eigentlich recht unbedeutenden Städte entschied? „Münster und Osnabrück waren gut befestigt, und der Krieg hatte sie noch nicht zerstört, außerdem lagen sie nicht allzu weit voneinander entfernt“, sagt Klaus Küper. Für manchen Abgesandten war der Einzug ins ländliche Westfalen ein Kulturschock. Einige beschwerten sich über Dreck und Gestank, sie waren es nicht gewohnt, dass innerhalb der Stadtmauern das Vieh gehalten wurde – andere Diplomaten, besonders die aus dem Süden Europas, meckerten über das schlechte Wetter.

Meilensteine der Diplomatie

Es half nichts. Sie mussten fünf Jahre in der Stadt bleiben – erst am 24. Oktober 1648 waren die schwierigen Verhandlungen erfolgreich, der bis dato schlimmste Krieg in Europa vorüber. Unterschrieben wurde der Vertrag zwar im Rathaus, aber nicht im heutigen Friedenssaal (der Name wurde ohnehin erst im 18. Jahrhundert geläufig). Bis heute gelten die Verhandlungen als einer der Meilensteine der Diplomatie oder sogar als deren Geburtsstunde. Denn nie zuvor redeten und verhandelten so viele Parteien und Nationen aus Europa miteinander.

>>>> KINDERFÜHRUNGEN ODER EINE TATORT-KRIMITOUR
Der Friedenssaal ist für jeden öffentlich zugänglich. Die Stadführer von K3 bieten Führungen durch Münster an. So kann man sich nicht nur auf historische Entdeckungsreise begeben, sondern auch den Tatort-Ermittlern nachspüren. Es gibt auch Kinderführungen. Mehr Infos im Internet: www.stadtfuehrungen-in-münster.de