Am Niederrhein/Israel. . Denk ich an dich Jerusalem... Eindrücke aus einem zerissenen Land. Jan Heiner Schneider erzählt von seinen Reisen. Fotos von Kornelia Kestin-Furtmann.

Wenn Dr. Jan Heiner Schneider aus dem Fenster schaut, sieht er den Rhein vorbeifließen. Ungehindert rauscht das Wasser durch die Schweiz, Deutschland und die Niederlande ins Meer. Auch die Menschen in diesen Ländern können sich frei von einem Land ins andere bewegen.

Nicht so in Israel. Schneider, emeritierter katholischer Priester in Emmerich, war mehr als dreißig Male dort, mit Studenten, Schülern und Gemeindemitgliedern. Ein Land mit Wüste, Totem Meer – und einer großen Mauer. Am 27. Januar hält Schneider einen Vortrag in Kevelaer über seine Eindrücke aus einem zerrissenen Land.

Herr Schneider, was fasziniert Sie so sehr an Israel?

Israel ist landschaftlich aufregend. Es gibt die Negev-Wüste, das Tote Meer und viele Gegenden, in denen man toll wandern kann. Man findet auch seltsame Dinge, etwa einen Kibbutz in der Wüste, der Fischzucht betreibt. Die Städte haben orientalisches Flair mit westlichem Einschlag. Vor allem aber: Israel ist das Land der Bibel.

Israel bietet enorme Chancen, um miteinander ins Gespräch zu kommen

Jesus hat dort gelebt. Das ist für einen Priester doch sicher sehr spannend?

Natürlich. Man kann die Bibel schwerlich kompetent auslegen, wenn man nie dort gewesen ist. Man versteht die sprachlichen Bilder dann nicht. Auf den Fahrten, die ich geleitet habe, waren aber auch Muslime dabei, evangelische Christen sowieso, auch Menschen ohne Beziehung zur Kirche. In den Bus steigen und den Rosenkranz beten, das war nie unser Ding.

Es geht also um den Dialog?

Israel bietet enorme Chancen, Gespräche zu führen – über die Bibel, die Landschaft, die Politik. Das wird aber oft zu wenig genutzt. Leider ist auch die Gesprächsbereitschaft unter den verschiedenen Religionen und Konfessionen in Israel eher gering.

Zum Vortrag gibt es eine Foto-Dokumentation in der Galerie wortwerk in Kevelaer - mit Fotos von
Zum Vortrag gibt es eine Foto-Dokumentation in der Galerie wortwerk in Kevelaer - mit Fotos von © Kornelia Kestin-Furtmann.

Warum denn?

Einmal gibt es ein Problem mit der Sprache. Ultraorthodoxe Juden sprechen oft nur Hebräisch oder Jiddisch, westliche Christen sprechen weder Hebräisch noch Arabisch, und Griechisch sprechen auch die wenigsten. Sodann will jede Religion sich behaupten und ihren Bereich verteidigen – an den Heiligen Plätzen wie in den verschiedenen Stadtvierteln.

Sollten nicht gerade Christen aufgeschlossen sein?

Ich denke, dass kaum etwas Menschen so sehr bindet wie ihre religiöse Auffassung. Egal, um welche Religion es sich handelt. Eigentlich müsste man von der Richtigkeit seines Glaubens überzeugt sein und trotzdem dem anderen sagen können: Geh du deinen Weg. Toleranz und Demut vor den Überzeugungen der anderen haben es häufig sehr schwer.

Was wollte Jesus? Seine Predigten geben mehr Anlass zum Nachdenken als die Suche nach historischen Orten

Klassische Pilgerfahrten haben Sie also nicht unternommen?

Man kann an der Via Dolorosa in einem arabischen Geschäft große Kreuze leihen und sie in Prozession zur Grabeskirche tragen. Man kann am vermeintlichen Geburtsort Jesu in Tränen ausbrechen. Das ist alles legitim. Ich finde aber die Frage nach dem, was Jesus wollte, spannender und wichtiger. Seine soziale und religiöse Predigt gibt mehr Anlass zum Gespräch und zum Nachdenken als die Suche nach historischen Orten.

In Ihrem Vortrag geht es vor allem um die aktuelle politische Lage in Israel. Wo steht das Land heute?

Die Zerrissenheit resultiert vor allem aus der Siedlungspolitik. Sie belastet das Verhältnis von Israelis und Palästinensern und auch das der Israelis untereinander. Verhängnisvoll wirkt sich der Anspruch der Ultraorthodoxen auf das gelobte Land aus. Man baut Straßen nur für die Siedler und sichert die angeeigneten Gebiete durch unüberwindliche Mauern.

Kleinste Siedlungen wachsen immens schnell. Sie sind bestens mit Wasser versorgt. Orte der Palästinenser dagegen bekommen oft gerade mal zwei Stunden am Tag Trinkwasser. Auf der anderen Seite haben die palästinensischen Selbstmord-Anschläge dazu geführt, dass das Sicherheitsbedürfnis der Israelis ihre Politik und ihren Alltag bestimmt. Es besteht gegenwärtig wenig Hoffnung, dass es zu einer friedlichen Einigung kommt.

Touristen fahren heute eher selten nach Hebron oder Samarien

Dabei gab es doch ‘mal den Friedensnobelpreis für Arafat und Rabin.

Ja, im Jahr 2000 sah es noch anders aus. Man konnte zum Beispiel ohne Angst nach Hebron fahren. Die gezielte Aktion Ariel Scharons auf dem Tempelberg hat im selben Jahr die Zweite Intifada ausgelöst und alle Hoffnungen zerschlagen. Touristen fahren derzeit nur selten nach Hebron oder Samarien.

Vortrag mit Fotos in der Galerie wortwerk in Kevelaer

„Denke ich an dich, Jerusalem... Eindrücke aus einer zerrissenen Stadt” heißt der Lichtbildervortrag, in dem der Emmericher Pfarrer Dr. Jan Heiner Schneider über seine Erlebnisse und Erfahrungen seiner Reisen durch Israel und Palästina berichtet. Termin: Freitag, 27. Januar, um 17.30 Uhr, in der Galerie wort.werk, Busmannstraße 28, in Kevelaer. Eintritt frei. Dazu gibt es Fotografien aus Israel zu sehen von Kornelia Kestin-Furtmann.

Die Foto-Dokumentation wird zu sehen sein bis Mitte März (samstags, 12-16 Uhr). Dazu sind Objekte des Holzbildhauers Frank Merks (Moers) ausgestellt.