Velden/Straelen. Vor 75 Jahren ließen die Nazis ein komplettes Dorf bei Venlo evakuieren. Mit einem Gedenkmarsch über die Grenze wurde nun an das Leid erinnert.

Es ist früh am Morgen des 19. Januars 1945, als für die Bewohner des kleinen Dörfchens Velden bei Venlo die bittersten Stunden ihres Lebens anbrechen. Noch wissen sie nicht, dass der Zweite Weltkrieg bald vorüber ist – und somit auch die Schrecken der deutschen Besatzung.

Am 10. Mai 1940 überfällt die Wehrmacht den Nachbarn, auch unmittelbar an der niederländisch-deutschen Grenze ist seitdem nichts mehr, wie es vorher einmal war. Vier Monate nach der „Operation Market Garden“ der Alliierten und der Schlacht um die Brücke von Arnheim im September 1944 ist Hitlers Armee zwar schon stark geschwächt, doch in Velden schlagen die Besatzer noch einmal in ihrer ganzen Grausamkeit zu. Der schreckliche Hungerwinter von 1944/45 bringt die Dorfbewohner körperlich schon an ihre Grenzen – dann verfügen die Deutschen die Evakuierung des Örtchens.

„In einer etwa zwei Kilometer langen Kolonne überquerten die Veldener am frühen Morgen des 14. Januar 1945 von Schandelo aus die Grenze zu Deutschland. Ältere Menschen, Kranke und Personen mit eingeschränkter Mobilität könnten in Armeefahrzeugen Platz nehmen. Sie wurden von deutschen Soldaten und Freiwilligen vom Roten Kreuz begleitet. Während dieser Reise nach Straelen war es bitterkalt“, schreibt die Zeitung „De Limburger“. „Es lag eine Schneeschicht von einigen Zentimetern. Niemand wusste, wo diese Expedition enden würde. In Eile hatten die Bewohner gemeinsam Vorräte für ihren Zwangswegzug gesammelt. Sie trugen getrocknete Schinken, Würste und Stapel dick gefüllter Brote mit sich. Maximal 25 Kilo Gepäck pro Person konnten mitgenommen werden. Kinderwagen, Fahrräder, Wagen und Handkarren, Holzschubkarren und Rutschen aus Leitern waren die Transportmittel, die mitgeschleppt und geschoben wurden.“

Schwere Geburt

Inmitten dieser schrecklichen Szenerie erblickt Joep Fleuren am 13. Januar in Velden-Dorp das Licht der Welt. Nur wenige Tage später muss das Neugeborene auf eine völlig ungewisse Reise gehen. „Koffer wurden vom Dachboden genommen und mit Kleidung und den teuersten transportablen Dingen gefüllt. Kleidung, die nicht in die Koffer passte, war in Schichten angelegt worden. Das half zumindest etwas gegen den strengen Frost. Die meisten von ihnen, Erwachsene und Kinder, kamen jedoch frierend in Straelen an“, so steht es in „De Limburger“.

Und weiter heißt es in dem Bericht: „In Straelen erreichte die Gruppe die Volksschule, woraufhin die bittere Zugreise in Viehwaggons fortgesetzt wurde. Schließlich kamen die ‘Geiseln’ in Groningen an. Von dort wurden sie an verschiedene Familien in der Umgebung verteilt.“

Wanderung als Hommage

Nun, 75 Jahren später, zogen am 19. Januar wieder Menschen von Velden nach Straelen – diesmal allerdings freiwillig und mit einer schönen niederländisch-deutschen Verbrüderungszeremonie auf der anderen Seite der Grenze. Los ging’s von der Andreas-Kirche in Velden-Dorp über Schandelo und Kastanienburg nach Straelen. Das Besondere an dem Gedenkmarsch: Viele Teilnehmer trugen Kleidung aus der finsteren Vergangenheit und Familien schoben historische Kinderwagen über die Straßen. Es ist heute – ein Dreivierteljahrhundert nach diesen schrecklichen Ereignissen – ein wichtiges Zeichen dafür, dass man sich nicht nur unter Nachbarn zwar vergeben, aber niemals vergessen darf.