Emmerich. . Stefan Menke (Name geändert) ist froh. Er hat wieder einen Job, diesmal als Brummifahrer. Dafür muss er aber jeden Tag fast zwei Stunden pendeln.

„Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen gelernten Fleischermeister mit LKW-Führerschein und langjähriger Erfahrung als Videothek-Besitzer.“ Sollte dieses Profil in einer Stellenanzeige irgendwann mal auftauchen, könnte sich Stefan Menke (Name geändert) aus Emmerich guten Gewissens darauf bewerben. Denn in seiner Vita hat sich der 59-Jährige schon mehrmals neu erfunden und seine Abenteuerlust bewiesen. Dass es ihn nun auch zum Arbeiten über die deutsch-niederländische Grenze verschlagen hat, überrascht angesichts seines Lebenslaufs nicht. Vor allem, weil er direkt neben der Grenze großgeworden ist.

Doch nicht immer waren seine Berufswechsel freiwillig. Von einem bankrotten Arbeitgeber, einer krankheitsbedingten Kündigung bis hin zu einem dubiosen Jobangebot nach einer Probewoche mit 66 Arbeitsstunden war alles dabei. Deshalb war Menke zwischen seinen Anstellungen immer mal wieder auf Arbeitslosengeld angewiesen – und hatte sogar Anspruch darauf auf beiden Seiten der Grenze.

Doch angefangen hat er als Fleischer. „Ich hab immer nur bei Neonlicht in der Halle gestanden. Es war dunkel, wenn ich zur Arbeit kam, und wieder dunkel, wenn ich ging.“ 1985 hat Menke seine Ausbildung zum Meister abgeschlossen. Aber nur anderthalb Jahre hat er es danach unter den grellen, kalten Neonröhren ausgehalten. Er musste raus, hat den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. 14 Jahre lang steckte er sein ganzes Herzblut in seine Videothek, doch die ist mittlerweile Geschichte. Menke heuerte bei einem Zulieferer einer großen Fastfood-Kette an, wo er über acht Jahre blieb und zum „Mädchen für alles“, wie er selbst sagt, avancierte.

Doch plötzlich war Schluss. „Die Firma ging über die Wupper“, fasst Menke das jähe Ende seines Arbeitgebers zusammen. Die Fastfood-Kette hat die Produktion umgestellt, die Restaurants waren nicht mehr auf die Lieferungen der Firma angewiesen. „Und plötzlich waren von 160 Kunden 150 verschwunden.“ Das war 2017, Menke damals über 50. Zeit für den Vorruhestand also? Von wegen. „Wir sind doch noch jung“, sagt er über sich und seinen niederländischen Arbeitskollegen mit dem er sich zusammen Hilfe beim Arbeitsamt suchte.

Denn Menkes Kollege und guter Freund wohnte bereits in Deutschland und hatte deshalb Anspruch auf Arbeitslosengeld in Deutschland. „Wir beide hatten sowieso dasselbe Anliegen, deshalb sind wir auch gleich zusammen zum Arbeitsamt gegangen“, erinnert sich Menke. Und für beide fand sich dieselbe Lösung: „Das Amt hat uns für jeweils 13.300 Euro LKW-Führerscheine bezahlt.“ Wieder ein neuer Job, wieder kein Problem.

Nach einer Probewoche mit 66 Stunden und einem anschließenden Jobangebot über 1800 Euro brutto schaute sich Menke aber erneut um – diesmal auf der anderen Seite der Grenze. „Ich hatte schon immer eine enge Verbindung zu den Niederlanden“, erklärt der 59-Jährige, der nicht zuletzt wegen seiner Jugend direkt an der Grenze viele niederländische Freunde hat. Die Sprache beherrscht er dadurch sowieso.

Doch auch dort lief der Start als LKW-Fahrer holprig. In seinem ersten Job war nach 14 Tagen in der Probezeit Schluss, Menke erkrankte an einer Lungenentzündung, zeigt aber Verständnis für die Kündigung. „Die wollen sich ja auch keinen Klotz ans Bein binden“, sagt er pragmatisch.

Neuer Job – neues Glück

Seine nächste Grenzpendler-Station war erneut bei einer Leiharbeitsfirma, ein üblicher Weg für Berufseinsteiger, in den Niederlanden Fuß zu fassen. Doch dort war Menke an einigen Tagen nicht gefragt, arbeitete einmal zwei Wochen am Stück, einmal drei Wochen und zuletzt noch einen Tag. Dazwischen war jeweils eine Woche Pause, die er de facto arbeitslos war – und für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld in den Niederlanden hat, obwohl er zu der Zeit in Deutschland wohnte.

„Mit einem laufenden Arbeitsvertrag kann man in Deutschland kein Arbeitslosengeld beantragen“, berichtet der Grenzpendler aus Erfahrung. Der müsse dafür erst aufgelöst werden. „Beim Arbeitsamt in Deutschland wurde mir gesagt, dass mir für die zwei Wochen Arbeitslosengeld in den Niederlanden zusteht.“ Ein Sonderfall. Denn normalerweise definiert der Wohnort, wo man Arbeitslosengeld bezieht.

Ein Umstand, der Niederländern, die in Deutschland leben, sicherlich weniger gefällt: Sie sind nämlich einen Satz von 70 bis 75 Prozent des letzten Gehalts gewohnt, in Deutschland ist der bei Arbeitslosengeld I mit 60 Prozent (67 Prozent, wenn man Kinder hat) deutlich geringer. Und bei Arbeitslosengeld II sowieso.

Aber das sind Zahlen, mit denen sich Menke zum Glück nicht mehr beschäftigen muss. Seit Mitte Februar hat er über eine Leiharbeitsfirma einen neuen Job in den Niederlanden gefunden, wieder als LKW-Fahrer. Diesmal liefert er Hähnchenfrischfleisch aus. Die zwei Stunden, die er jeden Tag nach Neede, einem kleinen Dörfchen zwischen Winterswijk und Haaksbergen, pendeln muss, nimmt er gerne auf sich.

Die Arbeit in den Niederlanden sei lukrativ und auch die Mentalität seiner niederländischen Arbeitskollegen findet er super. „Wenn die um sechs anfangen müssen, sitzen die schon um 5:15 Uhr da und quatschen.“ Da setzt sich Stefan Menke gerne dazu. Und das kann jetzt auch erst einmal so bleiben.