Am Niederrhein. Straßen tragen Namen von Kolonialisten, Nationalisten und Rassisten, auch am Niederrhein. Wissenschaftler aus Düsseldorf empfehlen Umbenennung.

Er wurde „Hänge-Peters“ genannt. Weil er „in Ermangelung von Juden drüben in Afrika Neger totschießt wie Spatzen und Negermädchen zum Vergnügen aufhängt“, empörte sich der sozialdemokratische Politiker August Bebel einst über ihn.

Die Rede ist von Carl Peters (1856-1918), der als Begründer der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika gilt, im Dritten Reich als „geistiger Vater des Nationalsozialismus“ gefeiert wurde, damals auf einer Briefmarke der Reichspost verewigt und in einem NS-Propagandafilm von Hans Albers verkörpert wurde – und nach dem in der Bundesrepublik Deutschland Straßen benannt sind; zum Beispiel in Düsseldorf.

Drei Kategorien: von „nicht haltbar“ bis „unbelastet“

Letzteres soll sich ändern. Diese Empfehlung gab ein wissenschaftlicher Beirat aus Mitarbeitern der Mahn- und Gedenkstätte und des Stadtarchivs in der Landeshauptstadt. Zwei Jahre wurde im Auftrag des städtischen Kulturausschusses zu all jenen Straßen in Düsseldorf geforscht, deren Namensgeber in den Bereichen Antisemitismus, Kolonialismus, Militarismus und Nationalsozialismus als belastet galten.

Zu 79 Namen wurden schließlich Gutachten erstellt und die Personen in drei Kategorien unterteilt: „A: schwer belastet/nicht haltbar“, „B: teilweise belastet/diskussionswürdig“ und „C: unbelastet“.

Carl Peters gehört in die Kategorie A, genau wie elf weitere Männer. Nebenbei bemerkt: Unter den zu überprüfenden Personen war keine einzige Frau.

Carl Peters, berüchtigt als „Hänge-Peters“.
Carl Peters, berüchtigt als „Hänge-Peters“. © Bundesarchiv

Straßennamen: Haben wir nicht andere Probleme?

Ob der Name Carl Peters von den Straßenschildern im Stadtteil Urdenbach verschwinden wird, kann letztlich nur der Stadtrat entscheiden. Mindestens eine Anwohnerin der Petersstraße hat sich bereits in einer Lokalzeitung gegen die Umbenennung ausgesprochen. Ihre Begründung: Man solle die Vergangenheit ruhen lassen, es gebe heute in Deutschland genug Probleme, wie Armut oder Flüchtlinge.

Das Thema an sich ist nicht neu. Bundesweit gibt es immer wieder Diskussionen über die politisch korrekte Benennung von Straßen. Mit der Expertise aus Düsseldorf rücken die dort genannten Straßennamen wieder in den Blickpunkt.

Beispiel Duisburg: Pfitznerstraße, Lüderitzallee

Beispiel Duisburg: Auch hier gibt es jeweils eine Straße, die nach dem Komponisten Hans Erich Pfitzner (1869-1949) und dem Kaufmann Franz Adolf Eduard von Lüderitz (1834-1886) benannt sind. Es sind die Hans-Pfitznerstraße in Neudorf, seit 1957, vom Stadtrat beschlossen, und die Lüderitzallee in Huckingen, seit 1936, verfügt durch den Polizeipräsidenten.

Pfitzner, dem die Deutsche Post im Jahr 1994 eine Sondermarke widmete, wird „aggressiver Antisemitismus“ und eine „herausragende Stellung im Dritten Reich“ vorgeworfen. Im Juni 1945, also einen Monat nach Ende der Nazi-Diktatur, schrieb er: „Das Weltjudentum ist ein Problem und zwar ein Rassenproblem.“

Lüderitz gilt laut der Wikipedia als „erster deutscher Landbesitzer im heutigen Namibia“. Im Beiratsbericht wird ihm „aggressiver Kolonialismus“ attestiert.

Auch Richard Wagner pflegte einen „ausgeprägten Antisemitismus“

In Düsseldorf wird empfohlen, die Lüderitz- und die Pfitznerstraße, beide im „Kolonialviertel“ in Urdenbach, umzubenennen. In Duisburg, teilt die Stadt gestern auf Anfrage dieser Redaktion mit, werde der Abschlussbericht aus der Nachbarstadt noch ausgewertet. Daher seien „aktuell noch keine konkreten Konsequenzen für die Stadt Duisburg“ zu benennen.

Auch teilte die Stadt auf Anfrage mit: „Weitere Namensgebungen kommen auf den Prüfstand.“ Damit können Straßen gemeint sein, die in die Kategorie B, sprich „teilweise belastet/diskussionswürdig“ fallen. Etwa die Moltkestraße in Duissern, die Wagnerstraße in Rumeln oder die Sedanstraße in Friemersheim.

Und in Goch im Kreis Kleve gibt es die Lüderitzstraße

Apropos: Eine Wagnerstraße gibt es auch in Rheinberg. Der „ausgeprägte Antisemitismus“ des weltberühmten Komponisten ist bereits oft thematisiert worden. Und eine Sedanstraße, benannt nach der „Schlacht von Sedan als Gründungsmoment des Deutschen Reiches“, gibt es auch in Moers.

Hans Pfitzner, Komponist und Antisemit.
Hans Pfitzner, Komponist und Antisemit. © wanda von Debschitz-Kunowski

In Goch im Kreis Kleve gibt es eine Lüderitzstraße. Was Adolf Lüderitz, der in Bremen geboren wurde und in Afrika starb, mit der Kleinstadt am Niederrhein zu tun hat, ist offen. Ob es „direkte Berührungspunkte“ gegeben habe, konnte die Stadt auf Redaktionsanfrage nicht beantworten.

Der Abschlussbericht aus Düsseldorf war hier „bislang nicht bekannt.“ Die Stadt werde diesen aber, „ihn insbesondere in Bezug auf die Angaben zu Lüderitz prüfen“, teilte sie mit, „und dann sehen, ob sich daraus ein Handlungsbedarf ableitet“.

Übrigens: Die Petersstraße in Duisburg „hat keinen Bezug zu Carl Peters“, so die Stadt. Ihr Name geht „höchstwahrscheinlich“ auf die Familie Peters zurück, die auf dem Görtzhof gesessen hatte, der zuletzt Petershof genannt wurde. Der 1864 geborene Gerhard Peters war der letzte Gemeindevorsteher von Wanheim-Angerhausen vor der Wiedervereinigung mit der Stadt Duisburg.

Der Abschlussbericht zum Nachlesen

Der 316-seitige Abschlussbericht des wissenschaftlichen Beirates aus Düsseldorf, unter Führung von Benedikt Mauer, Leiter des Stadtarchivs, ist im Internet abzurufen. Neben den Ergebnissen werden auch Anlass und Vorgehen erläutert. Die Adresse lautet: https://www.duesseldorf.de/aktuelles/news/detailansicht/newsdetail/pruefung-duesseldorfer-strassennamen.html.

HINWEIS in eigener Sache: In einer ersten Version dieses Artikels war von einer Lüderitzallee in Goch zu lesen. Dieser Fehler wurde nach einem Leserhinweis korrigiert. Richtig muss es heißen: Lüderitzstraße in Goch. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.