Am Niederrhein. Kristina wurde zu Malon. Warum und wie, erzählen er und seine Mutter. Die Geschichte einer Geschlechtsumwandlung, die noch nicht zu Ende ist.

Transgender – fast schon ein Modewort. Mit dem Begriff, abgeleitet aus dem Lateinischen, werden Personen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität nicht oder nicht vollständig mit dem nach der Geburt anhand der äußeren Merkmale eingetragenen Geschlecht übereinstimmen oder die eine eindeutige Zuordnung ablehnen. Die Definition klingt abstrakt, konkret wird das Problem im Leben von Malon Stalinski, der als Kristina Stalinski geboren wurde. Seine Geschichte der Geschlechtsumwandlung ist noch nicht zu Ende. Was bisher geschah, erzählt er und auch seine Mutter. Ein Protokoll in zwei Teilen:

Malon Stalinski: „Ich wurde 1994 in Geldern geboren. Meine Eltern gaben mir den Vornamen Kristina. Spitzname Tina. Sehr früh wurde mir klar: Etwas ist anders mit mir. Irgendwie fühlte ich mich als Junge, nicht als Mädchen.

Wenn ich zum Beispiel meinen Papa mal nackt sah, fragte ich mich: Komisch. Warum sehe ich nicht so aus wie er? Mir fehlt da was, dachte ich. Meine Gedanken behielt ich damals aber für mich.

Als Mädchen wollte ich nie mit Puppen spielen, lieber Fußball mit Jungs. Kleider oder Röcke mochte ich nicht anziehen, immer nur Hosen. Meine Haare sollten kurz und nicht lang sein.

Zur Kommunion im weißen Anzug – als Mädchen

Meine Eltern kauften mir die Klamotten, die ich haben wollte. Zur Kommunion bin ich im Anzug gegangen. Der war zwar weiß, aber wenigstens kein Kleid. Der Pfarrer hatte nichts dagegen. Er sagte: Ich soll das anziehen, was mir gefällt.

Die Pubertät empfand ich als ganz schlimm. Als ich zwölf oder dreizehn Jahre alt war und meine Brüste anfingen zu wachsen, redete ich mit meiner Mutter und sagte ihr, dass ich die doch gar nicht haben möchte. Am liebsten hätte ich sie sofort wieder wegmachen lassen. Der Beginn der Periode war der Horror für mich. Die monatlichen Blutungen passten überhaupt nicht zu mir.

Aus Kristina, Spitzname Tina, wurde Malon.
Aus Kristina, Spitzname Tina, wurde Malon. © Funke Foto Services | kai Kitschenberg

Damals fing ich an, meinen Körper zu hassen. In den Spiegel zu gucken, ging für mich gar nicht. Duschen war die Hölle. Ich wollte mich nicht an Körperstellen anfassen, die mir fremd waren.

„Ich kann als Frau nicht glücklich werden“

Ich begann, mich zurückzuziehen. Abends ausgegangen bin ich nur selten. Ich mied Orte, an denen viele Menschen waren. Ich kapselte mich ab, verkroch mich in meinem Zimmer. Wenn ich mal Freunde traf, dann dort oder bei mir zuhause.

Damals habe ich viel geweint, wusste aber nicht genau, was mit mir los war. Ich fühlte nur immer stärker, dass ich als Frau nicht glücklich werden kann.

Irgendwann litt ich unter Depressionen. Ich hatte Angst, alleine zu sein. Selbstmordgedanken hatte ich aber nie. Mich selbst umzubringen, hätte ich niemals geschafft.

Mit 18 begann ich eine Verhaltenstherapie. Ich musste herausfinden, was mit mir los war. Dann sah ich zufällig im Fernsehen einen Bericht zum Thema Transgender. Sofort wurden mir alle meine Probleme klar. Endlich.

Mein Outing: „Meine Mutter reagierte super“

Zuerst sprach ich mit meiner Mutter darüber. Sie reagierte super. Ich fühlte mich direkt von ihr verstanden. Dann sprach ich mit meinem Vater. Anfangs fiel es ihm schwer, meine Gefühle zu verstehen. Aber er sagte mir auch: Egal was passiert, ich bleibe sein Kind!

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Ich ging zu meiner Hausärztin. Sie kannte mich von klein auf. Ich wollte Rat und Hilfe von ihr. Doch sie hatte bisher keine Erfahrung mit diesem Thema. Also suchte ich mir selbst einen Arzt, um mit einer Hormontherapie beginnen zu können. Und ich suchte nach Operationsmöglichkeiten, um endlich in einem Körper zu leben, in dem ich mich wohl fühle. Drei Eingriffe habe ich schon hinter mir, die vierte OP steht jetzt an – danach noch eine.

Um meinen Vornamen zu ändern, stellte ich beim Amtsgericht in Düsseldorf einen Antrag auf Änderung. Zwei Gutachter befragten mich, im Mai 2016 hielt ich dann den Beschluss in Händen: Seitdem gelte ich amtlich als Mann und heiße: Malon.

Ich mochte den Namen schon immer. Warum, kann ich nicht sagen, doch ich finde: Malon passt zu mir.“

Teil 2: Was denkt die Mutter?

Das Gespräch mit Malon Stalinski führte der Autor mit ihm allein. Danach kam die Idee auf, auch mit seinen Eltern zu reden. Malons Mutter war sofort einverstanden.

Karola Stalinksi: „Bis zur Geburt wusste ich nicht, ob ich einen Jungen oder ein Mädchen bekommen werde. Wir wollten uns überraschen lassen, rechneten aber wieder mit einem Mädchen. Zwei hatten wir ja schon: Daniela und Maike. Dann war unser drittes Kind da und wir nannten sie: Kristina.endlich ein mann! und nur noch Ärger. betroffener erzählt

Ein schöner Name, fand ich, am Anfang mit K geschrieben, so wie mein Name auch: Karola.

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Die ersten Jahre waren voller Sorgen, weil Kristina stark an Neurodermitis litt. Als Säugling konnte ich sie kaum ablegen, sofort begannen bei ihr die Schmerzen. Sie lag oft nachts wach, kratzte sich blutig. Wir sind von Hautarzt zu Hautarzt gegangen, sind zur Kur gefahren, haben sie in Meersalz gebadet…

Für mich war es eine anstrengende Zeit, für mein Kind muss es schrecklich gewesen sein. Irgendwann wurde es dann besser, zum Glück. Ich denke, durch die Krankheit haben wir eine noch engere Bindung zueinander gefunden.

Sie könnte auch ein Junge sein – sagen die Nachbarn

Malon, also Kristina, war eher ein stilles Kind. Ein bisschen so wie unsere Große: Daniela, und ganz anders als unsere Mittlere: Maike, sie ist ein richtiger Feger.

Wenn ich zurückdenke, wird mir vieles klar, damals habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht. Kristina wollte nicht mit Puppen spielen, lieber spielte sie mit Autos oder kletterte auf Bäume. Röcke tragen mochte sie auch nicht. Zur Einschulung trug sie ein Kleid, es war, glaube ich, das letzte Mal. Und ihre Haare trug sie immer kurz. Nachbarn sagten schon mal: Guck mal, das könnte auch ein Jüngsken sein.

Ich habe das alles so hingenommen, warum auch nicht? Meine Eltern haben mich zur Toleranz erzogen. Jeder soll auf seine Art glücklich werden.

„Oh Gott! Was sollen die Leute denken?“

Als Malon mir eines Tages sagte, was mit ihm los ist, dachte ich im ersten Moment: Oh Gott! Was sollen die Leute denken? Ich brauchte ein paar Wochen, dachte viel darüber nach – dann sagte ich mir: Gut, wir haben zwei Lesben und einen Schwulen in der Verwandtschaft, so schlimm kann das auch nicht sein.

Beim nächsten Nachbarschaftstreffen habe ich die Neuigkeit dann rausgehauen. Und alle haben gesagt: Ja klar, das hat man doch schon lange gesehen! Ich war erleichtert, dass alle so entspannt reagiert haben. Bis heute habe ich noch niemanden gehört, der schlecht über Malon geredet hat. Und wenn doch, dann wird es hinter meinem Rücken gemacht.

Tolerante Mutter: Karola Stalinski.
Tolerante Mutter: Karola Stalinski. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Nach seinem Outing ist Malon ein ganz anderer Mensch geworden: offener und lebenslustiger. Ich bin stolz auf mein Kind, weil es seinen Weg so geht, wie es ihn gehen möchte. Malon hat praktisch alles alleine gemacht. Den Arzt und Therapeuten hat er sich selbst gesucht.

„Mein Kind soll endlich glücklich werden“

Natürlich unterstützen wir ihn, wo und wie wir nur können. Obwohl ich ehrlich zugeben muss: Vor dem ersten Gespräch mit der Hausärztin hatte ich mich gedrückt, das konnte ich damals einfach noch nicht. Ihre Schwestern sind dann mitgegangen, das fand ich toll von ihnen.

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Auch um die Änderung des Vornamens kümmerte sich Malon selbst. In den Wochen danach fiel es mir schwer, nicht mehr Kristina zu sagen. Jetzt ist das kein Problem mehr. Bloß ihre Oma und ihr Opa vertun sich manchmal noch.

Bei der nächsten Operation in München bin ich mit dabei. Ich hoffe sehr, dass alles klappt. Damit mein Kind endlich richtig glücklich werden kann.“

Hintergrundinfo: Stichwort Geschlechtsumwandlung

  • Eine Anpassung des körperlichen an das gefühlte Geschlecht erfolgt meistens in drei Schritten: Psychotherapie, Hormonbehandlung, Operationen.
  • Malon Stalinski machte mit 22 Jahren eine Therapie (1,5 Jahre). Es folgte eine Hormonbehandlung (mindestens sechs Monate). Dann begannen die Operation (bisher drei): Die Brust wurde entfernt, die Gebärmutter und Eierstöcke entnommen, die Scheide geschlossen, die Harnröhre verlegt.
  • In diesen Tagen steht eine vierte OP in München an. Im Sommer 2020 soll der letzte Eingriff erfolgen – damit wäre die körperliche Geschlechtsumwandlung abgeschlossen.