Essen. Oppenberg gibt bei einer Betriebsversammlung bekannt, dass die NRZ künftig zur WAZ-Gruppe gehört. Mit dem Schritt sichert er die Zukunft der NRZ.
Am 23. Oktober 1975 wurde die NRZ plötzlich selbst zur Nachricht: Jens Feddersen saß im Essener WDR-Studio und gab ein Interview für das „Mittagsmagazin".Sein Ziel: Deeskalation. Erst wenige Stunden vorher war die Betriebsversammlung zu Ende gegangen. Dort hatte Verleger Dietrich Oppenberg bekanntgegeben: Ab 1. Januar 1976 wird die NRZ im Zeitungsverlag Niederrhein herausgegeben, der zur WAZ-Gruppe gehören wird.
Die Rheinisch-Westfälische Verlagsgesellschaft soll Gesellschafter dieses Zeitungsverlages werden. Was bedeutete dies für die Zukunft? Die Mitarbeiter, aber vor allem auch die Leser waren verunsichert: Blieb die Redaktion unabhängig? Wurde die NRZ nun auch zum Opfer des Konzentrationsprozesses in der deutschen Presse? Im Rückblick zeigte sich: Diese Kooperation hatte die Unabhängigkeit der NRZ gesichert.
Oppenberg erkannte: Die NRZ braucht Kooperationspartner
Obwohl sich die Auflagenzahlen kontinuierlich positiv entwickelt hatten, obwohl die NRZ ein anspruchsvolles journalistisches Profil zu bieten hatte - die Kosten waren zu hoch: der Vertrieb, der Druck, die Papierpreise. Viele Regionalzeitungen hatten unter diesem Kostendruck zu leiden, die Folge für die meisten Titel: Sie verschwanden vom Markt.
Doch Oppenberg erkannte früh genug: Wenn er die NRZ als eigenständigen Titel retten wollte, brauchte er einen Kooperationspartner. Was auf den ersten Blick als unlogisch erschien, zeigte sich im Rückblick als geschickter strategischer Schachzug. Oppenberg gelang es in zähen Verhandlungen mit den Vertretern der WAZ-Gruppe, die Eigenständigkeit der NRZ zu sichern. Denn die Kooperation bezog sich nur auf die Verlagsbereiche, die nicht das publizistische Profil berührten.
Durch einen gemeinsamen Vertrieb, durch ein gemeinsames Anzeigengeschäft ergaben sich Synergieeffekte. Die NRZ wurde von dem Kostendruck befreit, der ihre Existenz bedroht hatte. Stattdessen konnte sich die Redaktion nun ganz auf ihre journalistische Arbeit konzentrieren. Die publizistische Unabhängigkeit wurde garantiert: Dietrich Oppenberg wurde zum Herausgeber der NRZ. Als solcher entschied er über die personelle Zusammensetzung der Redaktion, er bestimmte über den Chefredakteur und die Leiter der Ressorts.
Kooperation schuf eine solide finanzielle Basis
Die Kooperation auf betriebswirtschaftlichem Gebiet schränkte also nicht die Unabhängigkeit ein, sondern schuf für sie eine neue solide finanzielle Basis. Oppenberg verstand sich als Herausgeber als Gewährsmann für diese Unabhängigkeit. Er blieb somit seinem verlegerischen Selbstverständnis treu, im Sinne der Leitsätze der NRZ für die journalistische Qualität der Zeitung einzustehen.
Die Herausgeber-Rolle entsprach Oppenbergs Persönlichkeit. Die neue Aufgabe war für ihn auch eine Befreiung. Zwar musste er sich auch jetzt noch mit kaufmännischen Fragen beschäftigen, war er doch auch einer der Geschäftsführer des neuen Zeitungsverlages Niederrhein, doch der Schwerpunkt seiner Arbeit lag nun auf dem Bereich, auf dem er schon zuvor als Verleger die entscheidenden Akzente gesetzt hatte: Als Herausgeber war er der Gewährsmann der journalistischen Unabhängigkeit der NRZ-Redaktion. Er war so etwas wie der „Gralshüter" der NRZ-Leitsätze.
Oppenbergs Stellung im Verlag war ein besonderer Erfolg
Vor allem durch seine besondere Stellung, die Oppenberg als Herausgeber in der neuen Verlagskonstruktion hatte, trug er dafür Sorge, dass diese Leitsätze weiterhin das publizistische Profil der Zeitung bestimmten und somit die Qualität der „Marke" NRZ auch für die Zukunft galt. Dass Oppenberg diesen besonderen Status für sich als Herausgeber ausgehandelt hatte, war ein besonderer Erfolg. Das zeigt sich im Hinblick auf die Art und Weise, wie die Fusionen anderer Zeitungen mit der WAZ verliefen.
Die Westfälische Rundschau etwa verfügte nicht über einen solchen Fürsprecher für ihre Interessen. Die Folge in der Gegenwart: Die WR ist nur noch eine Hülse, der Titel existiert zwar noch, aber es gibt keine Redaktion mehr. Eine solche Entwicklung wäre bei der NRZ nicht möglich.