Am Niederrhein. Jan de Beyer gilt als der Niederrhein-Zeichner des 18. Jahrhundert. Warum, zeigt ein wiederentdeckter Bildband mit seinen Arbeiten.
Also die Tiefebene zwischen Rhein und Maas ist wirklich nicht für Übertreibungen bekannt. Und so darf die Aussage von Veronika Hebben als ehrlich gemeinte Schwärmerei angesehen werden. Es ist, als hielte man einen kleinen Schatz in den Händen, findet die Leiterin des Niederrheinischen Museums für Volkskunde und Kulturgeschichte in Kevelaer – wenn man die Faksimile-Ausgabe der „Niederrhein-Ansichten von Jan de Beyer“ durchblättert. Eine Begeisterung, die berechtigt ist.
Das Buch, 74 Seiten dick, aus hochwertigem Büttenpapier, enthält Kupferstiche aus den Jahren 1758 bis 1762, deren Vorlagen der Künstler auf seinen Reisen durch die Region rund zwei, drei Jahrzehnte vorher gezeichnet hatte.
Eine Augenweide für Kunstsammler und Niederrhein-Interessierte
Kein Zweifel, diese Bilder sind „für den Niederrhein bis heute eine der wichtigsten topographischen und baugeschichtlichen Werke“, erklärt Heinz Janssen. Der Galerist aus Kevelaer war so angetan von den Arbeiten, dass er diese in Buchform herausgeben hat.
Freilich ist das fast 30 Jahre her, im November 1991 schon erschien diese Neuauflage von „Het verheerlykt Kleefschland“. Eine Ansammlung von 91 Ansichten von Dörfern und Städten, Burgen und Schlössern, Adelshäusern und Kirchen. Eine Augenweide für „Kunstsammler“ und „Niederrhein-Interessierte“, so der Herausgeber.
Während sich der gut betuchte Kunstfreund die Originale, sprich die Aquarelle oder Zeichnungen leisten kann, greift der weniger betuchte, aber aufmerksame Kenner zur preisgünstigeren Druckgrafik aus der damaligen Zeit – dem Kupferstich.
Die Kupferstiche sind auch Werke von Paulus van Liender
Darum sind die hier abgedruckten Bilder des Jan de Beyer gleichzeitig auch Werke von Paulus van Liender. Denn erst der Kupferstecher aus Utrecht übertrug einst die Abbildungen auf die Druckplatte, die zur Vervielfältigung benötigt wurde. Weil eine Vielzahl von Vorlagen aus der Hand von Jan de Beyer erhalten geblieben sind, können die Reproduktionen ihm jedoch problemlos zugeordnet werden.
Ebenfalls nicht unwichtig bei der nachträglichen Betrachtung, zum Beispiel des Dorfes Dornick (1732), vom Markt in Goch (1737) oder von Schloss Moyland (1746): „Man darf bei Jan de Beyer mit dem Willen zur unbedingten topographischen Treue rechnen“, schrieb der Autor Albert Verbeek in einer längst vergriffenen Ausgabe der „Niederrhein-Ansichten“ aus dem Jahr 1957.
Auch deshalb gilt Jan de Beyer als der Niederrhein-Zeichner des 18. Jahrhunderts. Seine Bilder zeigen uns heute, wie die Region vor rund 300 Jahren aussah.
Geboren in der Schweiz, trotzdem ein niederländischer Künstler
Geboren wurde Jan de Beyer (auch Jan de Beijer) zwar 1703 im schweizerischen Aarau, doch wird er landauf, landab als niederländischer Künstler bezeichnet. Er starb um 1780, 1785 herum, vielleicht in Rees oder anderswo in der Gegend.
Trotz seiner Popularität weist seine Vita noch manche Lücke auf. Verbürgt sind seine frühen Lebensjahre in Emmerich, wo er zur Schule ging; zudem wohnte er in Vierlingsbeek nahe Goch. Nachher bereiste er mehrmals kreuz wie quer die Tiefebene zwischen Rhein und Maas, wie anhand seiner Auftragsarbeiten anschaulich nachzuverfolgen ist.
Noch immer wird gerätselt, wie weit er den Rhein hinauf kam. Abgesehen von Mainz: Es gibt von ihm Bilder von Uerdingen, vielleicht sogar von Latum bei Meerbusch, ganz sicher auch aus dem Selfkant: etwa von Birgelen und Wassenberg.
Ein Nachdruck aus hochwertigem Büttenpapier
Mit großer Genauigkeit hielt er bei seiner Arbeit unter freiem Himmel die Szenerie mit der Feder fest, um diese später im Atelier zu vollenden. Seinen Skizzen wird „ein flotter, fast nervöser, aber sicherer Strich“ bescheinigt, den gefällig wirkenden Kupferstichen sieht man diese Technik jedoch kaum bis gar nicht mehr an.
Schon zu Lebzeiten waren die Werke Jan de Beyers sehr gefragt, noch heute schmücken sie unzählige Häuser im Niederrheinlande. Warum, zeigt der Nachdruck seiner „Niederrhein-Ansichten“, der lange als vergriffen galt, von dem Heinz Janssen jetzt einige Exemplare im Depot wiedergefunden hat. Eine Restauflage, aber ganz ehrlich: ein unschönes Wort für diesen Schatz.
INFO: Hier gibt es den Bildband
Die Faksimilie-Ausgabe der „Niederrhein-Ansichten von Jan de Beyer“, 74 Seiten, Büttenpapier, gab der Galerist Heinz Janssen im Jahr 1991 heraus. Es gibt es eine Restauflage von rund 100 Exemplaren, die er in seinem Antiquariat am Kapellenplatz in Kevelaer verkauft (02832/22 81). Das Sammlerstück ist auch im Niederrheinischen Museum für Volkskunde und Kulturgeschichte zu erwerben (02832/95 41 10). Preis: 22 Euro.