Kamp-Lintfort. . Annette Schreiner erschafft Marionetten, die so lebendig sind wie das Leben ist. Zu sehen in der Schatzkammer Kloster Kamp, Kamp-Lintfort
Manchmal flüstern sie. So leise, dass es nicht jeder hören kann – nur der, der es hören soll. Meistens mag man sie auf Anhieb – ihr Lächeln, ihre Falten, ihre wundervolle Unvollkommenheit, ihre Menschlichkeit. Manchmal überraschen sie auch, weil sie Dinge preis geben, die man nicht erfährt, wenn man sie nur flüchtig anschaut. Neinnein, diese Wesen wollen angeguckt werden – und dann fangen sie an zu erzählen. Märchen, Träume, Wünsche, Erinnerungen – und ganz oft: Lebensfreude, ganz viel Lebensfreude. Selbst der Totenengel strahlt Leben aus, jung wie er ist.
Nur nicht hängen lassen
Annette Schreiner hat diese wundervollen Wesen geschaffen – aus Holzmehl, Leim, Stoff und Fantasie. Und es scheint, die Magier und Seher, Königinnen, Wassermänner und Waldschrate, Lottozettelkreuzchenmacher oder Eisverkäufer gar nicht zu stören, dass sie alle, ausnahmslos, festgeknotet sind am hölzernen Fadenkreuz. Vielleicht weil sie wissen, dass man Fantasie nicht festknoten kann. Niemals.
Es ist ein Glück, dass Annette Schreiner von so vielen Talenten gesegnet ist. Um diese so real wirkenden Marionetten zu bauen, diese Typen und Charaktere, braucht es eine ganze Menge: Da muss man modellieren können und zeichnen, malen, bildhauern und nähen. Und man muss eine weiße runde Kugel lesen können, weil drumherum Holzmehl verleimt wird, aus dem nach und nach ein Kopf entsteht, eine Type und dann, in der Voll-
endung, ein Wesen. „Och“, sagt Annette Schreiner, „Fantasie habe ich für tausend Leben“. Nun, und Talente wohl auch.
Dabei ist die Dinslakenerin über Umwege zur Marionettenbauerin geworden. Zuvor hat sie als Geographin, als Stadtplanerin gearbeitet. Aber das ist 30 Jahre her – in ihrer Werkstatt plant sie nun ganz andere Sachen.
Da ist dieser nette grüne Kerl mit dem Krönchen auf dem Kopf und dieser goldglänzenden Kugel. Liebevoll hat Frau Schreiner sein Wämschen geschneidert – allein das ist so schick-schön-verliebt gestaltet, dass man den Typen samt Lebensfäden einfach gern auf den Arm nehmen würde – im übertragenen Sinne.
Für einen Auftritt auf großer Bühne hat Annette Schreiner ihre Marionetten nicht geschaffen. Eher für den Hausgebrauch. Und dort auch nicht so sehr als Spielfigur – obwohl sie gehen können und winken und mit dem Kopf würdevoll oder fuchsteufelswild schlenkern können – je nach Bedarf.
Aber nein, diese Wesen sind eher der gute Hausgeist, ein Gefährte, ein ungewöhnlicher aber treuer Begleiter, manchmal mit einem sympathischen Makel, einem Loch im Strumpf oder einem knöpfesprengenden Bäuchlein... – Ja, man ertappt sich dabei, dass man mit diesen hängenden Wesen spricht: „Na Du?!“