Uedem. Bauer Hans Ricken ist gut drauf. 82 Jahre alt ist er. Und am Vormittag hat er seine Ernte zur Halle von Bernd Hesseling gefahren, zum Großmarkt um die Ecke. Zentnerweise „Annabell“ - Frühkartoffeln vom eigenen Acker.

Eher ungewöhnlich für diese Region, denn die begehrte Knolle reist sonst aus Israel oder Marokko an. „Im Supermarkt werden Sie die nicht bekommen“, sagt Hesseling (48). Annabell ist eine Primadonna, fordert eine sehr zuvorkommende Behandlung. Bekommt sie die, stehen Knollenfreunde Schlange für diese Frühkartoffel.

Dicke, runde, ovale und Schmörkes, wahlweise mehlig oder fest: Rund 100 Zentner Kartoffeln von den Feldern der benachbarten Bauern kommen hier täglich herein und finden ihre Abnehmer, außerdem 50 Zentner Spargel und jede Menge Erdbeeren.

Knollen zentnerweise

70 Bauern vom Niederrhein liefern wie Ricken ihre Produkte an, rund 100 gewerbliche Kunden erscheinen nach Angaben des Chefs täglich, um in ihren Geschäften, Krankenhauskantinen oder Restaurants Frisches aus der Region zu bieten - die ersten kommen um 4 Uhr am Morgen. Sie wollen Freilandradieschen beispielsweise. Mangold, Rübchen, knackfrisches Stielmus und Bio-Möhren - der Laden brummt.

Klar, auch in Uedem war der Winter lang und hart. Doch Hesseling sieht darin eher einen Vorteil. „Die Verschiebung im Wachstum tut den Landwirten und uns gut“, sagt er. Zwar haben die Erdbeeren sich ein paar Blüten abgefroren.Doch der Spargel wächst in diesem Jahr kontinuierlich der Nachfrage entgegen. „Sonst sind wir schonmal darin ersoffen.“ Wenn die Stangen in einem kurzen Zeitraum gleichzeitig reif sind, wird der Preiskampf ruinös. „Auf einem Hektar Land wachsen rund zehn Tonnen Spargel“, erläutert Hesseling. „Muss jemand 60 Prozent seiner Ernte zu Schleuderpreisen verkaufen, geht das an die Substanz“. Für die Kunden gebe es in diesem Jahr stetigen Nachschub zum vernünftigen Preis.

Nicht nur beim Fleisch, auch beim Gemüse gilt das Prinzip der lückenlosen Rückverfolgung - der Kunde ist kritisch. Bauernmarkt Lindchen ist der Großmarkt der Region. Hier können Landwirte ihre Ware vermarkten - vorausgesetzt, sie finden Gnade vor den Augen der Qualitätssicherung in Person von Ingrid Matthes. Sie besucht die Höfe.

Ist das Brunnenwasser sauber? Wer sein Gemüse nicht korrekt versorgt - also nicht auf die Qualität des Wassers achtet, auf Bodennährstoffe und Pflanzenpflege - hat verloren und muss seine Ernte anderswo anbieten.

Was kippen die Bauern auf ihre Felder, womit düngen sie, wie bekämpfen sie Schädlinge? Matthes lässt regelmäßig Proben von der landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt Nordrhein-Westfalen (LUFA) in Münster analysieren, die Bauern ihrerseits müssen beispielsweise den Boden beproben lassen und die Ergebnisse auch belegen.

Ein guter Tipp

Bauer Ricken ist inzwischen seine Knollen losgeworden, fachsimpelt noch ein wenig mit den Kollegen. Dann macht er sich mit dem großen Traktor wieder auf den Heimweg. „Wer sein Leben lang Kartoffeln isst, wird alt, schreiben Sie das ruhig!“, ruft er noch.