Yoga war mal was für zauselbärtige Eremiten. Jetzt gehört es zur Beauty-Industrie wie Botox. Eine kleine Meditation über Fett und Frauenpower.

Aus unserem Garten drang unangenehmes Gezeter. Eine schlecht gelaunte junge Frau schrie offenbar meine Tochter an. Ich eilte raus - und fand mein Kind angestrengt turnend. Vor ihm lag das Smartphone und brüllte amerikanische Befehle. „Huch, militärischer Frühsport?“, fragte ich irritiert. Marsha blickte auf und japste vorwurfsvoll: Boah Mama, das ist Yoga!

Ähem. Om? Yoga? Ich habe mitbekommen, dass sich „Yoga“ in den vergangenen Jahren gewandelt hat. Spätestens, wenn man bei Tchibo die neuesten „Yoga Accessoires“ in Beerenfarben kaufen kann, ahnt man, dass die Zeit der Eremiten im Lotussitz vorbei ist. Die nächste Eskalationsstufe im Beauty-Wahn war mir entgangen. Meine Tochter verrenkte sich in atemberaubendem Tempo. Auf dem Smartphone sah ich eine Dame im Bikini nach Baywatch Art. Sie arbeitete heftig, um Fett zu verbrennen, das gar nicht vorhanden war. Dabei bölkte sie die Namen von Körperteilen. Es klang, als ob man in einen Krieg gegen Arme, Beine und vor allem Hinterteile ziehen sollte.

Neugierig fragte ich meine Tochter, was das mit Yoga zu tun hätte? Marsha erklärte zwischen zwei dramatischen Waden-Übungen, es sei ein „Yoga Workout“. Vor Schreck verbrannte ich 65 Kalorien. Gut, nicht alle können auf verschneiten Gipfeln in Nepal Körper und Seele in Einklang bringen. Aber ein „Yoga Workout“ ist absurd wie „Asketisches Aerobic“, „Weihevolles Wrestling“ oder „Om! to go“. Hat ja keiner was dagegen, wenn sich das Kind ertüchtigt. Vielleicht könnte man das Marketing etwas runterfahren? Um seinen Hintern zu stählen, muss man doch nicht gleich spirituell sein, sportlich reicht.

So sportlich nun auch wieder nicht, lästerte mein Sohn. Der manchmal die urbrüderliche Neigung hat, schwesterlich-weibliche Anstrengungen mit leichter Überheblichkeit zu betrachten. „Ach ja?“, rief Marsha: „Mach doch mit! Wenn du dich traust!“ Da Joey vom Lauftraining kam und noch Sportkleidung trug, trat er sofort an, zum Kampf-Yoga. Das versprach interessant zu werden.

Nach zehn Minuten übertönten die Wehlaute unseres langjährigen Leistungsfußballers die Kommandos aus dem Internet. Nach 20 Minuten humpelte er auf die Terrasse und knurrte nicht ohne Selbstironie, dass beim Fußball eben nur „die wirklich wichtigen Muskeln“ trainiert worden seien. Meine Tochter grinste geradezu weise. 1:0 für die Frauenpower. Ich fand die schreiende Dame auf dem Smartphone für einen Moment ganz sympathisch. Vielleicht war sie die erste Beauty-Besessene, die mal was zur Emanzipation beigetragen hat. Wenn auch versehentlich. Darüber ließe sich meditieren. Om?

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