Wesel. . Das Schloss ohne Kirche – unvorstellbar. Auch deshalb enden die Festspiele (30. August bis 1. September) mit einem Konzert in dem malerischen Gotteshaus. Ein Besuch in dem Barockbau

Der Weg dorthin führt seit mehr als 300 Jahren über einen Wassergraben. Selbst jetzt, da kein Wasser darin liegt, ist er ein unüberwindliches Hindernis, das es erst einmal zu überqueren gilt. Dies macht diesen Ort gleich noch erhabener, verleiht im noch mehr Größe, Würde und jene Besonderheit, die im Sommer unzählige Radtouristen für einen kleinen Abstecher mitten ins Grüne lockt.

Zunächst geht es knirschend über einen Kiesweg, und dann, Schritt für Schritt, über rotbraunes Bongossi, ein besonders hartes und witterungsbeständiges Tropenholz. Mitten auf der Brücke macht wohl jeder Besucher unweigerlich halt, stoppt und schaut – geradewegs auf dieses „Juwel des Barocks am Niederrhein“, wie die Menschen hier stolz und selbstbewusst schwärmen.

Die Rede ist von der Schlosskirche in Diersfordt, die viel mehr als ein uraltes und wunderschönes Gotteshaus ist. Ganz ehrlich: Ohne diesen prachtvollen Barockbau wäre die „Herrlichkeit Diersfordt“, die auf die Herren von Wylich im 14. Jahrhundert zurückgeht, nur halb so schön.

Robert Kammann lächelt, als er von diesem ersten Eindruck hört. Wie oft er dies schon erzählt bekommen hat, verrät er nicht. Sehr oft, davon darf man getrost ausgehen. Herr Kammann, der ehemalige Kirchenbaumeister, führt Besucher durch die Kirche, von deren Art es am Niederrhein nicht so viele gibt. Schloss Wissen in Weeze und Schloss Gartrop in Hünxe haben beide auch so eine Kapelle, die auf eine unerklärliche Weise eine ganz spezielle Aura umgibt.

Hochzeitskapelle

Diesen Eindruck gewinnen vor allem Heiratswillige, die auf der Suche nach einem perfekten Ort für den vermeintlich schönsten Tag im Leben sind. Die Diersfordter Schlosskirche gehört zu den beliebtesten Hochzeitskapellen am Niederrhein. Robert Kammann freut das natürlich, offen spricht er darüber, dass während der beiden Gottesdienste im Monat längst nicht mehr alle der 120 Plätze besetzt sind.

Dennoch gilt die Diersfordter Schlosskirche als unbedingt erhaltenswert. Warum das so ist, kann selbst der Kirchenführer nicht genau erklären. Wie gesagt, das Schloss ohne Kirche – unvorstellbar. Doch auch Diersfordt an und für sich wäre ohne Kirche – zumindest nur sehr schwer vorstellbar.

Wie viel den Diersfordter an ihrer Kirche gelegen ist, zeigte sich bei der Sanierung der Brücke über dem Wassergraben, die mehr als 100 000 Euro gekostet hat. Und bei der Anschaffung der neuen Orgel, die mit 170 000 Euro zu Buche schlägt – und die immer noch nicht ganz abgezahlt ist: Das Spendenbarometer steht bei 115 000 Euro.

Die Müller-Orgel mit ihren 13 Registern und 764 Orgel-Pfeifen schmückt die reformierte Kirche umso mehr, weil unter der Stuckdecke der Geist von Martin Luther sichtbar wird. Hier drinnen gibt es kein Bild, hier zählt allein die Bibel.