Am Niederrhein. Die Amphibien sind jetzt unterwegs zu ihren Laichgewässern. Naturschützer passen auf, dass sie nicht unter die Räder kommen.

Vor ein paar Wochen war noch eisiger Winter am Niederrhein. Mit bitterkalten Nachtfrösten, wie wir es nur selten in unserer Region erleben. Unmittelbar darauf folgte dann ein Temperaturanstieg bis an die 20° Celsius tagsüber. Schneeglöckchen und Krokusse zeigten als erste Farbtupfer dem Winter die kalte Schulter. Dazu unterstützten vielerorts gelbe Zitronenfalter mit ihren beeindruckend-filigranen Schaukelflügen die Szenerie.
Längst hat der Dirigentenstab im Orchestergraben der Natur für Bewegung gesorgt. Nicht nur Amsel, Singdrossel, Heckenbraunelle, Rotkehlchen und Co. wissen dazu bereits morgens und abends ein Liedchen zu zwitschern. Auch einige Eulenvögel lassen jetzt ihre Balzrufe erklingen. Waldkauz und der große Uhu brüten bereits am Niederrhein.

Die Amphibien machen sich wieder auf die Socken

Und einige Amphibienarten haben sich auch schon auf die Socken gemacht – aus ihren Winterquartieren zu den traditionellen Laichgewässern. Die Biologie dieser Tiere zwingt sie dazu, diesen Aufwand zu betreiben. Amphibien sind nämlich wechselwarme Tiere; ihre Körpertemperatur ist in hohem Maße von der Umgebungstemperatur abhängig. Kalte und knappe Nahrung zwingen die Lurche zur Winterruhe.
Zum Überwintern werden passende Unterschlupfe wie Wurzelbereiche von Bäumen, Erdlöcher, Hohlräume unter Steinplatten, unter totem Holz oder in Kleinsäugerbauten genutzt. Ein Teil der Frösche überwintert im Bodenschlamm von Gewässern.

Der gefahrvolle Weg zu den Laichgewässern

Bei allen gemeinsam ist dann der Stoffwechsel auf ein Minimum heruntergefahren. Erst höhere Tages- und Nachttemperaturen im Vorfrühling erlösen die Tiere aus ihrer Starre und bringen sie bevorzugt in feuchten Nächten wieder auf die Piste. Sie gehen auf Wanderschaft. Häufig in beachtlicher Anzahl. Angetrieben vom allgemein gültigen Prinzip der Biodiversität, sich selbst fortzupflanzen und damit artenspezielles Genmaterial zumindest vorläufig zu sichern.
Auf dem Weg zu den angestammten Laichgewässern lauern auch Gefahren. Vor allem beim Überqueren asphaltierter Straßen. Darüber wird aber nicht selten auch in dunkler Nacht mit den geliebten Autovehikeln gebrettert. Und somit leider auch viele Amphibien plattgefahren. Wenn es nicht die engagierten Amphibienschützer gäbe, wären vielerorts bereits ganze Populationen verschwunden.
Ohne Schutz wären viele Populationen verschwunden

Spezialzäune werden aufgebaut

Die Nabu-Aktiven betreuen beispielsweise im Kreis Wesel Amphibienfangzäune an besonders stark befahrenen Straßen, die Amphibien-Wanderrouten kreuzen. Dazu haben sie mit schweißtreibender Knochenarbeit rechtzeitig Spezialzäune aufgebaut. Oft hunderte Meter lang. Und gut alle zehn Meter direkt am Zaun Plastikeimer eingegraben, die mit einem nassen Schwamm ausgestattet sind. Die nächtlich wandernden Amphibien suchen am Fangzaun eine Lücke, um auf die andere Straßenseite zu gelangen. Dabei plumpsen sie sacht in die Eimer. Morgens und abends werden diese Tiere dann von den Naturschützern sicher über die Fahrbahn gebracht und wieder freigelassen.
Beachtlich ist das eingebaute Navi der Lurche. Denn alle Tiere bewegen sich dann direkt weiter Richtung Laichgewässer. Die Nabu-Kreisgruppe Wesel betreut zusammen mit der Naturschutzjugend (Naju) im Kreisgebiet Fangzäune in Moers, Neukirchen-Vluyn, Kamp-Lintfort, Rheinberg, Wesel, Hamminkeln, Lippedorf, Voerde, Hünxe und Dinslaken – mit gut 100 sachkundigen, ehrenamtlichen Helfern. Und viele davon sind bei Wind und Wetter schon Jahre dabei.

In Hiesfeld wurde ein Ersatzlaichgewässer geschaffen

An der Ober-Lohberg-Allee in Dinslaken-Hiesfeld konnte der Nabu sogar eine größere Katastrophe verhindern. 2016 ereilte ein Hilferuf aus der Bevölkerung die Nabu-Geschäftsstelle in Wesel. Über 100 Erdkröten waren in den Nächten zuvor dort plattgefahren worden. Der Autor machte sich sofort selbst ein Bild vor Ort. Beim Bau dieser relativ neuen Osttangente waren keine Krötentunnel bedacht worden. Erdkröten sind nicht planungsrelevant. Das Bundesnaturschutzgesetz schützt die Tiere aber. Der Nabu ließ nicht locker.
Als erstes wurden die lebensrettenden Fangzäune aufgebaut und natürlich betreut. Unterstützung von der Unteren Naturschutzbehörde im Kreis Wesel angefordert. Zusammen mit Politik, Stadt Dinslaken, Bezirksregierung, Ruhrkohle AG als Grundstücksbesitzer und der UNB wurde ein letztlich erfolgreiches Konzept entwickelt und schon weitgehend umgesetzt.

Wassermanagement

Weil die Laichgewässer nicht zuletzt durch den Klimawandel zunehmend trockengefallen waren, ist dort ein paar Hundert Quadratmeter großer Folienteich nach zähen Verhandlungen als Ersatzgewässer geschaffen worden. Und damit auch das Wassermanagement gesichert. Die RAG hat hier als Ausgleich für eine Baustraße den Teichbau finanziert. Auch die Untere Naturschutzbehörde (UNB) hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten das Projekt immer wieder unterstützt.

Starke Typen im Einsatz

Ohne Vorstandsassistentin Norma Heldens von der Nabu-Kreisgruppe Wesel wäre insbesondere der umfangreiche Einsatz an der Ober-Lohberg-Allee durch die ehrenamtlichen Aktiven vom Nabu-Dinslaken nicht so erfolgreich über die Bühne gegangen. Sie selbst betont die beachtenswerte, spontane Bereitschaft der Dinslakener Truppe, die auch bei plötzlichen Sofortaktionen immer blitzschnell vor Ort waren.

Norma Heldens plant dort seit Jahren die umfangreichen Einsatzschichten und führt zudem die tagesaktuellen Zählergebnisse der einzelnen Arten zusammen. Das Monitoring über jetzt bereits fünf Jahre zeigt deutlich die Entwicklungstendenz der einzelnen Lurche. Die Trockenperioden der vergangenen Jahre hatten einen negativen Einfluss auf die Populationen.

Der Stellvertretende Nabu-Kreisvorsitzende Frank Boßerhoff hat über Jahre engagiert mit allen verantwortlichen Stellen für das große Ersatzlaichgewässer gekämpft. Ohne das beharrliche Engagement des Nabu gäbe es wahrscheinlich kaum noch Amphibien im Bereich der Ober-Lohberg-Allee. (malz)