Am Niederrhein. . Die Blumenversteigerung in Straelen ist bundesweit einmalig und knallhart kalkulierte Marktwirtschaft. Wer hier mitbietet, braucht starke Nerven.

Das große Geschäft beginnt – im Dunkeln. Es ist kurz vor halb sechs am Morgen. Die ersten Blumenhändler sitzen bereits in der Versteigerungshalle von Veiling Rhein-Maas in Herongen. Mit einer Tasse Kaffee und ein, zwei Brötchen vor sich. Ein riesiger Raum mit 608 Sitzen, aufgereiht wie im Kino. Jeder Platz hat einen kleinen Pult mit Bildschirm, Schaltanlage und einem Kopfhörer mit Mikro.

Vorne auf der Bühne – noch gähnende Leere. Versteigerungsbeginn ist um Punkt sechs, im April und Mai bereits um 5.30 Uhr. Fünfmal in der Woche, auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel: Karfreitag etwa wird verkauft, Ostermontag dagegen nicht.

Hinter der Bühnenkulisse wird auch schon lange vor sechs Uhr gearbeitet.
Hinter der Bühnenkulisse wird auch schon lange vor sechs Uhr gearbeitet. © Marc Albers

„Die Nachfrage regelt das Angebot“, sagt Franz-Willi Honnen. Er ist einer von zwei Geschäftsführern von Veiling Rhein-Maas, einem Zusammenschluss der beiden Unternehmen Landgard und Royal Flora Holland.

Es begann mit Obst und Gemüse

Veiling Rhein-Maas am Niederrhein ist der einzige Marktplatz in Deutschland, an dem Blumen und Pflanzen versteigert werden. Der Standort an der grünen Grenze, direkt an der A40 gelegen, wurde 2010 eröffnet.

Die Geschichte der Versteigerung hier ist allerdings schon sehr viel älter. Sie begann in einem Schuppen der hiesigen Kleinbahn. Der grüne Pionier Hans Tenhaeff war es, der dort am 4. Juni 1914 erstmals Eier, Obst und Gemüse anbot.

Punkt sechs Uhr in der Versteigerungshalle. Ein Gong ertönt. Auf den digitalen Anzeigetafeln blinken Namen und Nummern auf, auf den großen Bildschirmen sind Bilder von Blumen und Pflanzen zu sehen. Hinter der Bühne setzen sich die Kettenbahnen in Bewegung. Daran hängt eine schier endlose Reihe von Containern und Stapelwagen, auf denen die Produkte stehen. Mit sieben Metern pro Minute werden Narzissen, Tulpen und Rosen aus den Kühllagern in den Verkaufsraum gezogen.

Die Logistik von Veiling Rhein-Maas ist beeindruckend. 190.000 Quadratmeter Fläche werden bespielt.
Die Logistik von Veiling Rhein-Maas ist beeindruckend. 190.000 Quadratmeter Fläche werden bespielt. © Marc Albers

Das Geschäft beginnt. Heute Morgen sitzen rund 180 Männer und, wie üblich, nur ganz wenige Frauen in den Reihen. Die umsatzstärksten Einkäufer haben Stammplätze, die alle paar Jahre neu vergeben werden. Wer ganz oben hockt, nimmt das Fernglas in die Hand.

Es sind Händler aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden, auch aus Dänemark oder Italien. Sie erstehen hier Schnittblumen und Topfpflanzen aus aller Welt, um diese dann sofort weiter zu verkaufen. Ihre Kunden wiederum sind die Floristen der Blumenläden und Gartencenter.

Einkaufen per Knopfdruck

Der Niederrhein ist also auch: ein unvorstellbar großer Zwischenhandelsplatz. 2.400 Gärtner rund um den Globus bringen ihre Produkte hierher. 1.600 Wiederverkäufer steigern mit, bis zu einem Drittel von ihnen via Internet.

Etwa fünf Millionen Transaktionen gehen jährlich über die Bühne. Jahresumsatz 2018: 348,3 Millionen Euro. 1,1 Prozent mehr als im Vorjahr, trotz der ungewöhnlich langen Hitzeperiode.

Cees Hoekstra, der andere Geschäftsführer von Veiling Rhein-Maas, ist mit dem Ergebnis zufrieden: „Es war der bisher höchste Produktumsatz seit Gründung unseres Unternehmens.“

Deutsch-niederländische Doppelspitze: Franz-Willi Honnen ist einer der beiden Geschäftsführer...
Deutsch-niederländische Doppelspitze: Franz-Willi Honnen ist einer der beiden Geschäftsführer... © Marc Albers

Die Versteigerung läuft über acht Uhren: vier für Schnittblumen, vier für Pflanzen. Die Entwicklung eines Preises ist mit einer roten LED-Anzeige nachzuvollziehen, die rückwärts läuft. Los geht es auf „12 Uhr“, gegen den Uhrzeigersinn geht es rund. Im Verlauf wird die Ware immer weniger und, je nach aktueller Marktlage im Saal, günstiger oder teurer.

Die Händler drücken zum Kauf auf einen Knopf, geben über ihr Mikrofon an einen der acht Versteigerer durch, wie viel Ware sie möchten. Wer sich verdrückt, kann seinen Kauf sofort stornieren. Nach jedem Stopp beginnt das Spiel von vorne.

... von Veiling Rhein-Maas. Der andere Chef: Cees Hoekstra. beide sind alte Hasen im Blumenhandel.
... von Veiling Rhein-Maas. Der andere Chef: Cees Hoekstra. beide sind alte Hasen im Blumenhandel. © Marc Albers

„Das ist nichts für schwache Nerven“, weiß Franz-Willi Honnen. Wer zu schnell drückt, zahlt einen hohen Einkaufspreis. Manchmal: zu hoch. Wer zu spät drückt, bekommt nur noch wenig Ware. Manchmal: gar keine. Erstaunlich ist: Trotz des hohen Druckes, der hier herrscht, bleibt es auf allen Plätzen ruhig. Hochkonzentriert, mit einem Tunnelblick, starren die Händler auf die Uhren und machen ihre Geschäfte. Niemandem ist anzusehen, ob er gerade gut oder schlecht im Bieterrennen liegt. Pokergesichter, weit und breit.

Gegen halb acht ertönt wieder ein Gong. Die Anzeigen frieren ein, die Kettenbahn stoppt. Stillstand in der Versteigerungshalle. Zeit für eine kleine Pause. Alles strömt raus – auf die Toilette, zum Telefonieren, auf eine Zigarette vor die Tür, ins kleine Restaurant nebenan, wo um dieses Uhrzeit schon Schweinesteak mit Chilisauce oder Linsensuppe mit Mettwurst serviert wird. Auch das: ein routinierter Ablauf, keine Aufregung, keine Hektik, man grüßt sich, man kennt sich. Die Versteigerung in Herongen ist eine Welt für sich.

Im Frühling beginnt die Saison

Mittlerweile ist es draußen hell geworden. Der Blick über den Parkplatz, der auf einem Hochdeck neben der Versteigerungshalle angelegt ist, bleibt in einem verwinkelten Komplex aus Bürogebäuden und Lagerhallen hängen.

Veiling Rhein-Maas bewirtschaftet eine Fläche von 190.000 Quadratmetern. 340 Menschen arbeiten hier fest angestellt, dazu kommen noch Saisonkräfte. Alleine heute werden sie mehr als drei Millionen Schnittblumen und mehr als eine Millionen Topfpflanzen bewegt haben. Die Ware wird 24 Stunden am Tag mit Lastwagen angeliefert – und auch wieder ausgeliefert. Ein ewiger Kreislauf.

Wer von ganz oben auf die Ware guckt, nimmt gerne ein Fernglas zur Hand.
Wer von ganz oben auf die Ware guckt, nimmt gerne ein Fernglas zur Hand. © Marc Albers

Wieder ertönt ein Gong, gleich geht es weiter. „Im Frühling beginnen für uns die wichtigsten Monate im Jahr“, sagt Cees Hoekstra. Der Valentinstag im Februar ist immer der Auftakt, es folgen Spitzenverkaufstage wie Ostern und Muttertag – und natürlich die Balkon- und Gartensaison.

Durch die Blume gesagt: Es ist ein blühendes Geschäft.

>> INFO: Besuch der Blumenversteigerung in Straelen-Herongen

Der Betrieb von Veiling Rhein-Maas ist nur für registrierte Händler zugänglich. Aber: Im Rahmen einer Green City Tour der Stadt kann die Versteigerungshalle besichtigt werden. Mehr Infos dazu gibt es im Tourismusbüro von Straelen: www.green-city-tour.de.