Essen. Ein Exklusiv-Interview der NRZ-Korrespondentin Hilde Purwin mit Kanzler Adenauer sorgt für internationale Resonanz im Jahr 1960.
Für große internationale Resonanz sorgt ein NRZ-Interview 1960. Exklusiv spricht NRZ-Korrespondentin Hilde Purwin mit Bundeskanzler Konrad Adenauer. Dessen Aussagen sorgen für Furore. Doch von vorn: Hilde Purwin ist eine Rarität in der Presselandschaft der Adenauer Ära. Eine Frau als Korrespondentin am Regierungssitz gibt es dieser Zeit nicht oft. Seit 1950 arbeitet Purwin für die NRZ in Bonn.
Sie prägt wie keine andere Frau die journalistische Szene in der Hauptstadt. Sie ist Mitgründerin der Bundespressekonferenz und jahrelang in deren Vorstand. Purwin wird drei Jahrzehnte für die NRZ aus Bonn berichten und dabei alle deutschen Bundeskanzler bis Helmut Kohl aus nächster Nähe erleben. Das Adenauer-Interview mit dem sie der NRZ internationale Aufmerksamkeit beschert, bahnt sich im Herbst 1960 an. Bei einer Gesprächsrunde mit Journalisten im Bonner Presseklub ist Kanzler Adenauer zu Gast. Eigentlich sind solche Plaudereien als Hintergrundgespräche ausgelegt. Nichts, was in diesem Rahmen besprochen wird, darf für die Berichterstattung genutzt werden. Die NRZ-Journalistin nutzt die Gelegenheit und stellt Adenauer eine Reihe von Fragen. Doch statt die vielen Fragen zu beantworten, lädt Adenauer Purwin zu einem persönlichen Gespräch ein.
Und tatsächlich kommt eine Woche später die Einladung aus dem Kanzleramt: Adenauer steht für ein Interview bereit – 45 Minuten lang. Darin erklärt der Bundeskanzler, dass es an der Zeit wäre, dass der sowjetische Regierungschef Chruschtschow mal nach Bonn kommen soll. Adenauer betont, wie viel ihm daran gelegen sei, die deutsch-sowjetischen Beziehungen zu verbessern.
NRZ-Artikel macht weltweit schnell die Runde
Der Artikel erscheint am 12. November 1960 in der NRZ unter dem Titel „Kanzler will gute Kontakte nach Moskau“ und findet schnell Resonanz. Die beiden bedeutenden amerikanischen Zeitungen „New York Herald Tribune“ und die „New York Times“ berichten darüber. NRZ-Korrespondent Heinz Pol meldet wenige Tage später aus Washington: „Einer der seltenen Fälle, wo führende amerikanische Blätter, die in fast allen Teilen der Welt gelesen werden, mehrere Tage über ein und dasselbe Ereignis in aller Ausführlichkeit Kommentare und Meldungen veröffentlichen.“ Und auch in den anderen europäischen Hauptstädten wird das Interview wahrgenommen.
Während die NRZ ganz oben in der internationalen Politik mitspielt, läuft es auch wirtschaftlich gut. Im Oktober wird erstmals ein Anzeigenumsatz von über zwei Millionen DM erzielt. Um auch mehr junge Leser anzusprechen, erscheint ab November eine neue Serie. „Hallo Teenager – hallo Twen“ erscheint alle 14 Tage, zunächst auf einer halben Seite, später dann ganzseitig.