Am Niederrhein. . Volker Döhne fotografierte sich von Bonn bis nach Xanten. Sein Grenzgang in Schwarz und Weiß erzählt auch von ihm, dem Kunst-Hand-Werker.

Man wird Volker Döhne nicht damit beleidigen, ihn als eigenwillig zu bezeichnen.

Als er in den 1970er Jahren bei Bernd Becher an der Kunstakademie in Düsseldorf studierte, war er einer der ersten Schüler, der sich traute, statt schwarzweiß lieber knallbunt zu fotografieren. Und als er seinem Professor eine Bilderserie mit stillen Örtchen vorlegte, bat dieser darum, sich ein neues Thema zu suchen. Daraufhin warf er die Aufnahmen aber nicht in die Tonne, sondern verwahrte die Fotos – und zeigt sie einfach heute.

Ein Schüler von Bernd Becher

Döhnekes. Dieses Wortspiel wird Herr Döhne vielleicht verzeihen, mag er doch selbst die deutsche Sprache sehr. Rückzugsorte nennt er etwa eine Reihe von Bildern, auf denen verlassene Gleisanlagen zu sehen sind. Sie sind Teil einer Ausstellung, die gerade im Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld zu sehen ist. Eine kleine Werkschau seiner fotografischen Lebensleistung. Von der Gegenwart bis zurück zu seinen Anfängen, damals beim berühmten Industrie-Knipser Bernd Becher.

Als sich der gebürtige Remscheider und gelernte Schriftsetzer in dessen erste Kunstklasse einschrieb, stand vor ihm auf der Liste bloß ein Name: Candida Höfer. Später folgten Andreas Gursky, Thomas Ruff, Thomas Struth...

In diesem Atemzug stellt sich nun aber die wahrlich uncharmante Frage: Volker Döhne?

Prinzip: Schuss-Gegenschuss

Nein, man wird ihm auch nicht zu nahe treten, eine gewisse Unbekanntheit beim großen Publikum zu bescheinigen. Der Ü-60-Mann war einfach nicht für das freie Künstlerdasein geschaffen, verriet er dem Autor dieser Zeilen.

Lieber suchte er sich eine ordentliche und sichere Festanstellung, fand diese bei der Stadt Krefeld – und war 38 Jahre lang der Hausfotograf der Kunstmuseen: im KWM sowie in den Bauhaus-Häusern Lange und Esters. Ein Job, in dem er sozusagen zwangsverheiratet mit Mies van der Rohe war, merkt er dazu schmunzelnd an. Nun denn, es gibt Menschen, die leben in sehr viel schlechteren Beziehungen. Und sind dabei sehr viel unglücklicher als Volker Döhne, der neben seiner Pflicht auch immer Freizeit für eine private Kür fand.

In seiner Serie „Gesichtspunkte“ dokumentierte er das Straßenbild seiner Wahl-Heimat. Dafür suchte er sich bewusst die Rheinstraße aus, als typisches Motiv für bundesdeutsche Nachkriegsarchitektur. Die sorgsam wie streng ausgewählten Hausfronten hätten Professor Becher vielleicht gefallen.

Gelernt ist gelernt, auch bei „Tünn“ Konderding

Für seine Reihe „Köln am Dom“, setzte er das berühmteste Bauwerk der Stadt in Szene. Sein Trick: Er zeigte die knapp 160 Meter hohe Kirche nie in voller Gänze, sondern zumeist in den Hintergrund gerückt. So wie auf seinen Fotos werden die jährlich bis zu sechs Millionen Besucher den Dom wohl nur selten bis nie wahrnehmen.

Weil dieser Volker Döhne, der ja nach der Becher-Bildung auch noch Gestaltung bei Professor Anton „Tünn“ Konerding studierte, eben einen Blick für den besonderen Aufbau des Alltags hat. Anders hätte sein neues Buch „Limes“ gar nicht entstehen können.

Neu ist auch in diesem Fall etwas irreführend, denn der Kamera-Mann war auf dem historischen Grenzverlauf zwischen dem Reich der Römer und dem Gebiet der Germanen bereits in den Jahren 1993 und 1994 unterwegs.

Unterwegs auf dem Limes

Rund 140 Kilometer, vom damaligen Bundesregierungssitz bis zum Archäologischen Park in Xanten. Also von Bonna bis Colonia Ulpia Traiana. Meist sonntags, wenn die Anrheiner noch schliefen und die Straßen leer waren. 600 Bilder lagen auf seinem Weg, 402 davon wurden im Buch abgedruckt, stets in Schwarzweiß, „weil ich für die vielen Farbfilme kein Geld hatte“.

Auch hier setzte er eigenwillig doch konsequent sein Konzept um. Wie schon bei seiner Serie über kleine Eisenbahnbrücken und Unterführungen wählt er das Prinzip: Schuss-Gegenschuss. Auf der rechten Buchseite ist jeweils eine Großaufnahme zu sehen, links ergänzt durch drei bis vier Umgebungsbilder. So nimmt der Betrachter automatisch die Perspektive eines Beifahrers im Auto ein – allerdings hatte sich Volker Döhne immer außerhalb seines Wagens, auf der Straße positioniert; übrigens immer in Blickrichtung Xanten.

Ein Kunstkniff, der funktioniert. Dieser Bildband erschließt sich nur dem, der sich langsam blätternd darauf einlässt, durch den Vergleich der Motive: Straßen und Häuser, Industrieanlagen und Felder, Stadttore und Kirchtürme. Sieht so aus, als hätten die Bilder auch Professor Becher gefallen.

>> INFO: Über die Ausstellung und den Bildband

Ausstellung: Volker Döhne, Sucher und Finder, bis zum 5. Mai 2019 im Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld

Bildband: Volker Döhne, Steffen Siegel, Marcus Trier, Limes: Grenzgänge eines Fotografen von Bonn bis Xanten, 192 Seiten, 402 SW-Bilder, Greven Verlag, Köln, 28 Euro, www.greven-verlag.de