Zwolle. In Zwolle ist am Samstag das Eisskulpturenfestival gestartet. In der Ausstellung ist auch ein düsteres Kriegskapitel verewigt.
Zehn Tage hat sie gefeilt, den großen Pickel geschwungen und mit dem kleinen Feudel gewedelt. Dann war Kilian van der Veldens Werk fertig: Anne Frank, wie sie in ihr Tagebuch schreibt. Nachzuerleben ist dieses düstere Kapitel der deutschen Geschichte bekanntermaßen ausführlich im Anne-Frank-Haus in Amsterdam, wo sie sich eine Zeit lang vor der Verfolgung durch die Nazis verstecken konnte – oder seit Samstag in den Ijsselhallen in Zwolle.
In der Hansestadt ist das Eisskulpturen-Festival gestartet. 40 Künstler aus fast ganz Europa sind vor zwei Wochen in die beiden großen Veranstaltungspavillons eingezogen. Seitdem bearbeiten Russen, Ukrainer, Finnen sowie natürlich Deutsch und Niederländer 300.000 Kilogramm Eis. „Das kommt aus Belgien und Frankreich“, verrät Veranstalter Eric Broekaart. 14 große Laster haben das Material nach Zwolle gekarrt, das Mülheimer Unternehmen „Snowbox“ lieferte außerdem jede Menge Kunstschnee dazu. Jetzt ist alles fertig und für neugierige Besucher bereit. Das Thema der frostigen Ausstellung lautet: „eine Reise durch die Zeit“.
Sand und Eis
Beginnend mit prähistorischen Motiven wie Dinosauriern im Eingangsbereich der -12 Grad kalten Ausstellung über das Leben der Neandertaler, Wikinger, alten Ägypter und Napoleon mit seinen Elefanten geht es auf einem Rundkurs in die Neuzeit. Gleich nach der industriellen Revolution kommt sie: Anne Frank, erstarrt im Eis. Erschaffen hat sie Kilian van der Velden. „Ich fand es spannend, sie hier auszustellen und finde, hier gehört sie hin“, betont die 46-Jährige.
In Amsterdam geboren und in Delft aufgewachsen, lebt sie inzwischen in Antwerpen in Belgien. Dort studierte sie zunächst Architektur. „Mich hat aber vor allem die Verbindung von Wissenschaft und Kunst interessiert. Daher habe ich mich in Antwerpen an der Hochschule für Feine Künste eingeschrieben und Steinmetzin gelernt“, erzählt Kilian van der Velden. 2007 macht sie ihren Abschluss – und erweitert ihr Spektrum. „Zu der Zeit habe ich von den ersten Veranstaltungen gehört, bei denen aufwendige Sandskulpturen gezeigt wurden, und habe dabei mitgemacht“, berichtet sie.
Wer im Sand seine Themenwelten bauen kann, den fasziniert schnell auch ein anderes Element: das Eis. „Im Winter war für mich wenig zu tun, so entdeckte ich die Arbeiten mit Eis. Es macht auch eigentlich keinen Unterschied, mit welchem Material man arbeitet, Wenn man ein Händchen dafür hat, Geduld und Zeit mitbringt, dann können wunderschöne Dinge entstehen.“
So wie Anne Frank. Ruhig und aufrecht sitzt sie an einem Tisch, notiert die schlimmen Dinge, die um sie herum passieren – bis das deutsch-jüdische Mädchen 1944 von den deutschen Besatzern doch in der Prinsengracht entdeckt wird und schließlich im KZ stirbt. „Natürlich ist das Thema sehr sensibel, aber ich finde es wichtig, in der Ausstellung solch einen ernsthaften Punkt setzen“, sagt Kilian van der Velden.
Gefällt’s den Besuchern?
Wie die Besucher des Eisskulpturen-Festivals auf ihr Werk reagieren, wird sie vorerst nicht mitbekommen. Zunächst stehen andere Projekte an, schließlich verdient sie mit der Kunst ihr Geld. Aber: „Ich will natürlich noch einmal nach Zwolle kommen, um die Reaktionen der Leute zu sehen.“
Eine zweite Anne Frank wird es aus ihren Händen allerdings nicht geben. Kilian van der Velden, die in Zwolle außerdem am Motiv von Marco Polo auf der Seidenstraße mitgearbeitet hat, will sich nicht wiederholen. Für das nächste Eisskulpturen-Festival hat sie deshalb schon ein neues Thema im Kopf. Welches, wird nicht verraten, nur so viel: „Ich denke, dass es auch sehenswert ist.“
Wir waren auf Einladung von Marketing Oost in Zwolle.