Kamp-Lintfort. . Gespräch mit Geschäftsführer Peter Bollig über Bürgerproteste und Kritik des Steuerzahlerbundes am Abfallentsorgungszentrum in Kamp-Lintfort.
Schon von weitem ist er sichtbar, der 200 Meter hohe Schornstein der Müllverbrennungsanlage Asdonkshof. Wenn es daraus raucht, ist das auch ein gutes Zeichen – denn dann wird hier Geld verdient, mal mehr, mal weniger, je nach Lage auf dem Müllmarkt. Der Bau Mitte der 1990er Jahre wurde für die Bürger im Kreis Wesel im Nachhinein sehr viel teurer, als ursprünglich gedacht. Bezahlt wird die Errichtung der Anlage über die Müllgebühren. Das soll sich, wenn alles nach Plan läuft, in fünf Jahren ändern. Ein Gespräch mit Peter Bollig, Geschäftsführer der Kreis Weseler Abfallgesellschaft, die das Abfallentsorgungszentrum betreibt.
NRZ: In den 1980er Jahren warnte Landesumweltminister Klaus Matthiesen vor einem Müllnotstand. Daraufhin wurden in NRW viele Müllverbrennungsanlagen gebaut. Vom Müllnotstand ist längst keine Rede mehr. Rückblickend betrachtet: War der Bau der Anlage Asdonkshof dennoch richtig?
Peter Bollig: Ja!
NRZ: Als Geschäftsführer der Kreis Weseler Abfallgesellschaft müssen Sie das jetzt sagen.
Peter Bollig: Nein, nicht unbedingt. Bei der Planung und beim Bau der Anlage war ich noch nicht dabei. Damals folgte die Landesregierung mehreren Gutachten, in denen die Müllentsorgung als Problem dargestellt wurde. Der Bau des Abfallentsorgungszentrum Asdonkshof galt als Teil einer Lösung. Das abfallwirtschaftliche Konzept der Kreis Weseler Abfallgesellschaft war gut und ist immer noch richtig.
NRZ: 2016 wurden 88.000 Tonnen Haus- und Sperrmüll aus Privathaushalten im Kreis Wesel zum Asdonkshof geliefert. Tendenz stetig fallend.
Peter Bollig: Das ist grundsätzlich richtig – mit Ausnahme des vergangenen Jahres. Starkregenereignisse in Hamminkeln und Sonsbeck führten zu 1000 Tonnen mehr an Sperrmüll und auch die mehrere tausend Flüchtlinge, die der Kreis Wesel aufgenommen hat, machen sich in der Statistik bemerkbar. Abgesehen davon: Die langfristige Reduzierung der Mengen beim Haus- und Sperrmüll hat vor allem damit zu tun, dass Biomüll, Grünschnitt, Glas, Papier und Verpackungsmaterial getrennt gesammelt werden. Doch auch diese Abfälle müssen umweltgerecht behandelt werden. Genau das machen wir im Abfallentsorgungszentrum in Kamp-Lintfort.
Großer Protest gegen den Bau der Anlage
NRZ: Gegen den Bau der Anlage wurde zum Teil massiv protestiert. Daraufhin wurde der Asdonkshof zu einem der modernsten und saubersten Abfallentsorgungszentren in Deutschland. War der Widerstand also gut?
Peter Bollig: Die Anlage wurde in einem Planfeststellungsverfahren gebaut, sie ist also ein Kompromiss zwischen Politik, Bürgerinitiativen und Behörden. Ohne Zweifel wurde hier mit Blick auf die größte Sicherheit und die höchsten Umweltstandards gebaut. Dazu gehören eine eingehauste Entladehalle, ein 200 Meter hoher Schornstein und eine überdurchschnittlich arbeitende Rauchgasreinigung. Damals wurde entschieden, Abfall biologisch und thermisch zu behandeln sowie zu sortieren. Alle drei Arten sind immer noch aktuell. Das zeigt, wie fortschrittlich das Konzept schon war. Im Kreis Wesel wurde eben nicht nur eine Müllverbrennungsanlage gebaut.
NRZ: Aber viele Bürger sehen den Asdonkshof auch nach 20 Jahren immer noch bloß als eine Müllverbrennungsanlage an, oder?
Peter Bollig: Das ist ein Stück weit normal, weil unser Kamin schon von weitem sichtbar ist und sofort mit der Müllverbrennung in Verbindung gebracht wird. Unser Kompostwerk und unsere Sortieranlage dagegen sind von außen kaum zu sehen. Andererseits ist das Interesse an der Anlage ungebrochen, mehr als 2.000 Bürger nehmen jedes Jahr an unseren Besucherführungen teil. Auf diesem Weg, beim Tag der offenen Tür und immer mehr über die sozialen Netzwerke erklären wir, dass wir jährlich rund 35.000 Tonnen Papier, 10.000 Tonnen Holz, 6.000 Tonnen Metalle und 2.500 Tonnen Alttextilien der Wiederverwertung zuführen sowie 90 Millionen Kilowattstunden Öko-Strom und 108 Millionen Kilowattstunden Fernwärme produzieren.
Plötzlich ändert die Landesregierung das Abfallgesetz
NRZ: Asdonkshof wurde zwischen 1994 und 1997 für die Entsorgung des Haus- und Gewerbemülls im Kreis Wesel gebaut. 1996 änderte sich plötzlich das Abfallgesetz. Seitdem kann das Gewerbe seinen Müll auch anderswo entsorgen. Fühlen Sie sich von der Politik im Stich gelassen?
Peter Bollig: Ich weiß von älteren Kollegen und Beteiligten, dass es dieses Gefühl im Kreis Wesel gegenüber der Landesregierung gab. Quasi über Nacht fiel rund die Hälfte des Abfalls weg, für den die Anlage gebaut wurde. Und damit fiel das wirtschaftliche Konzept für den Betrieb wie ein Kartenhaus in sich zusammen – mit Auswirkungen bis heute. Ursprünglich sollte der Bau der Anlage von den Bürgern und vom Gewerbe im Kreis Wesel finanziert werden. Seitdem bezahlen vor allem die Bürger über ihre Müllgebühren.
NRZ: Apropos, alle Jahre wieder beklagt der Bund der Steuerzahler die hohen Müllgebühren im Kreis Wesel. Grund: der Asdonkshof. Und alle Jahre wieder erklären Sie die hohen Kosten – wegen der hohen Qualität der Anlage und der zwischenzeitlichen Änderung der Geschäftsgrundlage. Wann sinken denn endlich die Müllgebühren?
Peter Bollig: Schon seit mehr als 15 Jahren halten wir die Müllgebühren im Kreis Wesel stabil. Das schaffen wir, weil wir gut wirtschaften. Neben dem Hausmüll aus dem Kreis Wesel verbrennen wir auch Gewerbemüll, vor allem aus Nordrhein-Westfalen. Die Erlöse, die wir dadurch erzielen, fließen in die Gebührenrücklage des Kreises Wesel, kommen also direkt den Bürgern zugute. Gleiches passiert mit allen anderen Erlösen, die wir durch den Verkauf von Energie und Rohstoffen gewinnen. Und wenn die Anlage im Jahre 2021 weitgehend abgeschrieben und das Darlehen getilgt ist, werden die Betriebskosten spürbar sinken. Um wie viel genau, vermag ich aber jetzt noch nicht vorherzusagen.
Die Kölner Müllaffäre – Urteile in Kamp-Lintfort
NRZ: Noch ein Blick zurück auf die Kölner Müllaffäre 2002. Auch der Asdonkshof geriet in die Schlagzeilen, es gab Anklagen und Prozesse wegen Bestechung und Vorteilsnahme. Die beiden Bauunternehmer Holstein wurden verurteilt, ihr Vorgänger Hans-Joachim Haustein wurde freigesprochen, jedoch vom Kreis Wesel suspendiert. Wurde er eigentlich zum Jubiläum eingeladen?
Peter Bollig: Seit seiner Freistellung im Jahre 2003 hat er mit der Abfallwirtschaft im Kreis Wesel nichts mehr zu tun. Über die juristische Beurteilung des Falles hinaus kann ich nur sehr wenig über den Menschen Hans-Joachim Haustein sagen, weil ich ihn dafür zu wenig kennen gelernt habe. Was ich oft gehört habe: Ohne seinen Willen hätte es die Anlage Asdonkshof wohl nie gegeben.
NRZ: Am Niederrhein gibt es drei Müllverbrennungsanlagen: in Oberhausen, Krefeld und Kamp-Lintfort. Was unterscheidet die Anlage Asdonkshof von denen in Buschhausen und am Elfrather See?
Peter Bollig: Wir sind nicht nur eine Müllverbrennungsanlage, sondern ein Abfallentsorgungszentrum, das ist unser Alleinstellungsmerkmal weit über den Niederrhein hinaus. Weder in Oberhausen, noch in Krefeld gibt es eine Biomüll-Sortierung. Den beiden Anlagen fehlt auch eine Deponie, die ein Teil unseres Betriebsgeländes ist. Wir haben den Vorteil, die Schlacke, die bei der Müllverbrennung anfällt, dort direkt sicher zu lagern. Im Sinne des Umweltschutz sind wir mit unseren Aktivkoksfiltern und der Rauchgaswäsche sehr gut aufgestellt, aber auch an den anderen Standorten werden die gesetzlichen Grenzwerte unterschritten. Letztlich steht in Kamp-Lintfort die jüngste der drei Anlagen, ein so ausgebautes Abfallentsorgungszentrum gibt es in ganz Deutschland nur noch, mit einigen Abstrichen, in Augsburg.
Mülltourismus: Abfall aus Italien
NRZ: In Oberhausen werden pro Jahr rund 700.000 Tonnen Müll verbrannt, in Krefeld etwa 350.000 Tonnen, in Kamp-Lintfort knapp 270.000 Tonnen. Gibt es zu viele Anlagen am Niederrhein?
Peter Bollig: Die Frage ist ein Dauerthema, kommt immer dann auf, wenn die Preise für Haus- oder Gewerbemüll sinken – ein Zeichen dafür, dass auf dem Markt nach Müll gesucht wird. Asdonkshof wird mit zwei Verbrennungslinien betrieben und war in den 15 Jahren, in denen ich nun hier bin, immer ausgelastet. Sinkende Preise hatten nie zur Folge, dass wir Auslastungsprobleme hatten. Wir haben dann leider nur weniger Geld verdient. Bei der Diskussion sollte berücksichtigt werden: In Nordrhein-Westfalen fallen jährlich bis zu vier Millionen Tonnen an Hausmüll an. Die Kapazität aller Müllverbrennungsanlagen hierzulande beträgt etwas über sechs Millionen Tonnen. Wer jetzt von einer Überkapazität spricht, vergisst die ganz erhebliche Menge an Gewerbemüll, der in einem Industrieland wie NRW anfällt und ebenfalls umweltgerecht entsorgt werden muss.
NRZ: Damit sich die Müllverbrennungsanlage rechnet, muss die Anlage voll ausgelastet sein. Allein der Hausmüll aus dem Kreis Wesel reicht nicht. Von woher kommt der Abfall nach Kamp-Lintfort?
Peter Bollig: Die größte Menge unseres Mülls kommt aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf, rund 80 Prozent. Hier ist insbesondere unser ehemaliger Mitgesellschafter Schönmakers in Kempen zu nennen, der nach wie vor unser größter Lieferant für Gewerbeabfälle ist. Die restlichen 20 Prozent akquirieren wir in Nordrhein-Westfalen oder auch darüber hinaus in ganz Deutschland. Hinzu kommen im Moment zwischen 500 und 1000 Tonnen aus dem Ausland, vornehmlich aus den Beneluxländern. Einen ganz alten Kunden haben wir in Irland, der seinen Müll mit Seecontainern zu uns bringen lässt.
NRZ: Stichwort Mülltourismus. Der berühmt-berüchtigte Italien-Müll aus Neapel hängt Ihnen immer noch nach, oder?
Peter Bollig: Das mag so sein. Dabei wird gerne der Hintergrund vergessen. 2008 bat die Landesregierung die Entsorgungsbranche um Hilfe, weil in Italien der Müllnotstand ausgerufen wurde. Damals haben wir geholfen und knapp 1500 Tonnen Hausmüll angenommen. Auch, weil der Preis stimmte, das heißt wir haben daran verdient. Wir hatten also nicht den Eindruck, etwas falsch gemacht zu haben. Ärgerlich war natürlich das Geruchsproblem, das wir lösen konnten, indem die Züge unseren Gleisanschluss nutzen und direkt zu unserer Anlage durchfahren konnten. Grundsätzlich kann man sich natürlich fragen, warum ein Land wie Italien seinen Müll nicht selbst entsorgen kann? Eine Antwort hat bislang noch keine Regierung oder die EU-Kommission geben können. Übrigens, zur Zeit wird Müll aus Italien im großen Mengen nach Holland verschifft.
Zweckverband Kreis Viersen und Kreis Wesel
NRZ: Wer auf der A57 am Asdonkshof vorbeifährt, kann sehen, wie die Hügel auf dem Deponiegelände langsam aber stetig wachsen. Wohin soll das führen?
Peter Bollig: Wichtig festzuhalten ist, dass unsere Deponie der Klasse II zugerechnet wird. Sie ist keine Sondermülldeponie, wie zum Beispiel in Hünxe oder Eyller Berg in Kamp-Lintfort. Das komplette Gelände ist abgedichtet und das Sickerwasser wird erfasst, um zu garantieren, dass kein Material in den Boden und ins Grundwasser gelangt. Für unsere Anlage bietet die Deponie eine Betriebssicherheit, weil wir dort die Schlacke aus der Verbrennung lagern können, wenn sie nicht wirtschaftlich verwertet werden können. Für den Bürger bedeutet die Deponie eine Gebührensicherheit, denn über die Vermarktung lassen sich auch Erlöse generieren. Das werden wir sehr behutsam machen. Die volle Ausnutzung der Deponie, werden wir wohl alle nicht mehr erleben.
NRZ: 2016 gründeten die Kreise Viersen und Wesel einen Zweckverband, um ab 2021 gemeinsam die Bioabfälle zu verwerten. Ein Vorbild für eine weitere Zusammenarbeit, zum Beispiel zwischen den Kreisen Kleve und Wesel, die allein räumlich nahe liegt?
Peter Bollig: Die Zusammenarbeit beim Bioabfall ergab sich für uns, weil mittlerweile elf von 13 Kommunen im Kreis Wesel an die Biotonne angeschlossen sind und wir einen Erweiterungsbedarf bei unserer Kompostanlage absehen können. Auch im Kreis Viersen sollte die Bioabfallverwertung neu aufgestellt werden. Zwischen beiden Partnern passte es. Wenn alles nach Plan läuft, werden wir eine neu gebaute Bioabfallverwertungsanlage auf dem Gelände des Abfallentsorgungszentrums Asdonkhof haben. Wie bisher auch schon werden wir den Landwirten und Bürgern qualitativ hochwertigen Biokompost anbieten können. Neu wird sein, dass wir das dabei anfallende Biogas nutzen und vermarkten können. Ob dies ein Vorbild für eine andere interkommunale Zusammenarbeit sein kann, muss man im Einzelfall sehen.
>> INFO Party:
Umsonst und draußen: Am Samstag, 16. September, ab 17.30 Uhr auf dem Gelände des AEZ Asdonkshof, Graftstraße 25, in Kamp-Lintfort. Es spielen die Gruppen Meine Zeit (18 Uhr), Glam Bam (19.30 Uhr) und Zauberlehrling (21.45 Uhr). Essen und Trinken gibt es aus Food Trucks heraus.
>> INFO Service:
Abfallberatung: Bürger im Kreis Wesel können Abfälle, die nicht in die Mülltonnen zuhause gehören, zum Asdonkshof liefern (gebührenpflichtig). Mo-fr 7-18 Uhr, sa 7-13 Uhr. Kontakt: Beate Hein: 02842/940-250 und Elke Ismael: 02842/ 940-150.
Kompost: Bürger aus dem Kreis Wesel können sich zu den Öffnungszeiten kostenlos Kompost am Asdonkshof abholen.
Besuch: Bei Interesse an einer kostenfreien Führung durch den Betrieb bei Öffentlichkeitsarbeiterin Cornelia Bothen melden: 02842/940-270 oder per Mail: bothen@aez-asdonkshof.de.
Weitere Infos zum Abfallentsorgungszentrum Asdonkshof unter www.aez-asdonkshof.de