Am Niederrhein. . Der eingeschleppte Großnager wird an vielen Gewässern der Region zum Problem. Auch die Landwirtschaft und der Hochwasserschutz sind betroffen.
Die Nutria ist eine invasive gebietsfremde Art, die sich am Niederrhein breitgemacht hat. Sie hat fast an jedem Gewässer und in deren Umgebung in unserer Region Fuß gefasst. Das stört doch niemanden, oder? Doch – und sogar nachhaltig.
Die Nutria gehört zu den aktuell 49 Arten von Pflanzen, wirbellosen Tieren und Wirbeltieren, die einen unrühmlichen Platz in der Unionsliste der EU ergattert haben. Alle diese gebietsfremden Arten sind durch den Menschen eingeschleppt worden und haben mitunter verheerende Auswirkungen auf angestammte Ökosysteme in der Europäischen Union. Das haben Wissenschaftler in umfangreich- vernetzten Studien europaweit ermittelt.
Die Forscher haben sogar Hunderte „gebietsfremde“, eingeschleppte Arten in unseren Lebensräumen unter die Lupe genommen. Die meisten leben wohl in Koexistenz bei uns, ohne dass sie einheimische Lebensgemeinschaften gefährden. Folglich landen diese auch nicht auf der EU-Liste. Jedoch die Nutria, weil ihre Bestände bundesweit stark etabliert sind und in bestimmten Biotoptypen sogar die Hauptursache für den Biodiversitätsverlust sein können.
Die Verordnung fordert deshalb auch unmissverständlich ein Management für solche Arten. Die Nutria soll auch aus niederrheinischen Lebensräumen „entnommen“ werden. Diese Wortwahl ist schlichtweg ein verbaler Verschleierungsversuch in der kontinental häufig praktizierten Behördensprache, um bloß nicht das Töten dieser Tiere offensiv zu proklamieren. Fakt ist, dass der Nutria bei uns bereits jetzt schon nachgestellt wird. Mit behördlichem Segen. Und das ist auch gut so.
Übrigens: Ausgerottet muss sie nicht werden; auch das steht in der Verordnung. Bisher sind die Eingriffsmaßnahmen bei uns jedoch nicht zielfördernd. Jäger haben zudem längst die Nase voll, ständig als Schädlingsbekämpfer missbraucht zu werden.
Das kann man verstehen. In der Gesellschaft werden Grünröcke nach wie vor kritisch beäugt. Zu viele Tierschützer schreien lauthals auf, auch wenn durchaus ökologisch sinnvolle Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Doch mit Bambi Mentalität allein ist die Artenvielfalt bei uns massiv gefährdet. In einer naturnahen Kulturlandschaft ist man häufig gezwungen, die ökologischen Bedingungen für den Artenreichtum zu managen.
Die großen Nager mit einer Kopf-Rumpf-Länge zwischen 45 und 65 Zentimeter sowie einer Schwanzlänge bis zu 45 Zentimeter kommen ursprünglich aus Südamerika. Dort sind ihre Bestände überschaubarer als bei uns. Natürliche Fressfeinde, wie Jaguare und Würgeschlangen, halten dort die Nutriabestände in Schach.
Eine Ersteinfuhr nach Deutschland ist nachgewiesen für 1867. Wegen ihres dichten Felles wurden Nutrias fortan gezüchtet. Im letzten Jahrhundert wurde aus wirtschaftlichen Gründen überall in Europa die Zucht aufgegeben. Einige dieser Zuchttiere wurden lebend einfach in der Umgebung entsorgt.
Die mit dem orangen Schneidezahn
Mittlerweile haben viele europäischen Fließgewässer und naturnahen Feuchtgebiete mit diesem Großnager echte Probleme. Aber auch Landwirte, Boden- und Wasserverbände zunehmend.
Nutrias bauen im Uferbereich und leider auch in Hochwasserschutzdeichen ihre großen, verzweigten Tunnelröhren, in denen sie sich regelmäßig zurückziehen. Schwere Landmaschinen brechen immer häufiger auf unterhöhlten Flächen ein, wenn diese Areale in Gewässernähe bewirtschaftet werden.
Zudem verschmähen die eingeschleppten Großnager auch nicht einige von der Landwirtschaft produzierten Feldfrüchte. Die auffallend-großen, orangefarbenen Schneidezähne der Vegetarier beißen sich durch und wachsen ein Leben lang nach. Wenn ganze Nutriafamilien sich beispielsweise über ein Rübenfeld hermachen, dann steht der Bauer auf dem Schlauch. Diese Schäden kann man vielleicht noch finanziell ausgleichen. Hingegen Fraßschäden, die Nutrias an Unterwasserpflanzen, Schwimmblatt-Pflanzen und Röhrichte an eutrophen, ökologisch wertvollen Altgewässern anrichten sind besonders katastrophal. Denn diese Biotope sind sowieso schon hochgradig gefährdete Lebensräume für eine Vielzahl spezialisierter Lebewesen. Die ausgezeichnet schwimmenden Pelzträger haben u.a. die Knospen von Teich- und Seerosen zum Fressen gerne. Tausende dieser großblättrigen Schwimmblattpflanzen werden in kürzester Zeit ihrer Knospen beraubt. Ganze Schilfwälder werden plattgemacht.
Am Altrhein Bienen bei Rees, am Schwafheimer Meer in Moers und vielen anderen Altgewässern am Niederrhein, werden dadurch signifikante Artenrückgänge registriert. Gerade in solchen Gebieten muss deshalb der Nutriabestand stark reduziert werden. Schade um jede Nutria, die wegen grober Unvernunft einiger Züchter und Co. jetzt dieses Schicksal ereilt.
>>INFO: Nutrias bitte nicht füttern!
Peter Malzbender vom Naturschutzbund Kreis Wesel empfiehlt: „Vollkommen falsch ist es, Nutrias zu füttern.“ Leider praktizieren das vermeintliche Tierfreunde an städtischen Teichen etc. zunehmend in unseren Kommunen. Falsch verstandene Tierliebe bindet die Großnager an diese Futterstellen. Malzbender: „Die Tiere verlieren ihre natürliche Scheu, so dass sie als Plagegeister noch eher getötet werden.“