Am Niederrhein. . Mehr als 20 Jahre engagiert sich die Kevelaerer Medizinerin Dr. Elke Kleuren-Schryvers mit der „Aktion pro Humanität“ in Westafrika. Ehrenamtlich

Seit mehr als zwei Jahrzehnten reist die Kevelaerer Medizinerin Dr. Elke Kleuren-Schryvers, Gründerin der Hilfsorganisation/Stiftung „Aktion pro Humanität“, mehrmals im Jahr in den westafrikanischen Busch, ehrenamtlich, um zu helfen. Ein Krankenhaus ist da nun gewachsen, vor vier Jahren wurde ein Operationscontainer installiert – alles mit Hilfe von Spenden. Im November wird nun sogar eine Kinderstation eröffnet.

  Dr. Elke Kleuren-Schryvers, Medizinerin aus Kevelaer.
Dr. Elke Kleuren-Schryvers, Medizinerin aus Kevelaer. © Ute Gabriel

Frau Dr. Kleuren-Schryvers. Mehr als zwei Jahrzehnte humanitärer Einsatz in Afrika. Werden Sie nie müde?

Nein, in Anbetracht der Situationen, die die Menschen in diesen beiden Ländern vorgeben, ihre Lebensbedingungen, ihre Perspektiven, kann man gar nicht müde werden.

Und wenn nahezu 70 Millionen Menschen auf der Flucht sind, können wir nicht die Beine hochlegen auf unserer Insel der Seligen. In Zeiten, in denen die Angst vor dem und den Fremden, so geschürt wird, statt sie zu lindern, muss man agieren. Sich klar und unzweifelhaft für Mitmenschlichkeit und Solidarität aussprechen.

20 Jahre sind eine lange Zeit.

Das Krankenhaus der Aktion pro Humanität in Benin konnten wir 1995 eröffnen. Begonnen hat es mit wirklicher medizinischer Basisversorgung der Menschen. Wir hatten anfangs nicht viel zur Verfügung – einige Medikamente, ein paar Stethoskope und Blutdruckmesser, ein Mikroskop, einige Hals-Nasen-Ohren-Lampen und Mundspatel, ein bisschen Naht- und Verbandsmaterial, einige Infusionssets.

Das klingt abenteuerlich.

Hier ist  eine kleine endoskopische Abteilung untergebracht. Modernste medizinische Technologie mitten im Busch. Im Dorf ein paar hundert Meter entfernt, kochen die Menschen ihre Mahlzeiten noch auf offenem Feuer.
Hier ist eine kleine endoskopische Abteilung untergebracht. Modernste medizinische Technologie mitten im Busch. Im Dorf ein paar hundert Meter entfernt, kochen die Menschen ihre Mahlzeiten noch auf offenem Feuer. © APH

Das war es auch. Eine lokale Anästhesie vor einer Wundversorgung etwa kannte niemand. Die Menschen umarmten uns mit Tränen in den Augen, weil sie gar nichts spürten, wenn wir eine Kopfplatzwunde oder eine Macheten-Schnittwunde von der Feldarbeit versorgten.

Und die Aidspatienten verstanden gar nicht, dass wir mit ihnen bei den Behörden streiten wollten, damit es endlich Aidsmedikamente im Land geben konnte. Heute ist unser Hospital in Gohomey, nah an der Grenze zu Togo, ein spezialisiertes Zentrum – das Zweitgrößte im Land – für die Diagnostik und Therapie von HIV/Aids.

Wie muss man sich das Leben im westafrikanischen Busch im Jahr 2018 vorstellen?

Im Operationscontainer arbeiten niederrheinische Mediziner mit afrikanischen Medizinern zusammen, hier links Dr. Wolfgang Paul, St.-Clemens-Hospital Geldern. Einmal im Jahr nimmt er sich Urlaub und  reist mit Kollegen aus Kevelaer, Moers, Emmerich, Wesel, Xanten in den Busch, um, wie alle seine Kolleginnen und Kollegen vom Niederrhein, ehrenamtlich in Gohomey zu helfen.
Im Operationscontainer arbeiten niederrheinische Mediziner mit afrikanischen Medizinern zusammen, hier links Dr. Wolfgang Paul, St.-Clemens-Hospital Geldern. Einmal im Jahr nimmt er sich Urlaub und reist mit Kollegen aus Kevelaer, Moers, Emmerich, Wesel, Xanten in den Busch, um, wie alle seine Kolleginnen und Kollegen vom Niederrhein, ehrenamtlich in Gohomey zu helfen. © APH

Nun, ehrlich, in vielen Bereich wie vor 150 Jahren. In den Großstädten werden Infrastruktur-Fortschritte sichtbar. In den ländlichen Gegenden ist die Zeit aber noch stehen geblieben – viele Menschen leben nach wie vor in einfachen Behausungen, ohne Wasser und Strom, zu allermeist in bitterer Armut.

Wie finanziert sich das Krankenhaus?

Aus den vielen kleinen „Kostenbeteiligungen“ der Patienten für ihre Behandlungen. Die liegen unter denen der staatlichen Krankenhäuser. Und dann sind es die Spendengelder vom Niederrhein. Wir können gar nicht laut genug Danke sagen. Trotzdem bedeutet auch heute ein krankes Familienmitglied, das zur Behandlung im Krankenhaus ist, oft eine Mahlzeit weniger am Tag für den Rest der Familie.

Im November wird eine kleine Kinderstation eingeweiht.
Im November wird eine kleine Kinderstation eingeweiht. © APH

2015 haben Sie in Benin Geschichte geschrieben.

Ein Jahr, das in die Geschichte des Projektes und der Gesundheitsversorgung der Menschen in dieser Region eingehen wird. Durch einen privaten Spender konnten zeitgleich eine digitale Röntgenanlage und ein Operationscontainer angeschafft werden.

Somit wurden auch operative Behandlungen , insbesondere auch Kaiserschnitt-Entbindungen möglich.

142 Geburten gab es im Mai diesen Jahres. 40 davon waren Kaiserschnitt-Entbindungen. Insgesamt gibt es monatlich etwa 60 Operationen in dem OP-Container. Pro Jahr werden aktuell sicher 25.000 bis 30.000 Menschen bis in die Nachbarländer hinein (Togo und Nigeria) versorgt. Das Krankenhaus pulsiert.

Gibt es ein Erlebnis, ein Schicksal, dass Sie besonders in Erinnerung behalten haben?

„Wenn wir in Benin helfen, gibt das den Menschen im Land dort auch Perspektiven. Wir sind der zweitgrößte Arbeitgeber in der Region.“

Es gibt viele, tief bewegende Erinnerungen an einzelne Menschen und ihre Dankbarkeit über die möglich gewordene Hilfe – inzwischen sogar im ganzen Land. Eine besondere Erfahrung jedoch ist die Entwicklung des Projektes zum zweitgrößten Arbeitgeber in der Region.

85 beninische Mitarbeiter und ihre Familien stehen in Lohn und Brot der Aktion pro Humanität. Das ist eine großartige Entwicklung. Das ist konkrete Lebensperspektive für die Menschen in ihrer Heimat.

Macht es sie zornig, dass sich in all den Jahren am Alltag vieler Menschen in Benin nicht viel geändert zu haben scheint?

Nein, ich bin nicht zornig. Eher pragmatisch. Die Lebenssituation der Menschen in der Region Mono/Couffo hat sich schon deutlich verändert – durchaus zum Besseren. Durch das Krankenhaus sind Strom und Wasser in die Region gekommen, Schulen, die medizinische Versorgung ist adäquat bis fortschrittlich.

Die medizinische Versorgung ist entschieden besser als in anderen Regionen. Und wir spüren sehr viel und wachsendes Vertrauen der Menschen in einer Region, die überwiegend noch vom Glauben an Götter, Geister und Ahnen dominiert wird.

Blick ins Labor des APH-Krankenhauses in Gohomey, Benin.
Blick ins Labor des APH-Krankenhauses in Gohomey, Benin. © APH

Im November werden sie erneut mit Medizinern aus Wesel, Emmerich, Xanten, Geldern, Kevelaer, Moers nach Gohomey aufbrechen und einen neuen Krankenhausbereich eröffnen.

Ja, wir werden eine pädiatrische Fachabteilung mit Neonatologie eröffnen. Klein aber ein wirklicher Segen. Damit ist ein weiterer Schwerpunkt gesetzt als Mutter-Kind-Behandlungszentrum.

Eine kleine Zahnarztpraxis ist im Bau

Eine kleine Zahnarztpraxis ist auf dem Krankenhausgelände ebenfalls in Bau. Wirtschaftlich betrachtet schafft unser Zentrum inzwischen ein Autofinancement von mehr als 84 Prozent für die entscheidenden Kostenblöcke: Löhne der beninischen Mitarbeiter, Medikamente sowie medizinische Verbrauchsmaterialien. Das gilt als sehr herausragend im Land.

>>>Arbeiten im Buschkrankenhaus

Blick aufs Krankenhausgelände. Foto: APH Für das Krankenhaus in Benin sucht APH gerade eine Interims-Projektleitung, die mit dem beninischen Leitungsteam vor Ort arbeitet.

Die Tätigkeit ist auf etwa zehn Monate befristet – wer Interesse hat, sich in einem völlig anderen kulturellen Umfeld auf die Menschen vor Ort einzulassen, kann sich bei Elke Kleuren-Schryvers informieren.

Wer im Projekt arbeiten möchte, sollte Französisch französisch sprechen und Freude (gern auch Erfahrung) haben an Organisation, Koordination und Controlling. Klar ist, es geht nicht um eine Abenteuer-Reise ins Land des Voodoo.

Infos: www.pro-humanitaet.de; Mail: E. Kleuren-Schryvers@t-online.de