In manchen Städten dürfen Straßenmusiker nur noch leise spielen und in Berlin wird ein harmloses Gedicht zum Stein des Anstoßes.

Was ist mit der Welt nicht in Ordnung? Irgendwas muss da schiefgegangen sein“, seufzte mein Mann am Frühstückstisch, als er sich durch die Nachrichtenmeldungen blätterte. Und sah dabei verstört aus. Dabei meinte er noch nicht mal das große Weltgeschehen, kein Syrien, Nordkorea oder Afghanistan, keine geklonten Affen oder Trump Tweets. Bis dahin war er beim Blättern noch gar nicht gekommen.

Es ging um etwas völlig Normales, etwas ganz Alltägliches. Zum Beispiel Straßenmusik. Nun ja, was sich irgendwelche jungen Typen mit Hut, Gitarre und Zusatzinstrumentierung vom Band oder Duos mit Geige und Klarinette in den Fußgängerzonen so zusammenspielen, muss nicht immer gut sein. In den meisten Fällen ist es das nicht. Und dass ein Ladenbesitzer nach dem 42. „El Condor Pasa“ das Musikus-Ensemble womöglich verzweifelt anfleht, die Klang-Untermalung doch bitte ein paar Türen weiter oder besser noch, in einer ganz anderen Stadt, fortzusetzen - verständlich. Aber inzwischen gibt es in manchen Kommunen Verordnungen für so etwas, wahrscheinlich zig Seiten lang, die den Geräuschpegel strikt regeln. „Merkwürdiger Regulierungswahn“, murmelt mein Mann und blättert weiter auf der Suche nach Erfreulichem. In der Ruhr in Mülheim sollen die Menschen bald wieder baden dürfen. Schön! Hoffentlich klappt das auch, denn vorher muss noch ein Lärmgutachten eingeholt werden, ob das Geplantsche an dieser Stelle nicht zu laut ist. Dabei wohnt dort weit und breit niemand.

Und dann gibt es da noch diese Geschichte aus Berlin. Es geht um ein Gedicht an der Fassade einer Hochschule. Das Gedicht stammt von dem Schriftsteller Eugen Gomringer, wurde 1951 auf Spanisch verfasst und lautet übersetzt so: Alleen/ Alleen und Blumen/ Blumen/ Blumen und Frauen/Alleen/Alleen und Frauen/Alleen und Blumen und Frauen und/ein Bewunderer.

Jetzt soll das Gedicht weg, es wird durch ein anderes ersetzt, weil es Frauen zu Objekten männlicher Bewunderung mache und „unangenehm an sexuelle Belästigung“ erinnere, wie Studentenvertreter beklagen. Problematisch, man ahnt es, ist hier das Wort Bewunderer. Dabei weiß man noch nicht mal, ob die Bewunderung nun den Frauen, den Blumen oder den womöglich schönen Alleen gilt. Und wenn allein die Existenz eines (mutmaßlich männlichen) Bewunderers in einem Werk der Poesie, also der Fantasie, schon anstößig wirkt, muss dann am Ende womöglich die halbe Weltliteratur umgeschrieben werden, in der es vor Bewunderern und Verehrern nur so wimmelt?! Bislang schätzte man das - als freien Geist der Kunst.