Kamp-Lintfort. . Zugegeben: Norbert Büsch backt in seinem Betrieb in Kamp-Lintfort kleinere Brötchen. Doch wichtig ist, was drin steckt, sagt der Brotsommelier.

Der Mann steht gewohnt früh auf, joggt gern und möchte um nix auf der Welt auf sein Frühstücksbrötchen verzichten. Norbert Büsch (53) ist Bäckermeister und hat sich vorgenommen, den Menschen wieder das Brot schmackhaft zu machen.

Sie sind also der fröhliche Bäcker vom Niederrhein!

Norbert Büsch: (schmunzelt) Wenn Sie so wollen: Ja! Aber die fröhliche Bäckerei bin ja nicht nur ich, das sind alle Mitarbeiter: Bäcker, Verkäuferinnen, Fahrer, Reinigungskräfte, alle eben.

Sie haben Ihr Handwerk von der Pike auf gelernt?

Norbert Büsch: Lehre, Ausbildung, Meisterprüfung, der klassische Weg eben. Dann habe ich in den 70er Jahren einen ganz kleinen Betrieb in Kamp-Lintfort übernommen. Und umgekrempelt. Nur eine Verkäuferin, ein Azubi und ich. Und wenn ich in der Backstube fertig war, habe ich oft vorne im Laden mit ausgeholfen.

Warum sind Sie Bäcker geworden?

Norbert Büsch: Meine Eltern hatten einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, hier am Niederrhein. Und sie haben uns Kinder streng katholisch konservativ erzogen. Das bedeutet dann eben auch, dass der älteste Sohn den Hof übernahm, der zweitälteste wurde Metzger oder Bäcker, und der dritte durfte dann machen, was er wollte...

Das klingt nicht sofort fröhlich.

Norbert Büsch: Doch, doch, es hat alles gepasst! Ich habe schon als Kind in meinem eigenen Steinofen auf dem Hof Brote gebacken. Ich bin Bäckermeister mit ganzem Herzen. Und mit Leidenschaft. Der Beruf muss nicht nur Spaß machen, man muss ihn auch aus Überzeugung tun. Sie können nur gut sein, wenn Sie etwas mit Überzeugung tun. Für unsere Marketingidee, uns „Die fröhliche Bäckerei“ zu nennen, sind wir in den Anfangsjahren oft belächelt worden. Aber der Name ist auch Programm. Die Zufriedenheit unserer Kunden ist uns wichtig. Die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter aber auch.

Und dann kam „Das Büsch“.

Norbert Büsch: Brötchen haben ja viele Namen: Semmeln, Schrippen, Weggen. Bei uns heißt es eben „Das Büsch“. Am Anfang war das eine Notlösung. Ich hatte die kleine Bäckerei übernommen und erst mal so weitergemacht wie mein Vorgänger. Aber es funktionierte nicht. Also musste das Motto lauten: Wir machen alles anders, alles neu, wir machen unsere Idee. Wir haben den Laden geschlossen, umgebaut und mit neuem Konzept wieder aufgemacht. Dann war „Das Büsch“ geboren. Und was nicht weniger wichtig war: Wegen des damals noch geltenden Nachtbackverbots mussten die Kumpel der umliegenden Zechen ihre Schicht ohne frische Brötchen antreten. Unsere Idee: Wir liefern rechtzeitig fertige Teiglinge an die Kantinen aus, wo sie später dann ganz legal frisch gebacken werden können.

Hat funktioniert.

Norbert Büsch: Ja. Wir haben dann tatsächlich alle Zechen in NRW beliefert.

Jeder Stutenkerl, jede Brezel...

Norbert Büsch:... wird von Hand geformt und gedreht. Täglich werden zwischen 140 und 180 verschiedene Bäckereiartikel frisch hergestellt. Bei keinem Produkt, das unsere Backstube verlässt, kommen chemische Zusätze zum Einsatz.

Backen ist Teamwork, oder?

Norbert Büsch: 18 Bäckermeister sind im Einsatz. Vom Roggenbrot bis zur Rosinenschnecke muss alles handwerklich gut gemacht sein und dann auch pünktlich morgens in den Fachgeschäften ankommen. Da geht ohne Teamwork nichts. Morgens um vier müssen die Backwaren fertig sein – mit den Teigmachern wird vorher die Teigfolge erarbeitet.

Ihr Ernst, ein Teigmacher?

Norbert Büsch: Ein wichtiger Job. Wir haben 200 Kessel, in denen Teige gemengt werden und in aller Ruhe gehen dürfen. Wir können auch noch Sauerteig. Roggenbrot etwa kann man ohne Sauerteig nicht backen.

Wie mögen Sie Ihr Brötchen am liebsten?

Norbert Büsch: Ganz einfach als frisches, goldgelbes, ovales Büsch. Brötchenbacken ist die Königsklasse und unsere Kernkompetenz. Der Teig reift langsam, darf sich 18 Stunden Zeit nehmen, bis er in den Backofen kommt. Wir backen immer auf Steinplatten, die Brötchen sind zwar etwas kleiner, aber der Geschmack ist natürlicher, die Farbe lebhafter.

Jetzt haben Sie Emmer entdeckt.

Norbert Büsch: Wir versuchen die Getreidesorte Emmer wieder zu beleben und Brote daraus zu backen. Allerdings ist das nicht ganz so einfach, weil Emmer in Deutschland kaum angebaut wird, auch weil er nicht sehr ertragreich ist und so für die Landwirte nicht attraktiv genug. In Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer Rheinland haben wir aber fünf Landwirte aus der Region gefunden, die für uns anbauen und hoffentlich so um die 200 Tonnen im nächsten Jahr ernten werden.

Es gibt so viele Brotsorten...

Norbert Büsch:... ja, und die Verbraucher haben auch wieder verstanden, dass der Geschmack eine wichtige Rolle spielt. Die Geiz-ist-geil-Mentalität ist Gottlob verschwunden. Die Kunden wissen, dass gute Produkte, gute Qualität und gutes Handwerk ihren Preis haben und ein gesundes, frisches Roggenbrötchen nicht für 29 Cent zu bekommen ist. Ich wünsche mir, dass sich die Leute wieder mehr Gedanken machen um das Grundnahrungsmittel Brot, dass die Wertigkeit wieder da ist. Brot ist ein tolles natürliches Produkt. Einfach der preiswerteste Luxus für Jedermann. Brot ist mehr als nur der Salamidrunterleger. Brot ist Genuss.

Zum Schluss: Glückwunsch! Sie sind frischgebackener Brotsommelier. Was macht man da?

Norbert Büsch: Ich bin jetzt Genuss-Botschafter für Brot. Ein Brot-Sommelier ist sensorisch geschult und kennt alle Fakten zu Brot, auch zur Geschichte des Brotbackens und zu den Brotsorten der Welt. Ich habe eine Prüfung abgelegt, bei der ich unter anderem auch beweisen musste, dass ich die Unterschiede der einzelnen Brotsorten „erschmecken“ kann. Jetzt kann ich auch offiziell empfehlen, welches Brot zu welchem Essen passt und mehr. Dafür habe ich fast 500 Stunden die Schulbank gedrückt – aber es hat sich gelohnt.

Wie verkostet der Fachmann Brot. Kauen? Schmatzen wie beim Wein?

Norbert Büsch: Man muss die Kruste und die Krume (das Innere) zusammen verkosten, das ist wichtig. Dabei muss man das Brot ganz bewusst in Ruhe essen und mit allen Sinnen spüren.

Man muss auf das Mundgefühl achten und wie sich das Brot im Mund auflöst. Wichtig ist auch der Nachgeschmack – das ist wie beim Wein der „Abgang“.

Norbert Büsch: Woran erkennt man denn ein gutes Brot?

Gesundes Brot lacht Sie einfach an. Das erkennt man an der gesunden Farbe und dem leckeren, appetitlichen Geruch. Man muss die Die Kombination aus Röstaromen und Getreide muss man riechen können. Bei dunklem Brot, wie Roggen, muss eine fruchtig-leichte Söure zu reichen sein. Weißbrot muss süßlich und getreidig riechen. Dinkel und Emmer, die Urgetreiden, riechen leicht nussig und honig-süß. Und Mischbrote sind dann eine Kombination aus allem.

>>>>> Info: Backbetrieb mit 2000 Mitarbeitern

In den vergangenen Jahrzehnten ist aus einem kleinen Backbetrieb Büsch ein nicht mehr ganz kleines Unternehmen mit einer ganzen Reihe von Fachgeschäften am Niederrhein und seiner nahen Umgebung geworden. Im Kamp-Lintforter Gewerbegebiet am Krummensteg 135 entstand einer der modernsten Backbetriebe der Region. Insgesamt stehen bei Büsch heute mehr als 2000 Mitarbeiter in Lohn und Brot, etwa 400 allein in Kamp-Lintfort. Das Handwerkercafé am Betrieb am Krummensteg 135 ist rund um die Uhr, Tag und Nacht geöffnet. Und Norbert Büsch, Geschäftsführer der Handwerks­bäckerei Büsch, hat gerade die Ausbildung vor der Bundesakademie in Weinheim die Prüfung zum „Geprüften Brot-Sommelier“ bestanden. Damit ist er der erst Zweite aus Nordrhein-Westfalen, der dieses schwierige Examen mit Erfolg abgelegt hat. Die Bundesakadamie des Bäckerhandwerks in Weinheim ist die weltweit erste und einzige Ausbildungsstätte für diesen staatlich anerkannten Weg. Die Ausbildung zum „Brot-Sommelier“ gibt es erst seit 2015, 13 Absolventen haben die Prüfung im letzten Jahr, 14 in diesem Jahr bestanden.