Am Niederrhein. Stefan Verhasselt ist nichts vorzuwerfen. Doch ihm wird am Sonntag in Wesel der Eselorden verliehen. Wir baten ihn um eine kleine Eselei.
Also nee. Stefan Verhasselt ist nichts vorzuwerfen. Er ist kein Comedian, der gnadenlos peinlich unter der Gürtellinie kalauert. Er versteht sich als Kabarettist der niederrheinischen Schule. In seinen Ein-Mann-Shows hangelte er sich durch wortwitzige Absurditäten des alltäglichen Wahnsinns. Ein großer Erzähler der Kleinkunst, stets mit einem Herz für die Schwächen der Menschen, insbesondere die der Niederrheiner.
Trotzdem: An diesem Sonntag soll ausgerechnet ihm der berühmteste Karnevalsorden der Region verliehen werden: der „Esel von Wesel“. Tätäääääääää und ein dreifaches Helau!
Eine Dummheit für den Eselorden
„Eine große Auszeichnung, über die ich mich sehr freue“, schwärmt Stefan Verhasselt. Durch einen Anruf bei seiner Managerin erfuhr er von der Absicht des Elferrates in Wesel, ihn mit dem Eselorden ehren zu wollen. Ein Vorschlag wider den tierischen Ernst.
Weil er, so Ulla Hornemann, Präsidentin des Närrischen Parlamentes, in seinen Programmen immer „dem schönen Niederrhein huldigt, dessen wichtigste Stadt schon seit Hansezeiten Wesel ist“.
Tja: Anno 2020 muss diese sympathische Begründung ausreichen – statt einer anständigen Eselei. Dabei ist es doch am schönsten, wenn sich ein auserkorener Eselordenträger irgendeiner Dummheit an Wesel schuldig gemacht hat. So viel Ehre darf es schon sein.
Harry Kurt Voigstberger, Michael Groschek und Ute Lubek
Im vergangenen Jahr zum Beispiel kletterte Ulrike Lubek in der Niederrheinhalle auf das Grautier, das in Wesel kunterbunt ist. Die Direktorin des Landschaftsverbandes Rheinland wurde für die sperrige Umbenennung des Preußenmuseums in „LVR-Niederrheinmuseum Wesel“ verantwortlich gemacht; zudem für das Versäumnis, die touristischen Hinweisschilder an der A3 entsprechend zu ändern.
Auffällig oft wurden in jüngerer Vergangenheit auch die NRW-Bauminister der SPD bedacht. 2012 musste Harry Kurt Voigtsberger antreten, weil in einer Umgehungsstraße stinkende Müllasche verbuddelt wurde. 2015 war es Michael Groschek, weil die Planung der Südumgehung sich hinzog wie ein Kaugummi. Nebenbei bemerkt: 2025 sollen die Bauarbeiten – planmäßig – endlich abgeschlossen sein.
Großes Theater im Städtischen Bühnenhaus
Nein, nein, nein. Stefan Verhasselt ist weder Politiker noch Verwaltungsbeamter. Ein gelernter Kaufmann ist er, wurde in Straelen geboren, wohnt längst in Kempen, und hat seine natürliche Begabung zu seinem Beruf gemacht: „Geschichten erzählen“.
Mit Wesel verbindet er bisher eine Radiosendung, die er hier „vor Jahren mal“ gemacht hat – und, natürlich, seine Auftritte im Städtischen Bühnenhaus. „Ein tolles Theater, und so riesig“, begeistert er sich. „Ich bin jedes Mal beeindruckt, wenn ich vor so einem großen Publikum spielen darf.“
So viel sei vorweg verraten: Im April des nächsten Jahres wird er wieder dort zu sehen und zu hören sein. Der Vertrag wurde vor wenigen Tagen perfekt gemacht.
Dieter Nuhr und sein „potthässliches“ Wesel
Und man darf davon ausgehen, dass er sich dann nicht zu einer verbalen Eselei hinreißen lassen wird, wie einst sein Kollege Dieter Nuhr. Bei einem Auftritt im Bürgerhaus in Rees hatte er über seinen „potthässlichen“ Geburtsort gelästert. Wesel sei die „einzige Stadt, die ihr Rathaus abgerissen hat um dort ein Kaufhaus zu bauen.“
Dafür gab es 2004 den Eselorden. Danach entspannte sich das Verhältnis auf eine wunderbare Art und weise: Der Kabarettist, der für sein Leben gern Fotos macht, beglückte die Stadt im Jubiläumsjahr 2016 mit einer sehenswerten Ausstellung. Zu sehen waren Bilder, die er bei einem Streifzug durch Wesel aufgenommen hatte.
Nun: Stefan Verhasselt. Ebenfalls ein Mann mit Humor. Die Niederrhein-Redaktion überredete den Künstler zu einer kleinen Eselei im Vorfeld der Verleihung.
Die Esel von Rita McBride in Mönchengladbach
Dazu trafen wir uns in Mönchengladbach. Dort, und nicht in Wesel (Skandal!), stehen die „Sieben Esel“ der US-Künstlerin Rita McBride. Nicht alle Einwohner mögen dieses „Eselei!“. Die bronzenen Tieren stehen nur scheinbar dumm in der Gegend herum. Sie verweisen auf die Zeit, als Stadtplanung noch keine geraden Straßen vorsah, sondern sich an Eselswegen orientierte.
Stefan Verhasselt findet das Kunstwerk „witzig und interessant“. Bloß eines möchte er nicht: sich fürs Foto auf einen Esel setzen. „Das habe ich noch nie gemacht. Und meine Premiere feiere ich am Sonntag in Wesel.“ Wohl wahr: ein würdiger Ordensträger.
INFO: Eselorden in Wesel, Eselkunsterk in Mönchengladbach
Eselorden: Die 44. Verleihung des berühmtesten Karnevalsorden vom Niederrhein, dem „Esel von Wesel“, soll an diesem Sonntag, 23. Februar, über die Bühne der Niederrheinhalle gehen. Beginn: 10.30 Uhr. Die Bürgermeisterin von Wesel, Ulrike Westkamp, wird den Orden an Stefan Verhasselt verleihen. Ein Tritt: frei.
Eselkunstwerk: Die „Sieben Esel“, „7 Donkeys“, von Rita McBride stehen auf dem Sonnenhausplatz in Mönchengladbach, gegenüber vom Einkaufszentrum Minto. Die bronzenen Tierskulpturen der US-Künstlerin stehen seit 2014 dort und sind frei zugänglich. Streicheln und auch Draufsetzen sind ausdrücklich erwünscht. Tipp: In der Dunkelheit leuchten die geschwungenen Linien der Eselswege im Boden.