17-Jährige dürfen Auto fahren. Wenn ein Erwachsener sie begleitet. Eine vernünftige Idee... aber wer steht dem Beifahrer bei?
Diesmal bin ich vorbereitet. Anders als 2015. Da wurde unser Sohn urplötzlich 17, machte den Führerschein und stieg in mein Auto. Ans Steuer! Begleitetes Fahren... eine gute Idee für die Anfänger. Niemand denkt an die Eltern. Für die nun begleitendes Zittern und Zähneklappern beginnt. Bei meiner Tochter werde ich es besser machen. Heute Abend. In sieben Stunden und vier Minuten.
Worum geht's hier eigentlich?
Maike Maibaum schreibt seit Jahren die Kolumne „geschenkt“: Die NRZ-Redakteurin und Mutter von zwei Kindern ist Expertin für den alltäglichen Wahnsinn im Familienleben. Sie lästert jede Woche lustig über ihre Lieben und die wildgewordene Welt. Zwei Bücher mit den besten Geschichten („Geschenkt“, „Noch mehr geschenkt“) sind im Klartext-Verlag erschienen, illustriert vom preisgekrönten Karikaturisten Thomas Plaßmann.
Nach der Arbeit hole ich das Kind vom Ballett ab, dann darf es den Führerschein einweihen. Mit meinem Auto. 14 Kilometer nach Baerl. Zu weit für den Anfang, grübele ich. Mit meinem Sohn ging es damals nur fünf Kilometer nach Orsoy. Er behauptet, dass ich mich an den Türgriff krallte, bis die Knöchel weiß wurden, und nicht mehr geatmet habe, nur noch gezischt.
Es ist ein Mädchen, beruhige ich mich. Auf der Straße schwächelt der Feminismus. Frauen fahren ängstlicher. Ist das wirklich ein Makel? Wenn mehr Männer zum richtigen Zeitpunkt Angst gehabt hätten, wären manche Zusammenstöße (die großen nennt man „Krieg“) ausgeblieben. Stell dir vor, in den Straßen wimmelte es von verzagten Fahrern... und Staus entstünden, weil sich vor lauter Respekt alle die Vorfahrt ließen.
In Finnland reicht bei Fahranfängern ein Teddy als Begleitung
Meine Tochter wird durch die Stadt zockeln wie eine Prinzessin in einer rosa Kutsche... ein aufjaulender Motor reißt mich aus dem Traum. Schottland 2009: Wal-Beobachtungs-Tour im Speed-Boot. Alle Passagiere waren kreidebleich. Nur unsere 8-Jährige jubelte und brüllte in die Gischt: Juchhu! Schneller!
Fünf Stunden vor der Abfahrt checke ich das Wetter. Es soll regnen. Himmel, das ist wie Glatteis, bloß wärmer! Tausende Lichtreflexe brechen sich in den Tropfen auf der Windschutzscheibe und narren das Anfänger-Auge. Die Fahrt absagen? Das könnte Marshas Selbstvertrauen schädigen. Ach, begleitende Eltern sind nicht nur plötzlich Fahrlehrer ohne Not-Pedale, sie müssen auch die Kinderseele lenken.
Zwei Stunden, acht Minuten. Ich plane die Strecke, suche Tempo-30-Straßen, ohne Kurven, gerne links und rechts gepolstert. Warum wohnen wir in der dichtesten Verkehrsregion Europas? In Finnland reicht bei Fahranfängern ein Teddy als Begleitung. Hier ist eine Mutter zu wenig. Das ist die Lösung: Ich rufe meinen Mann an. Er muss auf den Beifahrersitz. Ich werde hinten sitzen, leise wimmernd. Das Kind kommt klar. Ich brauche Begleitung.
Die Stimme klingt ungewohnt dünn. Es würde regnen, die Strecke sei zu weit, zu befahren. Ob ich mich an die Speedboot-Fahrt in Schottland erinnerte?
Der Mann hatte Angst. Zu Recht? Es wird eng, leider muss ich hier bremsen...