Am Niederrhein. Corona verdrängt viele Probleme. Zum Beispiel das unwürdige Leben von Menschen auf der Flucht. Die Aktion pro Humanität in Kevelaer klärt auf.
Natürlich haben wir gerade andere, ernsthafte Sorgen. Einen vermeintlichen Mangel an Klopapier, zum Beispiel.
Von einer solchen Not sind die Menschen im Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos weit entfernt. In dem Flüchtlingslager hausen mehrere Tausend Migranten aus vielen Ländern. Sie warten auf eine Asylentscheidung – unter unwürdigen Bedingungen.
Nahrung und Trinkwasser sind wirklich Mangelware, die wenigen Toiletten total verdreckt, Müll türmt sich, Gewalt gehört zum Alltag, Krankheiten grassieren; auch das Coronavirus wurde auf der Insel bereits identifiziert.
Schutz bietet wenig bis nichts, wer so etwas wie Glück in diesem Elend hat, kann wenigstens in einem Zelt schlafen.
Das Flüchtlingszelt in Kevelaer: auch ein Symbol der Hilfe
Ein typisches Flüchtlingszelt, das ist eine etwas mehr als zwei Meter hohe und vier mal vier Meter große Kunststoffhülle ohne Sichtfenster. Zum Vergleich: Kinderzimmer in Deutschland sind durchschnittlich rund 14 Quadratmeter groß.
Um sich besser vorstellen zu können, was es bedeutet, in einem solchen Flüchtlingszelt leben zu müssen, haben die ehrenamtlichen Mitglieder der Stiftung Aktion pro Humanität in Kevelaer ein solches aufgestellt. Es steht bis zum Palmsonntag im Brunnenhof der Basilika.
„Es soll ein Symbol für unser Mitfühlen, Mitleiden und auch für unsere konkrete Hilfe sein“, erklärt APH-Gründerin Dr. Elke Kleuren-Schryvers.
Ärgerlich: Die Lahmlegung des öffentlichen Lebens durch das Coronavirus. „Natürlich ist es schade, dass nun so gut wie niemand das Zelt sieht“, bedauert Bastian Rütten. Für den Referenten der Wallfahrt Kevelaer ist diese Geschichte aber noch nicht auserzählt. „Es wird eine Zeit nach Corona kommen, in der wir das Zelt wieder aufstellen werden.“ Nicht nur in Kevelaer, auch in Bedburg-Hau und Xanten, auf Anfrage anderswo
Überleben im Niger – dank einer Spende von 30 Euro im Monat
Kevelaer wurde bewusst als Auftaktort gewählt. Die Stadt am Niederrhein verbindet viel mit Niger in Afrika. Erzbischof Laurent Lompo ist hier häufig zu Gast und berichtet aus seiner Heimat, die zu den ärmsten Nationen der Erde gehört. 2019 wurde das Land in der Sahel-Zone im „Index der menschlichen Entwicklung“ von den Vereinten Nationen auf dem letzten Platz von 189 ausgewerteten Staaten geführt.
Durch die Republik, in der seit Jahren die islamistische Terrormiliz Boko Harum mordet, fließt seit Jahren ein Strom von Flüchtlingen aus vielen Staaten Afrikas, die nach Europa möchten.
Vor vier Jahren schloss die Europäische Union mit dem Niger eine Migrationspartnerschaft und zahlt Hunderte von Millionen Euro, damit die nigrische Regierung die unkontrollierte Einwanderung drosselt und ankommende Migranten in ihr Heimatland zurückschickt.
Große Politik ist das eine, konkrete Hilfe im Kleinen etwas anderes. Erzbischof Lompo hat nigrische Gastfamilien gefunden, die bereit sind, eine Flüchtlingsfamilie bei sich aufzunehmen. Die Paten-Familien bekommen für ihren Einsatz 30 Euro im Monat – mit dem Geld kann mit Holz und Wellblech die eigene Hütte erweitert werden, zudem kann zwei Mal am Tag eine einfache warme Mahlzeit, Mais- oder Hirsebrei, für die Flüchtlinge bereitgestellt werden.
Elend, das in einer Wohlstandsgesellschaft nur schwer vorzustellen ist
„Dies ist eine viel persönlicheres, menschlicheres Domizil als die Unterkunft in einem Flüchtlingslager“, findet Dr. Elke Kleuren-Schryvers. Die Medizinern hofft, am Niederrhein viele Menschen zu gewinnen, die diese 30 Euro im Monat spenden – „im Idealfall für ein Jahr.“
Bei der Suche nach Spendern soll das Flüchtlingszelt helfen. Wer dort hineingeht, muss sich kurz bücken – und wird im Inneren auf subtile Art mit einer Form von Leid konfrontiert, die sich hierzulande nur schwer vorzustellen ist.
Das Zelt ist leer, dennoch bedrückend. An den Wänden hängen Plakate mit Fotos von Menschen auf der Flucht sowie kurzen Texten zum Flüchtlingsalltag. „Es ist für vier bis acht Personen ausgelegt, oft sind aber mehr darin untergebracht“, erklärt Dr. Elke Kleuren-Schryvers.
Zu sehen ist auch ein Foto einer Zelt-Lagers im Niger, in dem nach Angaben der Caritas-Hilfsorganisation Cadev 42.000 Menschen untergebracht sind. Noch ein Vergleich: Das sind fast doppelt so viele Menschen, wie in Kevelaer wohnen.
INFO: Über die Aktion pro Humanität
Die Stiftung Aktion pro Humanität ist eine Nicht-Regierungs-Organisation mit Sitz in Kevelaer. Sie arbeitet in Benin sowie im Niger und engagiert sich im medizinischen-sozialen Bereich. APH arbeitet in Deutschland allein mit ehrenamtlichen Mitgliedern und wird einzig durch Spenden getragen. Initiatoren sind die Ärztin Dr. Elke Kleuren-Schryvers und ihr 2006 verstorbener Ehemann Herbert Schryvers. Von 1993 bis 1998 arbeiteten sie mit ihrem Team unter dem Dach vom „Komitee Cap Ananmur“. 1998 gründeten sie eine eigenständige, gemeinnützige Hilfsorganisation.
Wer die Patenaktion im Niger finanziell unterstützen möchte: Stichwort Patenfamilie Niger. Stiftung Aktion pro Humanität, Volksbank an der Niers, IBAN DE 39 3206 1384 4330 1300 11.