Duisburg. Im Bauhaus-Jubiläumsjahr spielt die Blockflötistin Elisabeth Champollion ein Stück über die Architekturschule. Klingt nach einem Experiment.
Die Blockflötistin Elisabeth Champollion (35) wird am kommenden Donnerstagabend im Lehmbruck Museum im Kant-Park auftreten. Mit ihrem Ensemble Volcania und der Solistin Julia Sophie Wagner will sie im Rahmen von 100 Jahre Bauhaus den Bogen schlagen zwischen Musik und Architektur.
Die mit diversen Musikpreisen ausgezeichnete Musikerin hat zwar einen Lehrauftrag an der Hochschule der Künste in Bremen, doch sie ist auch viel unterwegs, als Solistin und als Kammermusikerin – zum Beispiel im Concertgebouw Amsterdam, beim Boston Early Music Festival oder Premiere Performance Festival in Hongkong.
Was hat Johann Sebastian Bach mit Bauhaus zu tun, Frau Champollion?
Mich fasziniert am Bauhaus die totale Freiheit, mit Form und Material umzugehen – da steckt so eine Freude am Experimentieren drin. Alles ist erlaubt. Trotzdem muss die Funktionalität immer gewahrt bleiben. Kopf und Herz arbeiten miteinander, nicht gegeneinander. Bachs Musik ist so vielschichtig, wir können sie unmittelbar mit der Seele begreifen, sie ist aber nicht „nur schön“ – sie ist auch unglaublich intelligent konstruiert. Das hat sie mit dem Bauhaus gemein.
Sie spielen aus Anlass von 100 Jahren Bauhaus – was verbinden Sie selbst mit dem Bauhaus?
Ich habe mich viel mit Briefen, Tagebucheinträgen und Berichten von Bauhausmitgliedern beschäftigt. Darin geht es natürlich um Gestaltung, Materialien…, aber auch sehr viel um das Leben am Bauhaus: Die Menschen, die dieses Experiment 1919 gestartet haben, ahnten schon insgeheim, dass da was Großes entsteht, obwohl sie absolut bei Null angefangen haben. Dieses tolle Gefühl des Aufbruchs, etwas Neues zu wagen, ohne Garantie auf Erfolg, das finde ich unglaublich spannend.
Musik und Architektur/Design werden in der Konzertankündigung als „verwandte Kunstwelten“ bezeichnet. Das erschließt sich nicht jedem sofort...
Es gab keine Musikabteilung am Bauhaus, das war ja eine Kunstschule. Aber mit Musik hatten die Bauhäusler natürlich viel zu tun, es wurde ja viel gefeiert, oft zu Jazz. Die Bauhaus-Meister Johannes Itten und Lyonel Feiniger bewunderten Johann Sebastian Bach, Feiniger komponierte sogar selbst Fugen und Orgelwerke. Für mich besteht die Verbindung von Musik und Architektur in der Frage, wie „bewohnbar“ Musik werden kann: wie sehr ist sie für den Menschen da, statt für die Selbstverwirklichung des Komponisten oder der Musiker.
Sie spielen eine eigens für das Konzert in Duisburg geschriebene Komposition. Was ist das für ein Stück und von wem stammt es?
Das Stück „Architekten einer neuen Welt“ stammt aus der Feder des Berliner Komponisten Mark Scheibe, den ich für seine zugleich kluge und zugängliche Art des Komponierens sehr bewundere. Er schreibt viel fürs Theater, hochverdichtete Instrumentalkompositionen ebenso wie eingängige Songs, und ist selbst als Sänger romantischer Jazz-Chansons unterwegs. Für unser Programm hat er uns ein Stück auf dem Leib geschneidert, das die Vielfalt des Bauhauses widerspiegelt: gute Gespräche, hitzige Debatten, menschliches Miteinander und viel Party!
Normalerweise kennt man Sie für alte Musik. Mark Scheibe ist ein junger Komponist. Wie geht das zusammen?
Ich liebe die Musik von heute genauso wie Renaissance- und Barockmusik. Mit lebendigen Komponisten zusammenzuarbeiten macht sehr viel Spaß, vor allem wenn die Musik für mich entsteht. Früher war es ja genauso: Ein barocker Fürst brauchte für einen bestimmten Anlass ein Musikstück und beauftragte damit einen Komponisten, der dann genau wissen musste: für welchen Anlass, welches Publikum, welches Ensemble schreibe ich? Wenn man das als Komponist genau weiß, wird das Stück auch fantastisch.
Sie spielen auch mit anderen Ensembles. Was zeichnet Volcania aus?
Volcania brennt. Von Anfang an habe ich ein Lodern in den Augen meiner sieben Mitmusiker/innen gesehen, und zwar nicht nur in den Konzerten, sondern schon in den Proben. Das ist wirklich etwas ganz besonderes, das man nicht in falsch verstandener Professionalität zunächst nur technisch probt und erst im Konzert die Expressivität hinzunimmt, sondern gleich in der Probenphase mit Leidenschaft und Hingabe arbeitet. Außerdem haben wir einfach unglaublich viel Spaß miteinander.
Sie kommen aus Bremen und spielen nun in Duisburg. Haben Sie selbst eine Verbindung zum Niederrhein oder zum Ruhrgebiet?
Ich komme aus Siegen, und von da aus ist die Nähe zum Ruhrgebiet ja viel größer als von Bremen, ich fühle mich in NRW immer noch sehr zuhause. Ich hatte eine wichtige Verbindung nach Bochum, weil meine Flötenbauerin bis vor kurzem dort gewohnt hat – mit ihr verbringe ich sehr viel Zeit, z.B. um Instrumente auszuprobieren.
Gibt es etwas, worauf Sie sich in Duisburg besonders freuen?
Ich freue mich sehr auf das Lehmbruck-Museum, das ich noch nie besucht habe. Und natürlich aufs Duisburger Publikum, das ich einladen will auf ein musikalisches Fest mit Barockmusik, Zwanziger-Jahre-Flair und leidenschaftlichen Musikern.
>> INFO: Das Konzert in Duisburg
Elisabeth Champollion studierte an der Hochschule für Künste Bremen Blockflöte bei Dörte Nienstedt und Han Tol. Nach ihrem Diplom absolvierte sie in Lyon (F) am Conservatoire National Supérieur in der Klasse von Pierre Hamon ein Masterstudium Alte Musik. Als Solistin gastiert sie mit früh- und hochbarockem Repertoire – und reist für Konzerte rund um den Globus. Nun kommt sie nach Duisburg.
Ihr Konzert zum 100. Geburtstag des Bauhauses mit Kompositionen von Johann Sebastian Bach und Mark Scheibe am 26. September im Lehmbruck Museum beginnt um 20 Uhr. Die Künstler sind Julia Sophie Wagner (Sopran) und das Ensemble Volcania unter Leitung von Elisabeth Champollion. Karten, 17 Euro, gibt es ausschließlich an der Theaterkasse am Opernplatz, 0203/283 621 00.