Enschede. Sechs Boeing 747 stellte die Lufthansa auf dem Flughafen Enschede ab. Dann zeigte sich: Die Giganten dürfen dort zwar landen, aber nicht starten.

Hätte Schilda einen Flughafen – dann wäre die Geschichte garantiert dort passiert. So aber lacht die Welt über den Regionalflughafen von Enschede und die deutsche Lufthansa. Die hat weiß Gott genug Probleme. Jetzt drohten ihr gleich sechs Jumbojets abhanden zu kommen. Sie waren auf einem Flughafen zwischengeparkt, auf dem sie zwar landen – aber nie wieder starten dürfen.

Angefangen hat das Drama um die sechs Giganten der Lüfte im Juni: Wegen der Corona-Krise hat die Lufthansa große Teile ihrer Boeing 747, der berühmten Jumbo-Jets, vorerst ausgemustert. Die Maschinen gelten als vergleichsweise teuer im Betrieb und wurden angesichts des ausgedünnten Flugplans und gesunkener Fluggastzahlen auf unbestimmte Zeit nicht mehr gebraucht.

Landungen der Jumbos sorgten für großes Aufsehen

Parkplätze auf Großflughäfen indes sind gefragt, selten und daher teuer – und so schien das Angebot des Regionalflughafens „Twente Airport“ in den Niederlanden sehr verlockend. Zumal es für die Wartungsmitarbeiter der Lufthansa von Amsterdam kein weiter Weg war, dort die Giganten fit zu halten für den nächsten Einsatz.

Zwischen Anfang Juni und Ende Juli landeten dort sechs Jumbo-Jets mit dem Kranich auf dem Leitwerk. Sehr zur Freude von „Planespottern“, die den seltenen Anblick einer Jumbolandung in der Provinz, nur knapp acht Kilometer hinter der Grenze bei Gronau, von einem der raren Hügel der Gegend verfolgten.

Denn der Flughafen Twente Enschede, wie alle Regionalflughäfen händeringend nach Einnahmequellen suchend, hatte extra Parkplätze für Flugzeuge angelegt, bot Wartung und Pflege für die Giganten der Lüfte an – und hatte wohl vergessen, ins Kleingedruckte der Betriebserlaubnis zu schauen.

Die geparkten Boeing 747 von Lufthansa am Flughafen Twente. Die deutsche Fluggesellschaft wird ihre Flugzeuge infolge der Koronakrise noch lange lagern.
Die geparkten Boeing 747 von Lufthansa am Flughafen Twente. Die deutsche Fluggesellschaft wird ihre Flugzeuge infolge der Koronakrise noch lange lagern. © DPA / ANP | Vincent Jannin

Landen dürfen Großflugzeuge auf dem kleinen Airport rund 60 Kilometer nordwestlich von Münster schon – aber nicht starten. Das hat die niederländische Behörde für Umwelt und Transport verfügt.

Als die Lufthansa jetzt den ersten Jumbo abholen wollte, um ihn zur Verschrottung in die kalifornische Wüste auszufliegen, kam die böse Überraschung: Die Behörde verweigerte den Start wegen Sicherheitsbedenken.

Wert der Flugzeuge dürfte immer noch in die Millionen gehen

Zudem sei man über das Angebot des Flughafens an die Lufthansa nicht informiert worden, hieß es dort. Großflugzeuge dürften in Enschede zwar landen – aber nur, um bei den dortigen Unternehmen demontiert zu werden. Ungefähr so, als führe man mit seinem Auto auf einen Parkplatz – um beim Wegfahren festzustellen, dass man eine Einbahnstraße zum Schrottplatz genommen hat.

Eine böse Überraschung bei Flugzeugen, deren Wert auch 30 Jahre nach Indienststellung noch bei einem hohen einstelligen Millionenbetrag liegt. Zum Vergleich - und bei Interesse: Eine baugleiche, ähnlich alte Maschine wird in den USA gerade für rund 13,7 Millionen Euro angeboten.

Drei Tage lang war der Schrecken groß, der Flughafen strengte ein Eilverfahren gegen die Aufsichtsbehörde an – bis man sich am Donnerstagmittag einigte. Der Flughafen verstärkt sein Sicherheitskonzept, und die Jumbos dürfen mit einer Minimalmenge Sprit an Bord ausgeflogen werden – dieses Mal noch: drei bis Jahresende, die nächsten drei bis Juni 2021. Zu den Maschinen, die von Enschede aus ihren letzten Flug antreten, gehört auch die Maschine mit dem Namen „Mülheim an der Ruhr“.

Über das Schicksal von dreiJets ist noch nicht entschieden

Bei der nächsten Landung eines Großflugzeugs in Enschede hingegen ist klar: Der Flieger ist gekommen zum Zerteilen. Die Lufthansa indes hat es mit dem Ausfliegen eilig: Schon am Freitag soll es den ersten Start eines Jumbo-Jets in Enschede geben, zwei weitere Maschinen folgen im Monatsabstand. Über das Schicksal der verbleibenden Jets ist noch nicht entschieden – Wiederinbetriebnahme, Verkauf oder Zerlegung. Fest steht: Auf dem „Spottersheuvel“, dem Aussichtspunkt der Flugzeugfans, wird es bei jedem Start voll werden. Jumbos in Enschede wird es nach dem Schildbürgerstreich wohl nie mehr geben.