Düsseldorf. An der Düsseldorfer Maria Montessori Gesamtschule steht die Demokratie im Fokus. Was die Jugendlichen bei der Juniorwahl denken.
Ein wenig einschüchternd wirkt er schon, dieser Wahlzettel zur Europawahl. Stolze 34 Möglichkeiten bietet er, die eigene Stimme per Kreuz kundzutun, einer Partei oder politischen Vereinigung sein Vertrauen zu schenken. „Einige Namen der Parteien habe ich wiedererkannt, von vielen anderen habe ich zuvor aber noch nie gehört“, berichtet Lilli freimütig.
Die Schülerin der 9b der Maria Montessori Gesamtschule in Düsseldorf hat gerade in der Aula an der Rosmarinstraße ihren Zettel zielgenau – selbstverständlich doppelt gefaltet – in die Wahlurne eingeworfen. Zwar kann Lilli mit ihrer Stimmabgabe noch keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des EU-Parlaments nehmen, denn wahlberechtigt ist sie mit ihren 14 Jahren noch nicht. Bei der Juniorwahl, bei der es um das Üben und Erleben von Demokratie geht, kann sie aber schon teilhaben.
Diese Juniorwahl, die zur Europawahl an 4500 Schulen bundesweit stattfindet und unter der Schirmherrschaft von Bundesfamilienministerin Lisa Paus steht, kommt in ihrem Ablauf dem Original sehr nahe. Wahlhelferinnen und -helfer, die selbst aus der Schülerschaft stammen, nehmen die Schulklassen in Empfang, kurz wird das Prozedere erklärt. „Pro Person ein Wahlzettel, eine Stimme, sonst wird die Wahl ungültig“, ist zu hören.
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Lilli B. und ihre Schulfreundinnen Fay und Lilli S. lauschen. „In der Wahlkabine bitte nicht mit den Nebenleuten unterhalten“, lautet die Bitte, „erst recht natürlich nicht über das soeben gesetzte Kreuz“ – auch bei dieser simulierten Stimmabgabe soll das Wahlgeheimnis gewahrt bleiben. Daran halten sich die drei Mädchen.
Yaser greift ebenfalls gekonnt zum Stimmzettel, reiht sich in die Schlange ein, wartet darauf, dass eine Wahlkabine frei wird. Yaser ist Klassensprecher der 9b und politisch interessiert. Als die 9b im Februar den Düsseldorfer Landtag im Rahmen der Aktion „Landtag macht Schule“ besucht, hat er auf der Regierungsbank den „Arbeitsplatz“ der stellvertretenden Ministerpräsidentin Mona Neubaur eingenommen. „Leider habe ich keinen EU-Pass, darum darf ich nicht wählen.“ Das hält ihn nicht davon ab, sich über Themen, die ihm am Herzen liegen, zu informieren. Das Schul- und Bildungssystem nennt er, ebenso den Gesundheitsbereich. „Ich denke, dass die Wartezeiten in Arztpraxen zu lang sind.“
Yaser macht sich aber auch Gedanken über den Ukraine-Krieg und die Situation im Nahen Osten. Er hofft auf Lösungen, die langfristig für Frieden sorgen, sieht Waffenlieferungen in Krisengebiete insgesamt eher kritisch.
Den Informationsfluss in den sozialen Medien betrachtet er – trotz oder gerade wegen seines jungen Alters – differenziert. „Es gibt leider sehr viele ‚Fake News‘, auch Hassbotschaften.“ Yaser versucht zu hinterfragen, was er dort sieht, nimmt die Beiträge nicht eins zu eins für bare Münze.
5,1 Millionen Erstwähler
Einige Schüler der Maria Montessori Gesamtschule, die rechtzeitig vor dem Wahltermin am 9. Juni schon ihren 16. Geburtstag feiern, dürfen am Sonntag das bei der Juniorwahl eingeübte schon direkt anwenden. Insgesamt, so ist den Informationen der Bundeswahlleiterin zu entnehmen, dürfen etwa 5,1 Millionen Erstwählerinnen und Erstwähler in Deutschland bei der Europawahl ihre Stimme abgeben.
Dass die Stimmabgabe wichtig ist, ist Yaser bewusst. Wer nicht wählen gehe, ermögliche vielleicht, dass extreme Positionen stärker ins Gewicht fallen. Lilli B. stimmt zu. „Wählen ist unser Recht und wir sollten es auch als Pflicht sehen, da wir so die Politik mitbestimmen können.“
Ergebnisse beim Wahl-O-Mat überraschen
Um ihren Schülerinnen und Schülern die Positionen der Parteien näherzubringen, hat Lehrerin Frauke Hallen auf digitale Hilfsmittel zurückgegriffen. „Im Unterricht haben wir uns mit dem Wahl-O-Mat beschäftigt. Da ist aufgefallen, dass einige Schülerinnen und Schüler mit einigen Begriffen nicht so viel anfangen konnten.“ Sanktionen sind schließlich ein komplexes Thema – da können auch Erwachsene ins Schwimmen kommen.
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„Manche der Jugendlichen waren am Ende entsetzt, wie hoch zum Beispiel die AfD bei ihren Ergebnissen gelistet wurde“, führt Hallen an. „Ich habe schon häufiger beobachtet, dass extremere Parteien am rechten und linken Rand sehr schnell recht weit oben bei den Ergebnissen auftauchen können.“
Wenn Alice Weidel im Tiktok-Feed auftaucht
„Die Aussagen im Wahl-O-Mat sind teilweise verwirrend, es kommen auch doppelte Verneinungen vor“, bemängelt Fay. Die Jugendlichen bestätigen, dass sie durchaus mit extremen politischen Inhalten konfrontiert werden. Bei Lilli B. tauchte im „Feed“ (also dem Verlauf) auf Tiktok schon Alice Weidel auf. Lilli S. hat ebenfalls schon Botschaften mit politischen Inhalten gesehen. „Momentan verzichte ich auf Tiktok.“
Auch außerhalb von echten oder simulierten Wahlen setzt sich die 9b für die Demokratie ein. Im Düsseldorfer Südpark erklommen die Schülerinnen und Schüler am Vormittag ein großes Klettergerüst, um ein Zeichen zu setzen. Mit Plakaten posierten sie für die Aktion „#ichstehauf“. Bundesweit taten es den jungen Düsseldorfern Kinder und Jugendliche an über 1500 Schulen gleich. Demokratiebewusstsein und ein respektvolles Miteinander sollen auch außerhalb von Wahlen gelebt werden. Da stimmen Yaser und seine Mitschülerinnen und Mitschüler zu.