Kalkar-Wissel.. Das Original aus Kalkar führt durch das alte Tabakdörfchen Wissel


Wundern Sie sich nicht! Am Niederrhein können Sie schon ‘mal seltsame Gestalten treffen und/oder ungewöhnliche Dinge erleben. Da sind viele unterwegs: Nachtwächter und Waschweiber, adelige Damen mit Perücke und sogar Rittersleut’. Sollten Sie also mal im kleinen und uralten Dünendörfchen Wissel bei Kalkar unterwegs sein (was durchaus empfehlenswert ist) und Ihnen kommt ein Bursche in Klompen, mit Schirmkappe, seltsam trockenen Blätterbündeln am Hosenbund und einer scheppernden Handbimmel entgegen – alles o.k. – das ist vermutlich Wilhelm Miesen, alias „Piepe-Jan“. Und den können Sie alles fragen, was Sie immer schon über Wissel wissen wollten.

Wilhelm Miesen ist in Wissel geboren, aufgewachsen und jetzt, im leicht vorgerückten Semester, ist er Niederrhein-Guide. Fremdenführer hat man früher gesagt – aber das passt nicht. Wilhelm Miesen zeigt ja auch Niederrheinern und selbst Wisselenern Dinge, von denen die gar nicht wussten, dass es sie noch gibt. Oder dass es sie überhaupt gegeben hat...

Den „Piepe-Jan“, den hat Wilhelm Miesen nur halb erfunden. In Erinnerung an seinen Großvater. Der war nämlich der letzte Ütruper im Ort, Ausscheller. Mit der Bimmel in der Hand gab der Johann Terhorst die amtlichen Nachrichten bekannt. „Mein Opa hat gewissermaßen damals das getan, was heute das facebook macht.“

Tabak für die ganze Welt

Um den Terhorst Jan herum hat Wilhelm Miesen nun eine ganz besondere Führung gebastelt: Als „Piepe-Jan“ führt er durch das historische Örtchen, erzählt Anekdoten und Legenden aus alter Zeit – über die einzigartige romanische Basilika, das Stiftsmuseum, über das Rittergut Kemnade, über die Binnendüne – vor allem aber über die 200-jährige Geschichte des Tabakanbaus. Denn Wissel war insbesondere Anfang des 20. Jahrhunderts fast weltbekannt für seinen guten Tabak. Erst 1960 gab der letzte Tabakbauer auf.

„Wissel hatte mal 18 Hektar Tabakanbaufläche“ erzählt Wilhelm Miesen, „90 Prozent der Wisseler haben Tabak angebaut – und dann grinst er und fügt hinzu: „Fast genau soviele haben heute noch Tabak in ihrem Garten stehen – aus Tradition.“

Natürlich wächst auch bei Familie Miesen in einem Eckchen im Grünen Tabak - „aber ich bin Nichtraucher und ehrlich, es ist eine Höllenarbeit, das Zeug zu verarbeiten.“

Der lockere, lehmig-sandige Boden schenkte den Wisselenern überdurchschnittliche Ernteerträge - „es gab mehr als 110 Anbauer im Ort, die im Schnitt, wenn es gut lief, jährlich so um die 1000 Zentner Tabak verkaufen konnten.“ Die Tabakhändler kamen von weit her - sogar in Paris soll der Wisseler Tabak bei den feinen Herrschaften sehr beliebt gewesen sein.

Und dann schlüpft Wilhelm Miesen in die ollen Klamotten von „Piepe-Jan“, nimmt die Bimmel und marschiert los. Und erzählt anhand von Straßennamen und alten Häusern Dönekes und Legenden, Geschichte und Geschichten aus 1000 und einigen Jahren.

Geschichte und Legenden

Opa Jan Terhorst hat bis 1963 mit der Glocke in der Hand den Wisselenern die Neuigkeiten rundgebracht. „Die schlimmste Meldung, die er ausschellen musste, war am 8. März 1945 um 11 Uhr“, sagt Wilhelm Miesen. „Da musste er der Bevölkerung mitteilen, dass der Ort evakuiert wird. Um 15 Uhr mussten alle ihre Häuser verlassen haben.“

Wilhelm Miesen können Sie aber nicht nur als „Piepe-Jan“ erleben. Mit ihm können Sie durch die Wisseler Dünen streifen, den heiligen Grafen Luthard kennenlernen oder unter einem alten knorrigen Baum Platz nehmen, in dem oder an dem sich mystische Geschichten abspiel(t)en. Seine Tabakgeschichten hat er in einem Buch zusammengefasst. Er hat Archive durchgestöbert, die alten Wisseler befragt, hat viele alte Fotos vor dem Vergessen bewahrt. In Kürze wird das Buch zur Tabakführung zu kaufen sein.