Am Niederrhein. . Sting und Shakira waren da, Britney Spears und Johnny Depp wollen kommen. Interview mit Michael Hilgers, der die Stars nach Mönchengladbach holt.

Ach, sieh mal einer an: Auf seinem Bürotisch stehen eine kleine Flasche Wodka und ein Fläschchen Cuba Libre. Das zweite Frühstück? „Nee, noch nicht“, sagt Michael Hilgers und schmunzelt. „Die habe ich geschenkt bekommen, die stehen hier halt so rum.“ Mehr Klischee geht kaum, beim Besuch des größten Konzertveranstalters am Niederrhein im Hockeypark in Mönchengladbach, vis-à-vis der Arena von Borussia Mönchengladbach.

Tach auch, Herr Hilgers. Oder soll ich sagen, wie die BILD-Zeitung schrieb: „Der Konzertkönig vom Niederrhein“.

(lacht) Jaja, damit habe ich bei meinen Mitarbeitern immer noch zu kämpfen.

Auf Ihrer Visitenkarte steht: Geschäftsführer der HockeyPark Betriebs GMBH & Co. KG. Klingt ziemlich unsexy für die Musikszene.

Ach, ich bin kein Musiker, von daher.. Und in der Musikszene spielen solche Titel keine so große Rolle. Wichtig ist, wie man miteinander arbeitet, die jeweiligen Partner müssen vertrauensvoll ihre gemeinsamen Dinge umsetzen, nur das zählt.

Interessiert sich in der Branche eigentlich irgendjemand dafür, dass Sie Olympiasieger im Hockey sind?

Keine Ahnung. Mich weniger. Ich schätze mal, die meisten Leute wissen das nicht.

Privat, Ihr erstes Konzert?

BAP in der Kaiser-Friedrich-Halle in Mönchengladbach. Verdamp lang her. Ich war wohl noch keine 18, das Konzert war ausverkauft, wir hatten keine Karten und sind irgendwie hinten herum rein. Damals ging so etwas noch. (grinst)

Sting ist der Lieblingsmusiker von Michael Hilgers. Bereits drei Mal trat er in Mönchengladbach auf.
Sting ist der Lieblingsmusiker von Michael Hilgers. Bereits drei Mal trat er in Mönchengladbach auf. © Henning Kaiser

Ihre erste Platte?

Zenyattá Mondatta von Police.

Und was läuft heute auf Ihrem iPod?

Ich bin ein totaler Sting-Fan. Daneben habe ich einen Riesenmix von allem: 70er Jahre, Hip-Hop, auch Klassik. Ich höre das, worauf ich gerade Lust habe.

In diesem Jahr sollen unter anderem Nickelback, Britney Spears, Deep Purple und Santana im Sparkassen-Park auftreten. Klingt wie bunte Mischung Bonbons vom Kiosk.

Die muss es auch sein. Aus dem Angebot an Bands und Musikern, die grundsätzlich zur Verfügung stehen, können wir unser Programm zusammenstellen. Im Schnitt veranstalten wir zehn Open-Air-Konzerte in Mönchengladbach. Dabei muss für jeden Musikgeschmack etwas dabei sein, um das große Publikum zu erreichen. Nur Rockkonzerte, das würde nicht funktionieren.

2018 ist Fußball-WM-Jahr. Was bedeutet das für Sie als Konzertveranstalter?

Die WM müssen wir natürlich berücksichtigen. Im vergangenen Jahr hatten wir hier 13 Konzerte, in diesem Jahr werden wir etwas weniger haben. Im WM-Monat gibt es zwei Veranstaltungen, die Olé-Party und Deep Purple. Wenn an diesen Tagen ein Spiel läuft, werden wir es wohl nebenbei zeigen, das passt dann schon. Aber an einem Deutschland-Spieltag lohnt es nicht, ein Konzert anzusetzen, dann interessiert nur Fußball.

Bryan Adams, Green Day, Shakira… Kommen die Stars mittlerweile von selbst an den Niederrhein oder müssen Sie sich noch die Finger wund tippen?

Vor sieben, acht Jahren war das noch so. Damals habe ich mir gefühlt 100 Konzerte im Jahr angeguckt, um erste Kontakte zu knüpfen und wenigstens ein, zwei Sätze mit dem Management zu wechseln. Heute bestehen diese Kontakte, jetzt geht es darum, Mönchengladbach im Gespräch zu halten. Viel läuft über E-Mail, telefonieren ist total out.

Wie weit planen Sie im Voraus?

Da drüben an der Wand hängen zwei Kalender: für 2018 und 2019. 2018 ist abgehakt, wir sind gerade dabei, 2019 zu planen. Und für zwei, drei Auftritte laufen bereits Überlegungen für 2020 oder 2021, allerdings ohne konkrete Termine. Es gibt die Option, dass Künstler kommen. Das hängt aber von vielen Faktoren ab. Wird zum Beispiel die neue Platte verschoben, verschiebt sich automatisch auch die Tour.

Der französische Star-DJ David Guetta legte auch schon im Sparkassen-Park auf. Ansonsten ist er am Niederrhein beim Parookaville in Weeze anzutreffen.
Der französische Star-DJ David Guetta legte auch schon im Sparkassen-Park auf. Ansonsten ist er am Niederrhein beim Parookaville in Weeze anzutreffen. © Ralf Rottmann

Bleibt noch das Wetter als Restrisiko. Der Sparkassen-Park ist Freiluftbühne. Wie viele verregnete Sommer verkraften Sie?

Das Wetter spielt bei der Finanzierung und Re-Finanzierung eines Konzertes keine Rolle mehr. Die Karten werden in der Regel immer vorher verkauft. Vor zwei Jahren war David Guetta hier: Ein traumhafter schöner Samstag mitten in den Ferien, 18.000 Menschen waren hier, an der Abendkasse haben wir sieben, acht Tickets verkauft, allen anderen im Vorverkauf. Früher war es genau andersherum.

Im Juni wollen die Hollywood Vampires hier rocken. Wie erklären Sie Alice Cooper, Johnny Depp und Joe Perry, wo Mönchengladbach liegt?

Na ja, die interessieren sich weniger für den Ort, vielmehr für die Location. Ich schicke dem Management das Line-up der vergangenen Jahre, darin tauchen dann Namen wie Sting oder Guns N‘ Roses auf, damit ist dann klar, dass man hierher kommen kann. Ich will nicht behaupten, dass es heute ein Selbstläufer ist, aber früher war es schon etwas schwieriger. Man musste Elton John oder Herbert Grönemeyer erst einmal davon überzeugen, hier aufzutreten. Das hat geklappt, und darauf können wir nun aufbauen.

Bisher war Mönchengladbach der einzige Standort für Freiluft-Konzerte am Niederrhein. Jetzt wird in Düsseldorf gerade der Messeparkplatz umgebaut. Erster Auftritt: Ed Sheeran. Also eine neue Konkurrenz.

Nein. Die Fläche in Düsseldorf hat mit Mönchengladbach nichts zu tun. Dort geht es um die wirklich ganz, ganz großen Konzerte. Die Anzahl der Künstler, die dafür infrage kommen, ist überschaubar. Ich kenne Michael Brill, den Geschäftsführer bei Düsseldorf Congress Sport & Event, sehr gut. Wir würden uns gegenseitig nie direkte Konkurrenz machen, weil es am Ende des Tages niemanden hilft. Übrigens: Wir hätten eine solche Fläche auch in Mönchengladbach haben können. Doch als die Anfrage kam, auf dem JHQ-Gelände das Rock-Ring-Festival auszurichten, hat die Stadt zu lange gezögert.

Vergangene Woche spielte Bob Dylan in Krefeld. Lag es am günstigen Dollar-Kurs oder warum konnten Sie ihn ausgerechnet dorthin holen?

Der Kontakt kam über den Agenten des Künstlers zustande, den ich gut kenne. Als das Thema aufkam, habe ich mein Interesse bekundet, weil Bob Dylan ein ganz eigener Künstler ist. Ich habe dann geschaut, in welcher Halle ich das Konzert veranstalten könnte – der Königpalast in Krefeld war noch frei, also dort. Ich freue mich sehr, dass es geklappt hat. Ich selbst habe Bob Dylan hier zum ersten mal live gesehen: Es war ein wirklich großer Abend eines großen Künstlers.

Neulich am Niederrhein: Bob Dylan. Wer hat ihn in den Königpalast nach Krefeld geholt? Genau, der Herr Hilgers.
Neulich am Niederrhein: Bob Dylan. Wer hat ihn in den Königpalast nach Krefeld geholt? Genau, der Herr Hilgers. © Domenech Castello

Fanta 4 in Kassel, Aha und Westernhagen auf der Loreley. Sie veranstalten mittlerweile bundesweit Konzerte. Also sind Sie doch der Konzertkönig vom Niederrhein!

Ganz ehrlich: Das ist auch immer Zufall. Die Künstler, um die es geht, waren alle schon mal in Mönchengladbach. Wir kennen uns, beide Seiten wissen, was sie einander haben. Vor zwei Jahren kam die Anfrage von der Loreley, ob ich mir vorstellen kann, dort Konzerte zu machen. Einige Künstler konnte ich im Doppelpack buchen, das funktioniert, weil die Loreley auf Grund der Entfernung für Mönchengladbach keine direkte Konkurrenz ist. Noch mehr gilt das für Kassel, auch von dort kam eine Anfrage an uns.

Sie besitzen die Rechte an der bundesweiten Partyreihe „Olé“. Die fällt aus dem Konzertrahmen, ist aber wichtig für Sie.

Absolut. Es ist kein Geheimnis, dass die „Olé-Partys“ sehr gut laufen. Wir haben die Reihe auf neun Veranstaltungen in Deutschland erweitert. Dadurch stehen wir in Kontakt zu vielen anderen Veranstaltern, mit denen wir dabei kooperieren. Das ist sehr interessant. Bei den „Olé-Partys“ können wir unser Know-how umsetzen, das wir uns in den vergangenen Jahren angeeignet haben.Wir haben noch viele Ideen für diese Veranstaltung. Es bleibt spannend für uns und für die Besucher.

Die Toten Hosen spielen in Düsseldorf für unter 50 Euro. Für Britney Spears in Mönchengladbach gibt es Karten ab 70 Euro. Wahnsinn.

Es gab auch Karten für 50 Euro, die sind aber schon ausverkauft. Doch klar, heute bezahlen die Leute sehr, sehr viel Geld für Tickets. Das war früher anders. Andererseits wollen Konzertbesucher heute den größten möglichen Service haben: angefangen vom Parkplatz bis zum Sitz mit freier Sicht, viele Gastrostände und Toiletten… Alles ist im Preis inbegriffen. Ein Standard, der früher bei Open-Air-Konzerten nicht so wichtig war.

Nickelback sind ein bisschen billiger als Britney Spears, Deep Purple sogar ein wenig teurer. Wie kommen eigentlich die Eintrittspreise zustande?

Von einem Konzertticket, das 100 Euro kostet, bleiben dem Veranstalter im Durchschnitt rund 70 Euro. Davon müssen noch bezahlt werden: Gema, Werbekosten, Sicherheitspersonal, Versicherungen, Technik… Und die Künstler möchten natürlich auch etwas verdienen. So sind solche Preise zu erklären – aber auch nicht alle gutzuheißen. Ich warne davor, die Konzertpreise bis ins Unendliche hochzuschrauben. Irgendwann sagt der Verbraucher, dass ihm das zu teuer ist.

Marius Müller-Westernhagen war hier 2017 für mehr als 100 Euro zu sehen. Zu teuer?
Marius Müller-Westernhagen war hier 2017 für mehr als 100 Euro zu sehen. Zu teuer? © Britta Pedersen

Das ist doch jetzt schon so! Marius Müller-Westernhagen spielte im vergangenen Jahr in Mönchengladbach für weit über 100 Euro. Wo liegt denn die Schmerzgrenze?

Die ist für jeden Verbraucher eine andere. Bei Westernhagen waren die Karten für die erste und zweite Kategorie, also die teuersten Tickets, zuerst ausverkauft. Anderes Beispiel: Thirty Seconds to Mars haben auf ihrer Tour Tickets für 1500 US-Dollar pro Stück verkauft: Meet & Greet, Händeschütteln und Foto mit Band, Pizza vor der Show... Diese Angebot wurde 300 mal gekauft. Der Markt für so etwas ist also da. (überlegt) Ich denke, bei normalen Rockkonzerten sollten Tickets in allen Kategorien für unter 100 Euro angeboten werden.

Wann haben Sie zuletzt Geld für eine Konzertkarte ausgegeben, und für wen?

Als großer Sting-Fan wollte ich unbedingt das Abschlusskonzert von Police im Madison Square Garden in New York sehen. Mit B52‘s als Vorband, das war schon cool. Ansonsten komme ich mittlerweile auf Konzerte, weil ich den Hallenbetreiber oder den Agenten der Künstler kenne. Das beruht auf Gegenseitigkeit, ich werde auch öfter angerufen, wenn jemand aus der Branche nach Mönchengladbach möchte.

Wo übernachten die Stars, die in Mönchengladbach auftreten: lieber in Düsseldorf oder Köln?

Nicht in Mönchengladbach, das stimmt. Eher in Düsseldorf, oder sie fahren direkt weiter zum nächsten Spielort.

Es kursieren ja immer irre Geschichten über Starallüren: komplett schwarzes Hotelzimmer, Extra-Klobrille, ein Schwung Pornohefte, Whisky bis zum Abwinken. Plaudern Sie doch bitte mal…

Eigentlich kann ich gar nicht viel dazu erzählen. Natürlich gibt es Künstler, die hätten gerne eine bestimmte Käsesorte oder ein Yoga- oder Raucherzimmer. Man stellt sich das schlimmer vor, als es ist. Oder es werden Geschichten erzählt, die nur zur Hälfte der Wahrheit entsprechen. Man darf dabei nicht vergessen: Ein Künstler, der über lange Zeit auf Tour und weg von Zuhause ist, möchte sich unterwegs wohlfühlen, auch um auf der Bühne eine gute Show abzuliefern, was ja im Sinne des Publikums ist.

Ein Blick in Ihr Büro: Ihr alter Hockeyschläger von den Olympischen Spielen in Barcelona hängt an der Wand, aber keine Gitarre oder so. Gibt es hier irgendetwas von einem Star?

Wir haben hier ein Buch, in das sich die Künstler eintragen können. Wir legen es Ihnen immer in die Garderobe. Ich glaube, so gut wie alle, die hier waren, haben sich dort eingetragen, manche sogar mehrfach. Immer freundlich, immer nett. Manche geben sich richtig Mühe. Sting, zum Beispiel, hat sich selbst gezeichnet. Mittlerweile sind auch Künstler darin, die schon gar nicht mehr leben: Leonard Cohen, Joe Cocker, Avicii… Es sind schöne Erinnerungen.

Blick in den Hockeypark als Neil Young & Crazy Horse dort spielen. 2014 war’s.
Blick in den Hockeypark als Neil Young & Crazy Horse dort spielen. 2014 war’s. © Lars Heidrich

Zurück zum Hockeypark in Mönchengladbach. Sie sind hier für mindestens 30 Jahre der Pächter, wollen die Stätte sogar kaufen. Warum?

Weil wir noch ganz viele Ideen haben. Wir werden in den nächsten 20 Jahren nicht so weitermachen können wie bisher, allein schon, weil sich der Markt verändern wird, denn die Ansprüche des Publikums werden andere sein. Unsere Ideen möchten wir gerne in einem Haus umsetzen, in dem wir nicht zur Miete wohnen, sondern das uns gehört. Wir stehen in Verhandlungen mit der Stadt, ich hoffe, dass in diesem Jahr endlich eine Entscheidung fällt.

Sting war ihr großer Konzerttraum. Er war drei Mal da, bisher. Wen wünschen Sie sich noch unbedingt hier auf der Bühne?

Neben Sting wollte ich immer gerne ein Konzert mit Paul McCartney veranstalten. Auch das habe ich vor ein paar Jahren in Düsseldorf machen können. Trotzdem: Es gibt noch so viele andere Künstler...

Letzte Frage: Wann steht in Ihrem Wikipedia-Eintrag endlich, dass Sie nicht bloß ein erfolgreicher Sportler waren, sondern der Konzertkönig vom Niederrhein sind?

(lacht) Ach, so einen Wikipedia-Eintrag brauche ich nicht. Wichtig ist mir ein gutes Team und eine gute Gemeinschaft. Zusammen müssen wir mehr richtige als falsche Entscheidungen treffen, dann ist alles gut.

>> INFO: Das Sommer-Programm 2018 im Sparkassen-Park

gibt es in dieser Openair-Saison sechs Konzerte. Das Sommer-Programm im Sparkassen-Park beginnt am Montag, 30. April, mit einer 1Live-Nacht: Robin Schulz, Lost Frequencies, Alle Farben und Moguai wollen das Hockeyfeld in eine Partyzone verwandeln.

Am Mittwoch, 6. Juni, wollen die harten Jungs von Nickelback auf ihrer Europatournee Halt in Mönchengladbach machen. Ein ganz besonderer Abend soll Donnerstag, 14. Juni, werden – wenn The Hollywood Vampires, also Alice Cooper, Johnny Depp und Joe Perry die Bühne neben dem Borussia-Park rocken wollen.

Seit genau 50 Jahren sind die Altrocker von Deep Purple unterwegs, am Sonntag, 8. Juli, dürften sie ihren legendären Rauch auf dem Wasser auch am Niederrhein besingen.

Knapp 150 Millionen verkaufte Tonträger später will Britney Spears am Montag, 13. August, zum ersten Mal in dieser Region live und natürlich in Farbe auftreten. „Britney: Piece of Me“ heißt ihre preisgekrönte Tour. Den diesjährigen Sommer ausläuten möchte der ewige Carlos Santana, der am Mittwoch, 15. August die Freiluftsaison im Sparkassen-Park beschließen wird.

Übrigens, nach dem Sommer kommt irgendwann der Winter. Und dann geht die Party in Mönchengladbach weiter. Zum Beispiel beim Big Air Festival.
Übrigens, nach dem Sommer kommt irgendwann der Winter. Und dann geht die Party in Mönchengladbach weiter. Zum Beispiel beim Big Air Festival. © Ina Fassbender