Nimwegen.

Das Museum Het Valkhof in Nimwegen zeigt zwölf verschiedene Blicke auf eine Realität, die sich selbst in Frage stellt - etwa die unzerstörbare Schönheit des Waldes oder Personen in einem leeren Fotostudio.

Alles ist geplant, bis ins kleinste Detail vorausgedacht, nichts bleibt dem Zufall überlassen. Was sich im Museum Het Valkhof in Nijmegen als spielerisch wirkende Allerweltsfotografie präsentiert, ist in Wirklichkeit eine generalstabsmäßig vorausgedachte, jede Überraschung ausschließende Strategie einer vorweg genommenen Zielorientierung. Dieses Ziel heißt, das Foto als Kunstwerk in den Fokus des Betrachters zu rücken, heißt, den Fotos die Wirklichkeit zu entziehen und gleichzeitig so zu tun, als sei das fotografische Ergebnis ein Abbild dieser Wirklichkeit.

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Von DerWesten

Weltweit beweisen es vermutlich Milliarden von Fotos: Sie bilden das ab, was im Sucher zu sehen ist. So war es jedenfalls immer, bis die Digitaltechnik das einfache optisch-physikalische Prinzip gehörig durcheinander gewirbelt hat. Die Fotografie heute hat eine entscheidende Frage zu beantworten: Kann man den Bildern noch trauen? Sind sie noch frei von Manipulationen, die selbst für Laien kein Problem darstellen, aus der tatsächlichen Realität eine künstliche zu konstruieren. Das Museum Het Valkhof widmet sich diesem Thema aus dem Blickwinkel einer Definition, die die Fotografie als eine Sparte der Kunst manifestiert. Zwischen den Adjektiven künstlerisch und künstlich zeigen zwölf Fotografen und Fotografinnen ihre Sicht auf die Realität, die oft mit selbst gefertigten Dekors oder durch am Computer bearbeitete Bilder eine intensive imaginäre Wirklichkeit entstehen lassen.

Unzerstörbare
Schönheit

Ruud van Empel zeigt die unzerstörbare Schönheit des Waldes, die Anmut seiner Bewohner und die ewigkeitsversprechende Wiederkehr all seiner natürlichen Friedfertigkeit. Van Empel, Jahrgang 1958, wohnt und arbeitet in Amsterdam, erarbeitet Fotos und Bilderzutaten selbst, konstruiert und verwandelt sie in verblüffend realistisch wirkende Arrangements. Der viel gefragte Künstler gestaltete die 2009 erschienene Deluxe-Ausgabe der CD „Manafon“ vom Ambientmusiker David Sylvian.

Die Welt als Landschaft, in der ein Schauspiel aufgeführt wird: Ellen Kooi inszeniert sprachgewaltige Lebensausschnitte, denen die Wörter abhanden gekommen sind – wortlose Geschichten aus und in der Natur.

Dem gegenüber stehen zivilisationsbegründete Auswüchse einer künstlich geschaffenen Natur innerhalb der echten – Marjan Teeuwen baut aus verwüsteten, dem Abbruch geweihten Häusern und Appartmentblocks eine kaum erkennbare Architektur, die wie ein Ersatzteillager für Baustoffe archiviert zu sein scheint. Die Balance zwischen kalkuliert erscheinenden Verwüstungen und dem geordneten Abbruchmaterial führt den Betrachter zum Nachdenken. Abreißen, um wiederaufzubauen?

Hans Op de Beeck fotografiert Personen in einem leeren Fotostudio und führt sie digital in fiktive, am Computer gezeichnete Interieurs zusammen; Dirk Braeckman sieht das Foto als Fenster zur Realität mit zweideutigem Charakter und erschafft durch nicht inszenierte Fotografien eine neue Wirklichkeit; Uta Eisenreich untersucht das Verhältnis von Objekten untereinander und ihre Bedeutung in Wort und Bild: der Apfel als reales und imaginäres Objekt, als Wort und als visuelle Repräsentation; Paul Kooiker fotografiert außerhalb der klassischen Aktfotografie nackte und kaum bekleidete Frauen, die – das Höschen auf den Knöcheln – die nackte Hinterseite in die Kamera halten: scham- und bedeutungslos zugleich; Margriet Smulders erschafft durch Manipulationen eine mysteriös wirkende Abstraktion, die sie durch Vergrößerung von Blumen und Früchten erreicht.

Künstlich geschaffener Dschungel

Jasper de Beijer vermittelt ein der westlichen Vorstellung entgegen gesetztes Afrika-Bild mittels lebensgroßer Puppen und einem künstlich geschaffenen Dschungel; Elspeth Diederix holt vertraute Szenen aus dem alltäglichen Zusammenhang und verleiht ihnen durch Manipulationen eine tiefgründige Poesie.

Wouter van Riessen lässt sich in Selbstportraits mit neutralen Masken als Marionette darstellen – auf der Suche nach dem Ich.

Vor einem – gemalten – Wohnblock, in einiger Entfernung, steht eine Bettstatt aus Kartons in gleicher Architektur. Im Kartonhaus schläft ein Mann, dem die Realität abhanden gekommen scheint. Das von Teun Hocks arrangierte Ambiente – eine Mischung aus Foto, Zeichnung und Malerei – unterstreicht die anerkannte Bedeutung der Fotografie als eine Möglichkeit, mit künstlerischen Mitteln ein alternatives, imaginiertes oder künstlich erzeugtes Bild der Realität zu erschaffen.