UMWELT. Eiserner Protest in eisiger Kälte: Eine Schar Umweltschützer hält eine Obstwiese im Tagebau Garzweiler II besetzt.

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JÜCHEN. Der fromme Wunsch zum Abschied: "Kommen Sie im Frühjahr wieder. Da blühen hier die Obstbäume!" Oliver, 34, dick eingemummelt in seine Winterjacke, winkt - und er grinst. Dass hier im Frühling noch irgendwas blüht, glaubt der junge Architekt aus Soest selbst nicht. Aber wünschen darf man ja, und die Hoffnung, sie stirbt bekanntlich zuletzt.

Drei große Jurten stehen auf der aufgeweichten Wiese, drumherum einige Iglu-Zelte und eben jene 87 Obstbäume.

Wärmender Schluck "Garzweiler Flächenbrand"

Apfel, Birne, Pflaumen, alles heimische Sorten - die Umweltschützer vom BUND haben sie vor 10 Jahren gepflanzt, um aus der Wiese nahe Jüchen-Otzenrath (Rhein-Kreis Neuss) ein Bollwerk, zumindest ein Symbol gegen den nahenden Braunkohlentagebau Garzweiler II zu machen. Doch: Es steht nicht gut um die Obstwiese.

Fünf junge Leute spielen in einer Jurte Karten, ein Lagerfeuer lodert. Seit Neujahr hält eine Schar BUND-Aktivisten die ein Hektar große Wiese besetzt. Gegen die Kälte hilft am Abend ein Schluck "Garzweiler Flächenbrand" - ein Obstler, selbstgebrannt aus der Ernte des vergangenen Jahres.

"Zukunft statt Braunkohle" steht auf einem Transparent. Die Umweltschützer wollen den Hektar gegen den Tagebau-Bagger verteidigen, der mit den Jahren immer näher gekommen ist. Nur 50 Meter sind es noch bis zur Abbruchkante.

Werksschutz von RWE patrouilliert um das Gelände. Das Unternehmen hat die Besetzung bislang geduldet. Seit Donnerstag aber sind die Zufahrten gesperrt, man kommt nur noch zu Fuß zur Obstwiese. RWE-Wachmänner schreiben die Kennzeichen der abgestellten Pkw auf, fotografieren. Und gestern türmten plötzlich Bagger einen Wall rund um die Obstwiese auf.

Warum das? "Eine Zermürbungstaktik", vermutet man im Camp. "Reine Fürsorge", heißt es lapidar beim RWE. Ein werdender Tagebau sei ein gefährliches Gebiet, an der Abbruchkante geht es viele Meter in die Tiefe.

"Wir sind friedlich, aber wir sind entschlossen", betonen derweil Oliver und sein ebenfalls aus Soest angereister Gefährte Stefan. Das heißt so viel wie: Wenn die Polizei kommt, um zu räumen, werden sie keinen Rabbatz machen - aber man wird sie wegtragen müssen. Dass das individuelle Konsequenzen haben kann, mehrere Hundert Euro Bußgeld etwa, wissen die Zwei aus eigener Erfahrung von Anti-Atomprotesten in Ahaus oder Gorleben. Sie nehmen es in Kauf.

Eine solche Entschlossenheit kannte man bisher von Greenpeace oder Robin Wood, für den bis dato eher beschaulichen BUND ist sie neu. "Wir brauchen beim Klimaschutz keine Worte, sondern Taten", fordert Dirk Jansen.

Noch Eigentümer der Wiese

Jansen ist Landessprecher des BUND. Er erinnert aber daran, dass seine Organisation nach wie vor Eigentümer der Wiese ist - auch wenn die Oberverwaltungsrichter in Münster RWE bereits zugebilligt haben, zum 2. Januar über die Parzelle verfügen zu können. Der BUND geht beim Bundesverwaltungsgericht dagegen an; solange dort nichts entschieden ist, fühlen sich die Umweltschützer im Recht.

Moralisch mag das - je nach Standpunkt - gelten. Juristisch schaut es anders aus. RWE-Sprecher Lothar Lambertz bescheinigt den Besetzern eine "seltsame Rechtsauffassung". Dem Unternehmen sei an einer Eskalation nicht gelegen. Gleichwohl: "Anfang der Woche werden wir uns noch einmal mit der Polizei zusammensetzen und unseren Standpunkt überdenken." Auch mit dem BUND sei man ja weiter im Gespräch und hoffe auf Einsicht. Aus Lambertz' Sicht ist das Camp in einigen Tagen Geschichte. Spätestens Ende Januar werde der Bagger die Wiese in Beschlag nehmen. Und bis dahin, so der RWE-Sprecher, müsse man ja auch noch die Bäume fällen. . . (NRZ)