Am Niederrhein. . Spätestens seit ein Wildtier bei Schermbeck sesshaft wurde, stellt sich die Frage konkret. Antworten von Wolfsexperte Jos de Bruin aus Sonsbeck.

Der Wolf ist da. Ein weibliches Tier ist in den Wäldern bei Schermbeck sesshaft geworden. Mensch, was nun? Die einen freuen sich, die anderen haben Angst. Nachgefragt bei Jos de Bruin, der als Tierpfleger in einem Naturwildpark arbeitet und zuhause in Sonsbeck zehn Wölfe und Wolfsmischlinge hält.

Der Wolf ist am Niederrhein zurück. Freuen Sie sich?

Na klar. Der Wolf gehört in unsere Natur. Er ist ein ganz normales Wildtier, so wie Rot- und Schwarzwild auch. Rund 150 Jahre gab es keine Wölfe hier, jetzt müssen wir uns wieder daran gewöhnen.

Ist der Niederrhein grundsätzlich ein gutes Gebiet für Wölfe?

Nicht flächendeckend, nur stellenweise. Der Wolf braucht einen Wald, in den er sich zurückziehen kann. Nicht überall am Niederrhein gibt es genügend große Wälder, also wird er sich nicht überall niederlassen.

Der Wolf wurde an mehreren Orten am Niederrhein gesichtet.

Logisch, weil er ja umher zieht. Wir wissen nicht, ob es immer ein- und derselbe Wolf war. Vielleicht waren es auch verschiedene Tiere. In Deutschland haben Wölfe ein Revier, das rund 200 Quadratkilometer groß ist. Im Schnitt legt er rund 21 Kilometer pro Tag und Nacht zurück.

Klingt so, also ob man auch am Niederrhein hier und da einem Wolf begegnen könnte.

Das wird eher die Ausnahme bleiben. Die meisten Menschen werden nie einen Wolf zu Gesicht bekommen, außer in einem Tierpark. Der Wolf ist von Natur aus scheu und schreckhaft. So wie andere Wildtiere auch.

Es gibt Bilder aus Deutschland, die einen Wolf auf Straßen in Dörfern zeigen.

Das kann vorkommen, wenn der Wolf auf Nahrungssuche ist. Meistens streift er nachts umher, wenn es ruhig ist und er sich sicherer fühlt. Manche freilebenden Wölfe zeigen weniger Scheu als andere, so wie andere Wildtiere auch.

Zur Begriffsklärung: Als Wildtier gilt...

... allgemein ein Tier, das in freier Wildbahn geboren wurde und dort lebt, also nicht vom Menschen domestiziert, gezüchtet wurde.

Der Wolf ist aber nicht nur ein Wild-, er ist auch ein Raubtier.

Ja, er frisst Fleisch. Deshalb muss er kräftige scharfe Zähne haben. So wie ein Fuchs, Luchs oder Marder auch. Natürlich ist das Gebiss eines Wolfes kräftiger.

Damit reißt der Wolf andere Tiere, um sich zu ernähren.

Genau. Es gibt genug andere Wildtiere in Deutschland, auch am Niederrhein. Ein Reh, zum Beispiel, passt gut in sein Beuteschema. Es ist kleiner und weniger kräftig als er. Dagegen kann ein großes gesundes Pferd oder ein Hirsch dem Wolf gefährlich werden und ihn mit einem gezielten Tritt sogar töten.

Wen oder was frisst ein Wolf normalerweise noch so?

Aus Kotproben wissen wir, dass er neben Rot- auch Schwarzwild frisst, und auch Mäuse und Kaninchen. Wenn ein Wolf gutes Muskelfleisch bekommt, reicht ihm rund ein Kilo am Tag. Wenn das Fleisch weniger energiereich ist, etwa von Lämmern, braucht er mehr davon.

Seine Beute sind aber auch Haustiere. Zum Beispiel wurden bereits mehrere Schafe gerissen.

Auch das stimmt. Und darüber kann sich natürlich niemand freuen, am allerwenigsten die Schäfer.

Wie können Landwirte ihre Rinder, Schafe, Pferde und anderen Tiere im Freien schützen.

Am besten mit einem Stromdrahtnetz. Wichtig ist, das der erste Draht niedrig genug aufgehängt wird: 25 Zentimeter über dem Boden, mindestens bis 90 Zentimeter hoch. Ich empfehle sogar eine Höhe von 1,20 Meter.

Und wie können wir Menschen uns schützen?

Die Frage ist eher: Müssen wir uns schützen? Wie gesagt, Wölfe sind Wildtiere, was sie nicht kennen, meiden sie. Es ist nicht so wie im Märchen: Menschen brauchen keine Angst vor dem bösen Wolf zu haben.

Es gibt aber Menschen, die fürchten sich vor dem Wolf.

Es gab bisher nur sehr wenige Fälle in Europa, in denen ein Wolf einen Menschen angegriffen hat. In Deutschland siedelte sich der Wolf im Jahr 2000 wieder an, seitdem ist mir kein Angriff hier auf einen Menschen bekannt.

Und wenn ein Mensch plötzlich doch einmal einem Wolf gegenübersteht? Wie soll man sich verhalten?

Zunächst einmal ruhig bleiben, nicht in Panik geraten, hektische Bewegungen vermeiden. Dann bemerkbar machen, etwas laut sagen oder in die Hände klatschen. Dann wird der Wolf ziemlich schnell verschwinden.

Es gibt die Forderung, den Wolf zum Abschuss freizugeben.

Das mag einfach sein, ist aber verboten. In Deutschland stehen Wölfe unter Schutz. Wer einen Wolf abknallt, begeht eine Straftat. Laut Jagdrecht ist es nur möglich, einen auffälligen Wolf abzuschießen, zum Beispiel wenn das Tier Tollwut hat. Deutschland gilt seit 2008 offiziell als tollwutfrei.

Wird die Berichterstattung über den Wolf übertrieben?

Manchmal ja, leider. Es wird zu reißerisch über das Thema geschrieben. Und es werden Behauptungen aufgestellt, die nicht belegt sind. Fakt ist: Am Niederrhein hat sich ein Wolf angesiedelt. Einer! Also kein Grund, hysterisch zu werden.

Also ist nicht der Wolf das Problem, sondern der Mensch?

Wenn man so will, ja. Die Unsicherheit gepaart mit dem Unwissen. Was Menschen nicht kennen, macht ihnen Angst. Hinzu kommt: Viele Menschen haben verlernt, mit der Natur zu leben. Das sollten sie wieder lernen, und dazu gehört auch, wieder mit dem Wolf zu leben. In Deutschland leben mehrere hundert Wölfe, es ist doch bloß eine Frage der Zeit, wann sich noch ein Tier am Niederrhein ansiedeln wird.

>> INFO: Über Jos de Bruin

Jos de BruinJos de Bruin, 1964 in den Niederlanden geboren, ausgebildeter Hundeverhaltenstherapeutist ausgebildeter Hundeverhaltenstherapeut und arbeitet als TierpflegerTierpfleger im Naturwildpark Granat in Haltern am See. Privat hält er im Moment zehn Wölfe und Wolfsmischlinge sowie einen Dingo in einem Gehege, das behördlich genehmigt wurde. In seiner Wolfsauffangstation nimmt der Wolf-Botschafter des NabuWolfsbotschafter des Nabu keine neuen Tiere mehr auf. Zunächst wohnte er mit seinen Wölfen in KevelaerKevelaer, weil Nachbarn AngstNachbarn Angst hatten, zog er nach SonsbeckSonsbeck um. Auch hier kam es mit Nachbarn zum Streit Streit bis vor GerichtGericht. Seine Homepage: www.wolf-auffang.dewww.wolf-auffang.de.