Am Niederrhein. Endlich einmal raus aus dem Home-Office. Unser Reporter hat den neuen Pilgerweg vom Kloster Kamp nach Kempen getestet– wunderschöner Niederrhein.

Eine Woche danach strahlt noch immer dieses wahnsinnig gelbe Rapsfeld nach, kurz vor Sankt Hubert. Es bog plötzlich um die Ecke eines backsteinernen Bauernhauses, streckte sich breit und weit – und sein Anblick war schlicht und ergreifend: irre schön.

Genau der richtige Moment, um Bernd Weggen zu zitieren: „Gehen Sie im Frühling los, wenn die Natur auch am Niederrhein wieder erwacht.“ Ahnungsvoll und milde lächelte der Mann, weil er weiß, was er verspricht; sieben, acht Mal schon ist er diese Strecke gegangen.

„Von Kloster Kamp nach Kempen“ nennt er seinen Weg, den er im vergangenen Jahr ausarbeitete. Mit Hilfe von Bernhard Kames, Wanderführer vom Verein Niederrhein, und Peter Hahnen, Leiter des Geistlichen und Kulturellen Zentrums – um jetzt bloß zwei, stellvertretend für viele, zu nennen.

Start am Kloster Kamp – ab ins niederrheinische Nirgendwo

22,4 Kilometer ist die Route lang, die Teil eines Pilgerweges zwischen Aachen und Münster werden soll, der von der Jakobus-Gesellschaft mit Sitz in Düsseldorf geplant wird. „Man muss nicht bis nach Spanien laufen, um zu pilgern“, findet Herr Weggen. „Es kann direkt vor der Haustüre losgehen!“

Am Beginn dieser Tagestour liegt Kloster Kamp, noch im morgendlichen Tiefschlaf. Die Abteikirche ist verschlossen, auch wegen Corona. Es geht den Kamper Berg hinunter, am Terrassengarten entlang und am Dachsberg vorbei – hinein ins niederrheinische Nirgendwo. Unterwegs auf einem Wirtschaftsweg, von denen es in dieser Gegend unzählige gibt, und über die dieser Pilgerweg größtenteils führt. Viel Asphalt also, was Wanderer nicht so gerne mögen; Punktabzug.

Das Ziel des Pilgers in fünf Worten: „Zu sich selbst zu finden.“

Die Zeit vergeht, und Schritt für Schritt das Gefühl dafür. Irgendwann bleibt der Arbeitsalltag auf einer Weide voller Löwenzahn liegen und der Virus-Wahn an einem verwitterten Grenzstein hängen. Endlich. Der Kopf wird frei für das Ziel dieses Weges, das Bernd Weggen in fünf Wörtern beschreibt: „Zu sich selbst zu finden.“

Natürlich ist der Niederrhein weder die Eifel noch das Sauerland. Wer hier wandert, kann keine Höhenflüge erwarten – aber märchenhaft gerechnet sind unterwegs mindestens sieben Berge zu erklimmen. Dort oben, 60 bis 80 Meter über Normalnull, reicht der Blick bis an den Rand des Ruhrgebietes. Am Horizont bläst das Kohlekraftwerk in Walsum dicke Wolken in die Luft, daneben reihen sich die die letzten noch verbliebenen Stahlschmieden Duisburgs auf. Tipp: Auch ein Fernglas in den Rucksack packen!

Ist Kleinholthuysen etwa das Ende der Welt?

Auf der anderen Seite der eiszeitlichen Überbleibsel bei Rheurdt schweift der Blick in die Tiefe eines ackerbraunen und feldergrünen Raumes. Allerorten drehen Windräder ihre Kreise. Leider verschluckt die grelle Mittagssonne die Fernsicht. Aber nee, Kleinholthuysen ist bestimmt nicht das Ende dieser scheinbar heilen Welt.

Wer mit offenen Augen durch die Landschaft stiefelt, wird zum Nachdenken angeregt. Über den Gemüseanbau unter hässlichen und umweltschädlichen Plastikfolien, zum Beispiel. Oder über den Bau der umstrittenen Erdgasleitung Zeelink, für die kurz vor Stenden gerade im Boden gebuddelt wird.

Von Hagelkreuz zum Heiligenhaus in die Thomasstadt Kempen

Jedenfalls muss man nicht unbedingt an den lieben Gott glauben, um auf den Weg nach Kempen, in die Thomasstadt, die eine und andere Erkenntnis einzusammeln. Wer’s doch tut, wird sich am Kreuzweg auf dem Oermter Berg sowie den Hagelkreuzen und Heiligenhäuschen erfreuen. Dahinter stecken oft interessante, manchmal gar traurige Geschichten, merkt Bernd Weggen in seiner Pilgerweg-Broschüre an.

Das Heft ist ein geduldiger Reiseführer, der – mit etwas eigenem Orientierungssinn – am Nachmittag ins Ziel führt. Allein, die Altstadt von Kempen ist stellenweise menschenleer. Ach ja: Corona, immerhin einen Moment lang – vergessen.

Das Heft zum Pilgerweg, ein informativer Reiseführer

„Von Kloster Kamp nach Kempen“von Bernd Weggen: 28 Seiten, knappe Wegbeschreibung, vier kleine Karten, kurze Erklärungen zu Sehenswürdigkeiten. Das Heft zur Strecke (22,4 km) wurde von Peter Hahnen, Leiter Geistliche und Kulturelle Zentrum, in der Edition Kloster Kamp herausgegeben. Es kostet vier Euro und ist im Klosterladen auf dem Abteiberg in Lintfort erhältlich, Kontakt: 02842/92 75 40, Internet: kloster-kamp.eu.

Info: An- und Abfahrt im ÖPNV möglich (mit Maske, bitte). Kempen ist an die Bahn, Kloster Kamp an den Bus angeschlossen. Am Wochenende aber von Nord nach Süd gehen, die Bahn verkehrt länger als der Bus.