Am Niederrhein. Pilates: Wer hat’s erfunden? Nein, kein gelenkiger Yogi aus Fernost – ein Niederrheiner: Joseph Pilates aus Mönchengladbach. Der Fitness-Pionier.

Ach ja, Amerika ist weit weg, und wirklich falsch war es auch nicht, was im Oktober 1967 in der New York Times zu lesen war: „Mr. Pilates was born near Düsseldorf, Germany.“ Aber etwas genauer hätten es die Amis dann doch nehmen können, merkt Gerd Lamers augenzwinkernd an.

Der Stadtarchivar von Mönchengladbach hätte wohl eine berufsbedingte Freude daran, den Namen der niederrheinischen Großstadt aus der renommierten Tageszeitung in Übersee zitieren zu können. Doch ließ der Nachruf, der zum Tod von Joe Pilates darin erschienen war, die Herkunft dieses Mannes im Halbdunkeln.

Geboren in Gladbach, nicht in Düsseldorf

Etwas Licht in die Sache brachte dann ausgerechnet ein Düsseldorfer: Dr. Werner Hellfritzsch wandte sich im Jahr 2004 an das Stadtarchiv, mit der Behauptung, jener Herr Pilates stammte ursprünglich aus Mönchengladbach.

Um das Ergebnis der daraufhin einsetzenden Nachforschungen abzukürzen: Ja, so war es! Joseph Hubertus Pilates wurde am 9. Dezember 1883 in Gladbach, so der damals offizielle Name der Stadt, geboren. Ein Niederrheiner also, der mehr als ein Jahrhundert später weltweit berühmt werden sollte; irgendwie.

Ausschnitt aus der Gedenktafel, die in der Altstadt von Mönchengladbach steht.
Ausschnitt aus der Gedenktafel, die in der Altstadt von Mönchengladbach steht. © Ingo Plaschke

Kein Weiser aus Fernost: ein Niederrheiner

Denn: Pilates ist zwar ein allgemeiner Begriff – und doch wieder nicht. Pilates als Person ist sozusagen eine unbekannte Berühmtheit. Er gilt als Fitness-Pionier. Sein Name ist Programm, die von ihm erfundene und nach ihm benannte Sportmethode ist seit einigen Jahren ziemlich angesagt.

Doch anders als Yoga oder Zen stammt das Ganzkörpertraining mit der Kraft aus der Körpermitte („Powerhouse“) eben nicht aus Indien oder China – sondern vom platten Land. Kein gelenkiger Weiser aus dem Morgenland hat’s erfunden, sondern der Sprössling des Schlossers Heinrich Friedrich „Fritz“ Pilates, der immerhin ein Turner war.

Ein Mann mit Muckis

Dessen Sohn soll als Kind unter Asthma, Rachitis und rheumatischem Fieber gelitten haben. Trotzdem oder gerade deshalb wurde aus ihm ein echter Sportsfreund. Beeindruckend sind die schwarz-weißen Fotos von ihm, die einen Muskelmann zeigen, der bis ins hohe Alter ansehnlich war; durchtrainiert, aber überhaupt nicht übertrieben.corona-isolation- so wird das wohnzimmer zum fitnessstudio

Joseph Pilates starb mit 83 Jahren, laut der Wikipedia an einem Lungenemphysem, einer chronische Lungenblähung. Übrigens verstarb er – Hello, New York Times – am 9. Oktober 1967, in einer sehr großen Stadt nahe Philadelphia, USA.

Ein abenteuerliches Leben, filmreif

Zwischen dem Ort seiner Geburt und der Stadt seines Lebensabends liegen rund 6.000 Kilometer, sprich ein abenteuerlicher Weg. Eigentlich ein filmreifer Stoff, umso mehr verwundert es, dass die Pilates-Story bisher noch nicht auf einer Kinoleinwand oder im Internetfernsehen gezeigt wurde.

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Es ist der Historikerin und freien Schriftstellerin Eva Rincke zu verdanken, dass die außergewöhnliche Geschichte des Bierbrauers, Boxlehrers und Auswanderers (1925), der drei Mal verheiratet war, wenigstens in Buchform verewigt wurde. In ihrer Biografie über Joseph Pilates leuchtet sie auch die „Kindheit und Jugend in ärmlichen Verhältnissen“ aus.

Eine ur-niederrheinische Familie

Der Stammbaum der Familie lässt sich in zahlreichen Namensvarianten über mehrere Jahrhunderte in Mönchengladbach und am Niederrhein zurückverfolgen, mindesten bis anno 1564. Wahrscheinlich wurde der Nachname einst von der Bezeichnung eines Gehöfts abgeleitet, dem Plates-Gut zwischen Lürrip und Uedding.

Das Haus mit der Nummer 24 (früher 20) an der Waldhausener Straße in Mönchengladbach steht noch.
Das Haus mit der Nummer 24 (früher 20) an der Waldhausener Straße in Mönchengladbach steht noch. © Ingo Plaschke

Fest steht dagegen eine Gedenktafel mitten in der Altstadt von Mönchengladbach, direkt neben dem Dicken Turm, einem Überbleibsel der alten Stadtmauer. Laut Inschrift steht sie genau da, wo einst das Geburtshaus des später berühmten Sohnes der Stadt stand. Stimmt aber leider nicht so ganz, erklärt Gerd Lamers.corona-isolation- so wird das wohnzimmer zum fitnessstudio

Eine Gedenktafel mit Schönheitsfehler

Laut Geburtsurkunde wurde Jospeh Pilatus in einem Haus an der Waldhausener Straße 20 geboren. Das Gebäude wurde später abgerissen – demnach wäre die Geburtsstätte nicht mehr da. Bloß: Bereits 1885 wurden die Gebäude an der Waldhausener Straße umnummeriert, so etwas passiert schon mal. Aus der Nummer 20 wurde die 24 – und dieses Haus wurde nicht platt gemacht. Demnach ist die Inschrift auf der privat finanzierten Gedenktafel falsch, weil die Geburtsstätte tatsächlich immer noch steht.

Tja, eventuell lässt sich dieser kleine Schönheitsfehler beheben, wenn hier eines Tages der Joseph-Pilates-Platz eingeweiht wird. Die Stadtverwaltung jedenfalls habe keine Bedenken gegen ein solches Vorhaben, heißt es.

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Zum Weiterlesen: die Biografie über Herrn Pilates

  • Buch: Die Historikerin Eva Rincke veröffentliche 2015 die Biografie „Joseph Pilates. Der Mann, dessen Name Programm wurde“, 304 Seiten, erschienen im Herder Verlag, Freiburg, 22 / 28 Euro. Mehr Infos zur Autorin und zum Buch gibt es im Internet: eva-rincke.com .
  • Gedenktafel: Im Mai 2011 wurde in der Altstadt von Mönchengladbach eine Gedenktafel für Joseph Hubertus Pilates aufgestellt, nahe seinem Geburtshaus, neben dem Dicken Turm an der Waldhausener Straße.