Wie oft prallt der kleine Zeh gegen ein Stuhlbein? Zeit für Pantoffel-Pflicht und Socken mit Schockfotos. Doch der Gesundheitsminister schweigt.

Der menschliche Fuß ist eine Fehlkonstruktion. Er sollte nicht aus diesen vielen Einzelteilen bestehen.

Jeder kennt das: Man läuft arglos durch die Wohnung. Auf Socken oder barfuß. Schon kracht es, knirscht und schmerzt. Wieder ist man vor das Bett gerannt oder gegen ein Tischbein. Natürlich mit dem kleinsten Zeh. Die immergleiche Choreographie. Empörtes Geheul, wobei man auf dem heilen Fuß hüpft, um vom Schmerz abzulenken. Wer sich beim Kochen in den Finger schneidet, reagiert leiser, respektvoll. Als wollte man das Messer nicht weiter verärgern. Aber die Attentate auf den klitzekleinen Zeh machen wütend. Bei Messern weiß man: Obacht! Biest! Betten und Tische dagegen stehen ihr Leben lang rum, hölzern und harmlos. Umso heimtückischer, wenn sie angreifen. Das ist ja, als ob man in Australien nicht vom weißen Hai angebissen wird, sondern ein im Sprung verstorbenes Känguru auf den Kopf kriegt. Man rechnet nicht damit.

Nachrechnen sollte man allerdings. Wie oft im Leben läuft der Mensch gegen ein Möbelstück und knackst sich dabei den Zeh an? Gehen wir von zehn Mini-Brüchen pro Person aus, hätten wir 800 Millionen Zeh-Unfälle in deutschen Haushalten. Eine namhafte Versicherung müsste beziffern, wie hoch der Schaden für die Volkswirtschaft ist. Es wird sich ein Experte finden, der die dramatischen orthopädischen Spätschäden anprangert. Der entlarvt, wie das krumme Fußskelett das Volksleiden Nr. 1 befeuert: den Rückenschmerz. Und dann die psychischen Folgen, die das Misstrauen in die eigenen Möbel mit sich bringt. Sind Knochenbrecher, mit denen man unter einem Dach wohnt, nicht verstörender als Einbrecher, die schnell wieder abhauen?

Genug Gründe für staatliche Präventionsprogramme. Vielleicht sogar für eine Pantoffelpflicht, natürlich mit Schutzkappen unterm Filz. Man könnte Socken mit Schockbildern verkaufen – von grässlich deformierten amputierten Zehen in Nahaufnahme. Die Möbelindustrie müsste verdonnert werden, Kanten in Fußhöhe abzurunden. Auch elektronische Lösungen wären denkbar. Wenn ein Mindestabstand unterschritten wird, piept der Möbelfuß wie die Einparkhilfe im Auto.

Bleiben die philosophischen Überlegungen zum „Warum?“. Ist das Verkanten ein Ergebnis der Evolution? Ist der kleine Zeh das Anhängsel einer überflüssigen Körperfunktion, eine Art Blinddarm? Für eine Spezies, die lieber surft und sitzt und fährt als läuft? Der digitale Mensch braucht keine Zehen, eher mehr Daumen fürs Smartphone.

So, der Schmerz in meinem Zeh lässt nach. Klagen hilft, Wehgeschreib noch mehr...

Pantoffeln, Kaufhaus, ab ca. 20 €