Am Niederrhein. . Im Sinne der Beschäftigen der Diebels-Brauerei in Issum ist zu hoffen, dass der neue Investor nicht die alten Fehler wiederholt. Eine Analyse.
Die Wertschätzung von Diebels Alt ist Woche für Woche in den Werbeprospekten der Getränke- und Supermärkte nachzulesen. Da wird dann schon mal eine 20er Kiste Bier für 8,99 Euro verramscht. Das entspricht einem Literpreis von unter einem Euro. In einem Wort: Achteuroneunundneunzig. Für ein so genanntes Premium-Produkt. Verrückte Wirtschaftswelt.
Es gab mal Zeiten, die gar nicht sooo lange her sind, da spielte die Brauerei aus Issum in der Bundesliga. Von 1994 bis 1997 trugen die Fußballprofis von Borussia Mönchengladbach den Schriftzug der traditionsreichen Marke auf den Trikots. Es war die Zeit, als direkt vor der ARD-Sportschau der Reklamespot „Welch ein Tag“ lief. Das kostete zwar Unsummen an Geld, aber bitte, damals floss der Altbier vom Niederrhein tatsächlich in Strömen.
2001 wurden am Stammsitz jährlich bis zu 1,6 Millionen Hektoliter Altbier hergestellt. Der Höhepunkt der Produktion. Vor zwei Jahren sollen nur noch rund 350 000 Hektoliter ausgestoßen worden sein. Mit Zahlen hält sich der Braukonzern Anheuser-Busch InBev Deutschland zurück. Ganz genau möchte man diesen Niedergang als gestandener Altbiertrinker vielleicht auch gar wissen.
Tradition seit 1878
Hoffnung auf Besserung machte in der vergangenen Woche die Ankündigung, die Diebels-Brauerei werde zusammen mit Hasseröder aus Wernigerode verkauft – an den hessischen Finanzinvestor CK Corporate Finance. Spätestens bis Mitte des Jahres soll das Geschäft abgeschlossen sein, heißt es in einer Pressemitteilung des Noch-Besitzers, die genauso schlank daherkommt wie eine Longneck-Flasche. Immerhin könnte es das Ende eines Missverständnisses sein.
Ein Rückblick: Auf dem Zenit endete die 123-jährige Geschichte eines der bekanntesten Familienunternehmen in der Region. Die Nachfahren des Firmengründers Josef Diebels, einem Metzgersohn aus Krefeld, verkauften im Jahr 2001 ihre Anteile. Angeblich für rund 100 Millionen Euro.
Käufer war die Interbrew-Gruppe mit Sitz im belgischen Leuven. Mittlerweile ist aus dem Brauriesen ein Globalplayer geworden: Anheuser-Busch InBev, gemessen am Absatzvolumen der größte Brauerei-Konzern der Welt. Darin soll Diebels Alt eine von 500 Marken in mehr als 140 Ländern sein, die weltweite Bierproduktion soll mehr als 400 Millionen Hektoliter betragen. So gesehen ist Diebels Alt: eine ganz kleine Nummer.
Andererseits: In Deutschland gilt Diebels nach wie vor als Marktführer beim Altbier. Man sollte die Marke also nicht schlechter als reden, als sie tatsächlich ist.
Fest zu stehen scheint jedoch, weit über die Grenzen von Issum hinaus: Diebels, übrigens seit einigen Jahren ohne die Bezeichnung Alt auf dem Flaschenetikett, wurde in den vergangenen Jahren viel zu wenig und schlicht falsch gepflegt.
Anders als etwa die Konkurrenz aus der Nachbarschaft: Bolten in Korschenbroich, nach eigenen Angaben die älteste Altbierbrauerei der Welt – und seit Jahren, auch dank bodenständig-witziger Werbung, mit steigendem Absatz, auch im Diebels-Kernland.
Im Altbierdorf Issum hingegen wurden in den vergangenen 17 Jahren mehrere Fehler mit negativer Nachhaltigkeit begangen. Zum Beispiel als der Vertrieb und das Marketing vom Niederrhein nach Bremen ausgelagert wurden. Seither fehlen wirklich ortskundige Verkäufer, die Diebels Alt nicht bloß als ein kupferbraunes Hopfen-und-Malz-Getränk mit einem Alkoholgehalt von 4,9 Prozent schmackhaft machen wollen, sondern auch als ein regionales Lebensgefühl: als eine niederrheinische Spezialität.
Aufbruchstimmung im Altbierdorf
Bier braucht Heimat. So lautet ein alter Werbespruch der Brauerei-Industrie in Deutschland. Hier gibt es rund 1400 Braustätten. Die Konkurrenz ist riesig, der Kampf um Marktanteile brutal. Hinzu kommt: Der Konsum von Bier im Allgemeinen und Altbier im Besonderen sinkt. Und Alt, das muss man wissen, macht sowieso bloß weniger als 0,8 Prozent des Marktes aus.
Nun also: Daniel Deistler von CK Corporate Finance. Vergangene Woche war er im Altbierdorf, verbreitete Aufbruchstimmung, will niemanden entlassen, eventuell sogar neu einstellen. Ja, er ist unerfahren in der Bierbranche. Ja, er besitzt wohl nicht genug Eigenkapital, muss sich wohl Geld leihen. Dennoch bedeutet er für 215 Beschäftige: Hoffnung – vorerst.