Am Niederrhein. . „Auf dem Mars“ haben Naturschützer eine heile Bilderbuchwelt vom typisch niederrheinischen Landleben geschaffen. Zu schön, um wahr zu sein?
Hereinspaziert: in die Arena der kleinen Naturwunder am Wegesrand. Unmittelbar am Deich von Bislich, dem malerischen Rheindorf bei Wesel. Da wo noch einige Schafe, Rinder, Kühe, Pferde, Esel, Hühner und Hausgänse ein beschauliches Tierleben auf den Weiden und Deichabschnitten an einigen Bauerhöfen voll auskosten dürfen.
Insbesondere die vielen Spaziergänger und Radfahrer auf den Deichen müssen sich doch manchmal bei diesen Anblicken in ihre Kindheit versetzt fühlen. Solch Augenschmaus ist ganz selten geworden. Und eigentlich nur die älteren Passanten können sich daran noch erinnern.
Aber: Solche Bilder einer vermeintlich landwirtschaftlich geprägten Idylle kann man in Bislich erfreulicherweise noch sehen. Heile Welt und Sonnenschein; erlebenswert wie in Kinderbüchern vom bäuerlichen Landleben. Zu schön, um wahr zu sein.
40 Jahre NABU im Kreis Wesel
Natürlich sind auch hier die meisten Bauern der desaströsen EU-Landwirtschaftspolitik ausgeliefert. Und die ist bekanntermaßen alles andere als naturverträglich. Ganz anders als an der Straße „Auf dem Mars“. Hier hat die Kreisgruppe Wesel im Naturschutzbund Deutschland (NABU), gegründet 1977, ein Kleinod geschaffen. Auf knapp einem Hektar Fläche gibt es verschiedene niederrheinische Lebensraumtypen zu bestaunen, die die Naturschützer dort mit schweißtreibender Ausdauer installiert haben.
Allen voran NABU-Vorstandsmitglied Gregor Alms und Johannes Schürmann vom Naturgarten e.V. haben zusammen mit fleißigen Helfern ein kleines Dorado der Artenvielfalt ins Leben gerufen. Und das kann sich sehen, erleben und erkunden lassen.
Einfach hier mal die Seele baumeln lassen und die eigenen Sinne aus dem Alltagsgepäck wieder auskramen: So wird das Hören, Riechen, Gucken und Begreifen zu einem Erlebnis mit manchmal nachhaltiger Wirkung.
Und was kann man erwarten? Eigentlich an jeder Ecke eine kleine Überraschung. Bunte Tagfalter fabrizieren gerne bei Sonnenschein federleichte Tanzflüge über dem blütenprächtigen Schmetterlingsgarten. Sie gehen dort bevorzugt auf Partner- und Nahrungssuche. Metallisch schimmernde Laufkäfer flitzen über Sandwege.
An der großen Insektenwand tummeln sich viele Wildbienen; ein Experte hat dort bereits über 30 Arten festgestellt. Hoch oben im ehemaligen Trafo-Turm brütet seit Jahren erfolgreich ein Turmfalkenpaar. Seine Jungen werden in diesen Tagen ausfliegen. Vor allem jede Menge Mäuse haben die Altvögel auch auf den benachbarten Pferdekoppeln im Rüttelflug erspäht und erbeutet. Die Jungfalken sind in bester Kondition, müssen in der Natur allerdings noch das Beutemachen von ihren Eltern erlernen.
Chemie ? Dünger? – Natur!
Der Autor hat in den letzten beiden Jahren in der NABU-Naturarena Bislich jeweils über 30 Brutvogelarten kartieren können. Eine beachtliche Vielfalt für ein doch eher überschaubares Gelände. Der Hauptgrund dafür dürfte das reichliche Vorkommen vieler Insektenarten sein. Die haben viele unserer Singvögel bekanntermaßen zum Fressen gern. Die angelegte Wallhecke, der verwunschene Käfergarten, die Dachbegrünung auf dem Pavillon, der Beerengarten, der große, beispielhaft beachtenswerte Kräutergarten, die Feuchtwiese, die Todholz- und Steinhaufen, die Ruderalflächen und natürlich auch die naturnahen Teiche sind nicht nur echte Hingucker, sondern auch Anziehungspunkte für viele spezialisierte Tier- und Pflanzenarten. Übrigens: Hase, Igel, Fledermaus, Eule, Marder, Fuchs und Reh sagen sich hier auch gute Nacht. Steinkauz und Fasan haben in der benachbarten Hochstamm-Obstbaumwiese auch dieses Jahr wieder erfolgreich für Nachwuchs gesorgt.
An den Teichen bedienen sich Graureiher, Kormoran, Eisvogel, Flussseeschwalbe und manchmal auch ein Weißstorch. Sollen sie auch. Zudem breiten sich auf dem Areal zunehmend viele Gräser und Blütenpflanzen aus, die andernorts in unserer Landschaft längst den Boden unter den Wurzeln verloren haben.
Kein Wunder, Agrochemie und Kunstdünger sind in der Naturarena bedingungslos verbannt. In den Teichen haben sich Molche und viele Grünfrösche angesiedelt. Zur Paarungszeit stehen Froschkonzerte auf der Tagesordnung. Verschiedene Klein- und Großlibellenarten schmücken in diesen Tagen mit ihren filigranen Gestalten die geeigneten Biotope.
>> INFO: 40 Jahre NABU im Kreis Wesel. Familienfest am 2. Juli
Die NABU-Kreisgruppe Wesel ist mit rund 6 500 Mitgliedern (Stand August 2015) eine der größten und ältesten NABU-Kreisgruppen in der Bundesrepublik. Sie wurde 1977 von einigen Vogelfreunden in Moers gegründet. Da Vogel- und Naturschutz nicht voneinander zu trennen sind, bekam die Gruppe schnell von anderen Naturschützern regen Zulauf.
Am Sonntag, 2. Juli, veranstaltet der NABU sein 40-jähriges Jubiläumsfest in der Naturarena Wesel-Bislich. An der Straße „Auf dem Mars“, unmittelbar in Deichnähe. Ab 11 Uhr sind alle Interessierten herzlich willkommen. Neben vielen Info-Ständen bieten die Naturschützer bis 17 Uhr ein tolles Familienprogramm. Motto: Spaß, Genuss und Natur pur.