Am Niederrhein. . Sybille Pattscheck? aus Wesel? Ihren Namen sollten sich Kenner und Käufer merken. Die Meisterschülerin von Ulrich Erben kommt gerade groß raus.
Überraschung! Sybille Pattscheck aus Wesel wurde mit dem „Kunstpreis der Künstler“ ausgezeichnet. Auf der Großen Kunstausstellung NRW in Düsseldorf (28. Januar bis 18. Februar 2018). Herzlichen Glückwunsch, nachträglich.
Jaja, die Meldung ist jetzt auch schon 22 Tage alt, heutzutage eine halbe Ewigkeit – dennoch hallt die Wirkung nach. Denn mal ehrlich: Ihr ganz großes Namensschild am Niederrhein muss sich die Künstlerin erst noch malen, zumindest beim ganz großen Publikum.
Sehr aufmerksame Beobachter der Szene kennen sie doch schon. Zwischen 1980 und 1986 studierte sie an der Kunstakademie in Münster, zuletzt war sie die Meisterschülerin von Ulrich Erben.
Meisterschülerin von Ulrich Erben
Eben! Ulrich Erben, 1940 in Düsseldorf geboren, wohnt in Italien und auf dem Thomashof in Hülm bei Goch. Und schafft es, ganze Orte auf wenige Farben zu reduzieren und darzustellen. Sein Markenzeichen, weltweit bekannt, weltweit anerkannt.
So war es wohl weniger Zufall, dass sich Sybille Pattscheck der Farbmalerei widmete, wenn auch auf eine ganz andere, eigentümliche Weise. Sie betreibt ein uraltes Handwerk: die Wachsmalerei. Oder, wie es in der Fachsprache heißt: die Enkaustik.
Für den Laien klingt das jetzt nach moderner Kunst, in Wirklichkeit ist es aber eine Maltechnik, die schon die alten Griechen und Römer kannten – und im Mittelalter, wie manches andere auch, vorübergehend verschüttgegangen war.
Oft einfarbig, nie eintönig
Besonders sympathisch an Frau Pattscheck ist: Sie ist weder hochnäsig noch weltfremd genug, um ihre Kunst, mindestens aber ihre Technik, selbst zu erklären:
„In meiner Malerei geht es um die Hervorbringung von Licht durch Farbe. Das Medium dafür ist transparentes Wachs, aufgetragen auf Holz-, Glas- oder Plexiglaskörper. Mit breitem Pinsel wird der leicht eingefärbte Wachs in dünnen Schichten aufgetragenen, bis ein Farbkörper entsteht, der aus sich heraus zu leuchten scheint. Den endgültigen Farbeindruck, der vor allem auch durch optische Farbmischung im Auge des Betrachters entsteht, bezeichne ich als die gefundene Farbe.“
Sagt sie, verständlich.
In der ersten Etage des Museum Kunstpalastes ist gerade zu sehen, was bei ihrer Arbeit in ihrem Atelier in Dansweiler bei Pulheim herauskommt. Auf den ersten Blick: farbige Flächen. Mal kleinere, mal größere, hier quadratische, dort rechteckige. Hellviolett. Weiß. Blau-braun. Schwarz-blau. Einfarbig, mehrfarbig – aber vor allem: nie eintönig.
Obacht, der Schein ihrer Bilder trügt, und auch nicht. Je nachdem, von wo man darauf guckt, und wie weit man davon weg ist, wirken sie anders. Manchmal scheint es sogar so, als ob ihre Werke leuchten. Das liegt entscheidend an dem Untergrund, auf dem sie ihren farbigen Wachs pinselt: Acrylglas.
Acrylglas oder: Die Magie des Lichtes
Polymethylmethacrylat, wissen Chemiker, ein thermoplastischer Kunststoff, der eine ziemlich miese Ökobilanz hat, aber auch Magie ausstrahlen kann – weil er transparent, Licht durchlässig ist.
Und ohne Licht, wissen Physiker, gäbe es gar keine Farbe auf dieser Welt – schon gar nicht in den farbintensiven Bildern der Sybille Pattscheck.
So gesehen ist ihre Wachsmalerei eine besondere Form von Lichtkunst. Besonders ästhetisch, irgendwie entrückt. Ihr Mann Freddie Michael Soethout, übrigens ein Niederländer und auch ein Künstler, schwärmte mal: „Diese Arbeiten thematisieren auf malerische Weise die Erfahrung der Leere, des Unbestimmten, der Entgrenzung und Begrenzung.“
Wem das jetzt zu abgefahren, abgehoben oder abgespaced klingt, sollte sich einfach, wie der Autor dieser Zeilen, ein paar Minuten ruhig und still vor ein Werk stellen, zum Beispiel vor jenes ganz in Weiß – und seine Gedanken frei schweifen lassen: Sonne und Himmel, Unendlichkeit und Unsterblichkeit. Unschuld und Reinheit, sind jetzt bloß sechs spontane Notizen, die doch schon ein bisschen in die eigene Seele blicken lassen.
Kurz: Es ist Kunst, die berührt.
In dem Raum, der eigens für die diesjährige Kunstpreisträgerin eingerichtet wurde, hängen insgesamt zwölf Bilder. Vier davon sind bereits mit einem kleinen roten Punkt unterm Werk markiert, also verkauft – vielleicht auch, weil sie für ihre Betrachter erhellend waren.
>> INFO: Acker, Damm und Wattestäbchen - weitere Empfehlungen:
Die Große Kunstausstellung NRW Düsseldorf, kurz und in eigenwilliger Schreibweise: DIE GROSSE, gilt als die größte von Künstlern für Künstler organisierte Ausstellung in Deutschland. Veranstalter ist der Verein zur Veranstaltung von Kunstausstellungen, 1898 in Düsseldorf gegründet.
Auf der alljährlichen Ausstellung im Museum Kunstpalast werden vor allem neue, aber auch ältere Arbeiten von Künstlern aus der Region gezeigt. Diesmal sind rund 350 Arbeiten von etwa 160 vorab ausgewählten Künstlern aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Fotografie, Grafik und neue Medien zu sehen. Erstmals sind mehr Künstlerinnen als Künstler vertreten (83).
Im vergangenen Jahr hatte die Schau mehr als 10 000 Besucher angezogen. Alle Kunstwerke, die in der Ausstellung zu sehen sind, können gekauft werden.
Drei Empfehlungen, zu sehen im großen Raum hinter der Kasse: Die drei Farbfotos von Ralf Janowski aus Krefeld/Kervenheim : Acker - Kevelaer, Jagdhochstand - Stenden und Wettener Busch - Kevelaer. Minimalistisch, Niederrhein pur. Die rosaweiße Skulptur aus Wattestäbchen von Ulrike Walthemate aus Hünxe/Wesel. Irre akribisch, herrlich verrückt. Das schwarzweiße Foto „Ruhrgebiet, Ruhrdamm in Duisburg“ von Altmeister Walter Vogel von 1956. Nostalgisch, düster, doch schön.
>> DEMNÄCHST: Sybille Pattscheck in Wesel
Es wird für sie wohl eine Art Heimspiel werden. Im Sommer wird die ausgezeichnete Künstlerin Sybille Pattscheck auf Einladung des Niederrheinischen Kunstvereines in ihre Geburtsstadt zurückkehren. Gemeinsam mit ihrem Mann Freddie Michael Soethout, der ebenfalls als Künstler arbeitet, wird sie in der Galerie im Centrum, Ritterstraße 12 - 14, ausstellen. Titel: Stromland. Sie wird ihre farbigen Werkflächen aus Wachs, durch die das Licht strömt, zeigen. Er wird mit seinen Raum- und Wandobjekten vor Ort sein. Die Schau wird täglich zwischen dem 10. Juni und dem 22. Juli 2018 geöffnet sein, zwischen 10.30 Uhr und 18.30 Uhr, außer montags.
Mehr Infos gibt es im Internet: niederrheinischer-kunstverein.de