Am Niederrhein. . Der ehemalige Lehrer und Lektor Ulrich Schwarz hat seinen Debütroman verfasst. Es handelt von der Fluchtgeschichte zwei seiner Deutschschüler.
Ulrich Schwarz hat ein Buch geschrieben, sein erstes. Darin erzählt der 63-Jährige von der Flucht zweier junger Männer aus dem kleinen afrikanischen Land Eritrea bis zu ihrer Ankunft in Deutschland und ihren Versuchen, am Niederrhein Fuß zu fassen. Ein Gespräch mit dem in Kevelaer lebenden, gebürtigen Aschaffenburger über seine Motivation und Wünsche.
Herr Schwarz, was hat Sie an den Niederrhein geführt?
Ich habe nach dem Studium der Germanistik, Katholischen Theologie und Philosophie in Würzburg und Tübingen auf dem Höhepunkt der so genannten Lehrerschwemme 1984 zunächst keine Stelle als Lehrer gefunden und schließlich ein Angebot als Verlagslektor in Kevelaer angenommen. Nach verschiedenen anderen Stationen in Frankfurt am Main sowie im Schwarzwald und Tätigkeiten als Lektor und Lehrer kamen wir 1999 zurück nach Kevelaer.
Wie ist Ihr Interesse für das Thema Flüchtlinge entstanden?
Als das letzte unserer drei Kinder ausgezogen ist, habe ich nach einer anderen Beschäftigung gesucht und unter anderem in Deutschkursen für Flüchtlinge gefunden. Seit drei Jahren unterrichte ich zweimal pro Woche ehrenamtlich bei der Caritas in Kevelaer und versuche auch sonst, den zu uns geflohenen Menschen im Alltag zu helfen.
Und daraus ist die Idee entstanden, ein Buch über die Schicksale ihrer Schüler zu schreiben?
Es war zunächst Neugier über die Fluchtursachen dieser Menschen. Mehr als der durchschnittlich interessierte deutsche Medienkonsument wusste ich damals auch nicht: Eritrea ist ein kleineres Land am Roten Meer, hat gegen das viel größere Nachbarland Äthiopien Krieg geführt und gilt als die strengste Diktatur auf dem afrikanischen Kontinent.
Und die Idee für das Buch?
Als dann 2015 die große Flüchtlingswelle einsetzte, ging es plötzlich nur noch um Zahlen – von Schutzsuchenden, von Ertrunkenen, von Asylanträgen. Ich wollte in die Vermittlerrolle und diesen Menschen meine Stimme hier leihen. Denn nur wenn man Einzelschicksale erfährt und die Fluchtursachen versteht, entwickelt man Verständnis für die Gesamtsituation. Ich habe aber keine Reportage geschrieben, sondern einen gründlich recherchierten und authentischen Tatsachenroman.
Wer sind die Protagonisten?
Das sind zwei fleißige Schüler von mir, die schließlich bereit waren, mir ihre Geschichten zu erzählen. Am Anfang auf Englisch, nach und nach aber immer mehr auf Deutsch.
Wie könnte man deren Geschichte kurz zusammenfassen?
Haile entschließt sich zur Flucht, um den Schrecken der Diktatur in Eritrea zu entkommen. Schweren Herzens muss er seine Frau Senait und seinen kleinen Sohn zurücklassen. Hailes Freund Menasse macht sich ebenfalls auf den langen und lebensgefährlichen Weg durch die Wüste und die Seenot auf dem Mittelmeer. Lediglich die Figur der traumatisierten Ksanet ist von mir aus mehreren Erzählungen von Frauen aus meinen Kursen entwickelt. Als Lektor weiß ich: Ein guter Roman sollte auch eine weibliche Protagonistin haben.
Auf die Anwesenheit bei Ihrer Buchpräsentation in Kevelaer haben die beiden Männer verzichtet. Zudem sind die Namen im Buch nicht ihre echten – warum?
Die beiden sind mittlerweile gut integriert und wollten hier nicht im Mittelpunkt stehen. Und ich habe Pseudonyme gewählt, weil ich mit ihren Geschichten keinen öffentlichen Druck auf Behörden ausüben möchte, sondern auf zwei Schicksale aufmerksam machen, die stellvertretend für viele Tausende stehen.
Sie machen der Politik keinen Vorwurf, obwohl Senait in Addis Abeba in Äthiopien immer noch auf den eigentlich bewilligten Nachzug zu ihrem Mann, einem anerkannten Flüchtling, wartet?
Die Situation ist sicherlich nicht nur mit einem „Wir schaffen das“ zu bewältigen. Sehr häufig ist das Personal wie in der Deutschen Botschaft in Äthiopien nicht ausreichend. Hinzu kommen technische Probleme und ständig neue Vorschriften. Trotzdem kann man hier helfen.
Was wünschen Sie sich, mit ihrem Buch zu erreichen?
Ich wünsche mir mehr Offenheit und Verständnis für die Situation und Schicksale von Migranten in Deutschland.
Werden Sie weitere Bücher schreiben?
Ich habe Ideen, schaun mer mal. . .
>>INFO<<
2000 Exemplare als „Paperback“ und 250 als „Hardcover“ hat Tilman Schwarz, Start-up-Unternehmer und Sohn des Autors, von „Lasst Senait nicht warten“ drucken lassen und dafür extra einen Verlag gegründet. 1000 Bücher hat bereits der Caritas-Verband Münster bestellt.
„Nach der Lektüre als einer der Erstleser war für mich klar, dass das Buch jeder gelesen haben sollte, der sich mit der Thematik auseinandersetzt und mitreden möchte“, sagt der 29-Jährige Nachwuchs-Verleger.
„Wir wollten nicht viele Monate auf ein Feedback von Verlagen warten, um dann vielleicht irgendwo ganz klein und ohne Aufmerksamkeit unterzukommen“, so Ulrich Schwarz und ergänzt lächelnd. „Im Verlag meines Sohnes bin ich die Nummer eins.“