Am Niederrhein. Erwin Kohl ist ein Wiederholungstäter. Zwölf Mal beging er Wort und Totschlag. Nun gibt es einen neuen Regio-Krimi. Seine Tat? Ein Verhör.
Der Mann ist ein Wiederholungstäter. Wort und Totschlag werden ihm vorgeworfen. Zwölf Mal schon, mindestens. Vorsicht, bitte. Er ist bewaffnet, immer. Seine Tatwerkzeug trägt er stets bei sich: seinen Kopf, mit grauem Haar drauf und einer Brille dran. Darin denkt er sich er kapitale Verbrechen aus. Zum Beispiel: „Dumm gelaufen, Martha“. Ein neuer Niederrhein-Krimi. Jaja, klingt harmlos – aber schlussendlich kommt es zu einem finalen Rettungsschuss hinter einer blutroten Haustür in Geldern-Veert.
Deshalb: ein kleines Verhör wegen dringenden Schreibverdachtes.
Name?
Kohl, Erwin. Kein Zweit-, Dritt- oder Viertvorname. Noch nicht einmal ein Spitz- oder Kosename.
Als Helmut noch lebte, unter Kohl gelitten?
Oh ja, immer mal wieder. Ich war froh, als er nicht mehr Kanzler war. (lacht)
Alter?
Achtundfünfzig.
Angst vor der 60?
Nö.
Wohnort?
Alpen. Ist auch mein Geburtsort.
Demnach ist die Spur falsch, die Sie auf Ihrer Internetseite legen: „Ginderich“.
Oh! Erwischt. Muss ich ändern. (überlegt kurz) Na ja, meine Frau Bettina und ich haben dort 20 Jahre gelebt. Wir wohnen erst seit kurzem in Alpen.
Stimmt es, dass Sie den Niederrhein, „diese herrliche Tiefebene“, nie wirklich verlassen haben?
Stimmt. Weil die Gegend einfach geil ist. Der Niederrhein ist die Intimzone Gottes. Landschaft und Menschen passen hier einfach zusammen. Und ich mag die Menschen sehr gerne. Sie sind offen, tragen ihr Herz auf der Zunge. Toll.
Beruf?
Journalist und Autor.
Nanana, Herr Kohl! Haben Sie nicht etwas vergessen?
Ich bin auch pensionierter Postbeamter. Zwei Wochen bevor die D-Mark abgeschafft wurde, war auch für mich Schluss. Ich habe noch einen Euro-Taschenrechner bekommen, aber nie benutzt.
Spontan eine Bildungsfrage, bitte spontan antworten: Wie heißt der berühmteste Briefträger-Literat?
Walter Spahrbier? (überlegt) Der Schweizer Emil?
Charles Bukowski. Der Mann mit der Ledertasche. Übrigens in Andernach am Rhein geboren.
Ach ja, genau. Er war ein wenig vom Whisky beseelt. (schmunzelt) In meiner Jugend habe ich seine Bücher geliebt, ich habe so ziemlich alles von ihm gelesen.
Vorstrafen?
Eine ganze Reihe: zwölf Kriminalromane, ein Haufen Kurzgeschichten und weitere Kleinigkeiten.
Nichts als die Wahrheit, bitte: Punkte in Flensburg? Knöllchen in Rheinberg?
Na ja, es gab mal eine Zeit, da war ich in Flensburg kurz vor einem Freispiel. Aber das ist lange her und vorbei. Heute fahre ich lieber mit dem Fahrrad oder laufe mit dem Hund.
Und was kann man Ihnen sonst noch so alles vorwerfen?
(überlegt) Mir fällt guten Gewissens nichts ein. Krampfhaft könnte ich jetzt vielleicht behaupten, es hat zwei Jahre bis zu meinem 13. Buch gedauert.
„Dumm gelaufen, Martha“ heißt Ihre neueste Tat. Auf dem Buchtitel ist eine Kuh zu sehen, die auf einer überschwemmten Weide steht. Welch eine bildhübsche Irreführung des Lesers!
Tja, ich habe das Problem kommen sehen. Letztlich hat der Verlag so entschieden. Aber ich bin für meine Lesungen gewappnet. Um es vorweg zu nehmen: Martha ist eine liebenswerte ältere Person in dem Roman. Sie ist mir während des Schreibens richtig ans Herz gewachsen.
Allgemein gefragt: Was sagen Sie zum Tathergang, ohne jetzt zu viel zu verraten?
Den Leser erwartet eine Geschichte, in der nichts so ist, wie es scheint. Es gibt einen vermeintlichen Mörder, der eigentlich gar kein Mörder sein kann. Er ist von Beruf Mordermittler, und Mordermittler töten eigentlich nie.
Der Geschichte ist eine Zitat von Hanns Dieter Hüsch vorangestellt: „Wenn wir schon nicht die Wahrheit herausbringen, dann wenigstens die Wirklichkeit.“
Ich finde den Spruch sehr passend, weil ja alle meine Romane in einer realen Region spielen: am Niederrhein, und im Kern auf einer wahren Begebenheit beruhen.
Vorbild für „Dumm gelaufen, Martha“ war also...
… der Vortrag eines eines Oberstaatsanwaltes aus Frankfurt bei einer Fortbildung für Krimiautoren in der Eifel; so etwas gibt es wirklich! Der Mann erzählte von einem unglaublichen Mordfall, bei dem der vermeintliche Täter, gegen den alle Indizien sprachen, vor Gericht freigesprochen wurde.
Klingt verstörend.
In Deutschland gilt der Rechtsgrundsatz: „Ne bis in idem.“ „Nicht zweimal in derselben Sache.“ Damit ist das Verbot einer Doppelbestrafung gemeint. Wenn ein mutmaßlicher Täter wegen eines Verfahrensfehlers oder unzulässigen Beweismittels freigesprochen wird, kann er für diese Tat nicht wieder vor Gericht angeklagt werden.
Ein Gesetzesproblem?
Jein. Ohne dieses Prinzip könnte es passieren, dass Unschuldige immer wieder vor Gericht gestellt werden und man ihr Leben dadurch ruiniert. Andererseits: Experten schätzen, dass hierzulande 200 bis 300 Tötungsdelikte aus eben diesem Grund straffrei bleiben. Ich vermag über diese Thematik nicht abschließend zu urteilen.
Ein Urteil hätte ich aber dennoch von Ihnen, Herr Kohl. Worauf plädieren Sie: schreibfähig oder nicht schreibfähig?
(lacht) Ich sage mal: knapp schreibfähig.
>> INFO: Über das Buch und die Lesungen
Buch: Erwin Kohl: Dumm gelaufen, Martha, 240 Seiten, Emons Verlag, Köln, 10,90 Euro, erhältlich im örtlichen Handel oder: www.emons-verlag.de. Es ist der 13. Niederrhein-Krimis des Autors aus Alpen sowie der dritte Fall des Privatdetektives Lukas Born, der sich bereits in „Verdammt lang tot“ und „Hopsgegangen“ durch die Region schnüffelte.
Lesungen: Premiere am Freitag, 18. Oktober um 20 Uhr im Kastell Sonsbeck mit der Gruppe Glam Bam. Karte, 12,50 Euro, in der Linden-Buchhandlung in Alpen: 02802/70 41 06. Weitere Termine: 24.10. Stadtbücherei, Kleve, 30.10. Stadtbücherei, Rees, 6.11. Buchhandlung Librarium, Xanten, 18.11. Scala Kulturspielhaus, Wesel, 15.01. 2020 Buchhandlung Bücherkoffer, Geldern.