Am Niederrhein. . Die Tiere für alle Probleme im Wald und auf den Wiesen verantwortlich zu machen wäre aber eine große Sauerei.
Es gibt zu viele Wildschweine bei uns. Wer sie allerdings für die Afrikanische Schweinepest (ASP) verantwortlich macht, betreibt Etikettenschwindel.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Wildschweinbestand gerade in den letzten Jahrzehnten auch in Deutschland explosionsartig in die Höhe gegangen ist. Das haben Wildtierforscher längst anhand von Erhebungen belegen können.
Die fidelen Schwarzkittel sind auch in den Kreisen Wesel und Kleve weiter auf dem Vormarsch. Davon können sachkundige Jäger, Förster, Waldbesitzer, Bauern, Biologen und Naturschützer ein Liedchen singen.
Doch im vielstimmigen Chor der Frischluft-Freunde sind gewisse Dissonanzen nicht zu überhören. Klar ist, dass zu viele der wilden Borstentiere signifikante Schäden anrichten können. Das gilt für landwirtschaftlich genutzte Flächen ebenso wie für naturnahe Biotoptypen.
Die Wildsau frisst für ihr Leben gern; zudem ist sie mit einer vorzüglichen Schnüffelnase ausgestattet. Als Allesfresser kann sie ihr Riechorgan auch überall reinstecken. Denn: Die Nase ist knochenhart und daher bestens geeignet, selbst gefrorene Böden damit umzuwühlen; wie mit einer Schüppe. Nach einem ausgedehnten nächtlichen Fressorgien-Rottenauftritt sehen die genutzten Areale arg lädiert aus.
Naturnahe Gebiete könnten dies verkraften, wenn es nicht heute diese Menge an Wildschweinen gäbe. Seit den 1960er Jahren ist der Bestand nämlich um ein Vielfaches gestiegen.
Und woran liegt das? Vor allem an einer verfehlten europäischen Landwirtschaftspolitik, die auch den großflächigen Mais- und Rapsanbau für Biogas und Biosprit subventioniert. Das treibt Sau, Reh und Rothirsch natürlich zunehmend aus den Büschen.
Schließlich sind unsere Äcker, Feld und Flur mittlerweile zu jeder Jahreszeit reichlich gedeckt. Nicht zuletzt, weil sie häufig sehr gut gedüngt sind. Und die Populationen des Schalenwildes nehmen weiter zu. Natürliche Prädatoren wie Wolf und Luchs, die die Bestände in Schach halten könnten, haben am unteren Niederrhein noch keinen Fuß gefasst. Ob dies jemals möglich ist, liegt vorrangig an den störungsempfindlichen Raubtieren selbst. Sind unsere mit vielen Straßen zerschnittenen urbanen Lebensräume für diese Pfotenpirscher und Langstreckenläufer überhaupt noch für den nächtlichen Beutezug geeignet?
Hinzu kommt, dass natürlich auch die hiesigen Menschen dann die tierischen Neubewohner akzeptieren müssten. Dies ist aber bestenfalls Zukunftsmusik.
Doch mit dem Massenauftreten der Wildschweine werden die Jäger alleine gelassen. Obwohl sie nicht die Verursacher sind. Groteskerweise nehmen ausgerechnet Bauernfunktionäre und Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) die Waidmänner in die Pflicht, möglichst umgehend 70 Prozent der Wildschweine zur Strecke zu bringen. Der Glyphosat-Beschleuniger aus Bayern und seine Gefolgschaft wollen so die hochansteckende Afrikanische Schweinepest (ASP) aufhalten.
Das ist schlichtweg fehlgeleiteter politischer Aktionismus. Ein Ablenkungsmanöver, bei dem man nicht die Hauptursachen wie die intensive Massen-Schweinezucht und die transportbedingte Krankheitsverbreitung in den Fokus rückt. Deutschland ist auch Exportweltmeister bei Schweinefleisch. Insbesondere durch die Massentierhaltung würden Milliardenschäden entstehen, wenn ASP in die Ställe einziehen sollte. Hunderttausende Schweine müssten gekeult werden. Dieses wäre natürlich bitter traurig; rechtfertigt aber noch lange nicht, die Wildschweine dafür verantwortlich zu machen.
Fakt ist: Seit mehr als vier Jahren erkranken in Russland, Polen und im Baltikum Wild- und Hausschweine an der Afrikanischen Schweinepest. In Osteuropa breitet sie sich weiter aus. Die „neue Killerseuche“ ist noch ansteckender als die Schweinepesterreger vergangener Jahre.
ASP ist nicht übertragbar auf uns Menschen; auch nicht, wenn man Fleisch so eines infizierten Tieres gegessen haben sollte.
Virologen renommiertester Institute glauben, dass ASP auch in unsere Region kommen wird. Durch Reisende und Transportunternehmen sei dies viel schneller bei uns, als das durch Wildschweine geschehen könne. Wildschweine sind nämlich standorttreu und wandern schon gar nicht große Strecken. Zudem sterben die infizierten Schwartenträger ziemlich schnell an ASP.
>> INFO Im Diersfordter Wald Wilschweine gucken
Wildschweine gibt es natürlich in ziemlich jedem Tierpark – aber in der Natur sind sie am schönsten zu beobachten. Zum Beispiel im 350 Hektar großen Wildgatter des Diersfordter Waldes bei Wesel. Mit etwas Glück und Geduld kann man die scheuen Tiere aus Aussichtshütten heraus beobachten. Parkplatz und Zugang: Emmericher/Diersfordter Straße (B8/L480).