Kevelaer. Feierlich und festlich wird am 1. Mai die Pilgersaison in Kevelaer eröffnet. Premiere für den neuen Wallfahrtsrektor Stefan Dördelmann
Es ist alles vorbereitet: Die Putzkolonnen haben die Basilika schön gemacht, 60 Blumengestecke stehen bereit, die imposante Seifert-Orgel ist rechtzeitig fertigrestauriert und kann mit voller Kraft jubilieren, Kerzenverkäufer und -verkäuferinnen sind in Startposition und haben die Devotionalienstände neu sortiert, die Gastronomie hat Tische und Stühle nach draußen gestellt - und der neue Rektor der Wallfahrt ist auch da: Seit Anfang März ist Domkapitular Stefan Dördelmann in Kevelaer Wallfahrtsrektor - und der freut sich auf seine erste Saison: Morgen, am 1. Mai, wird traditionell die Wallfahrt eröffnet in Kevelaer - mit den drei obligatorischen Hammerschlägen an der Pforte der Basilika .
Stefan Dördelmann ist ein alter Hase auf dem kirchlichen Acker, 63 Jahre alt und so ansteckend fröhlich und guter Laune, dass man versucht ist, sich zu wundern. „Nun, der liebe Gott hat mir ein fröhliches Gemüt geschenkt“, sagt er. „Und ich versuche, das Beste daraus zu machen.“ In Ibbenbühren war er zuletzt und nun: der Niederrhein, Kevelaer, jener Ort, an dem der arme Handelsmann Hendrick Busman kurz vor Weihnachten anno 1641 an einem einsamen Wegekreuz eine Stimme hörte, die ihm dreimal befahl: „An diesem Platz sollst du mir ein Kapellchen bauen.“ Das tat der wackre Hendrick und an genau jenem Ort wurde 1642 das Gnadenbildchen mit der Abbildung der Muttergottes, der Trösterin der Betrübten, errichtet. Erst als Holzkreuz, dann mehr und mehr umbaut - heute steht die feine, andächtige Gnadenkapelle mitten im Herzen Kevelaers. Stefan Dördelmann blickt von seinem Arbeitszimmer direkt auf den „heiligen Ort“. „Wunderbar ist das“, sagt er. „Hierher kommen seit Generationen Menschen, die Kraft und Trost suchen, die innehalten und zum Gebet finden. Das berührt mich sehr.“
Da ist auch viel frommer Tüddel dabei
Da ist auch viel frommer Tüddel dabei, viele der vom Stadtmarketing erwartetet 800.000 Pilger im Jahr kommen einfach nur zum Bummeln, zum Leute gucken, zu Kaffee und Kuchen ins Städtchen... „Stimmt.“ sagt der Seelsorger. „Aber sie kommen hierher, zum Kapellenplatz, sie könnten für Kaffee und Kuchen auch an die Maas nach Arcen fahren, aber sie kommen hierher. Und viele machen eine Kerze an. Und wer weiß, was der liebe Gott ihnen dann doch mit auf den Weg gibt.“
Die Pilgerpforte wird geöffnet
Mit drei symbolischen Hammerschlägen und den in drei Sprachen Deutsch, Lateinisch und Niederländisch gesprochenen Worten „Öffnet die Tore eures Herzens Christus, dem Erlöser“ öffnet der Luxemburger Weihbischof Leo Wagener am Mittwoch, 1. Mai, unmittelbar vor dem um 10 Uhr beginnenden Pontifikalamt das Pilgerportal der Kevelaerer Marienbasilika. Der Bischof eröffnet damit symbolisch die Wallfahrtszeit in der Marienstadt, die in diesem Jahr unter dem Leitgedanken „Geh mit uns!“ stehen wird.
Nach der Öffnung des Pilgerportals wird in der großen Wallfahrtskirche das festliche Pontifikalamt gefeiert. Chor und Orchester der Basilikamusik werden die Eucharistiefeier unter der Leitung von Basilikaorganist Elmar Lehnen mit der „Missa Festiva“ von Alexander Gretchaninov musikalisch gestalten. Der erste Tag der Kevelaerer Wallfahrtszeit ist alljährlich auch der Pilgertag von zahlreichen Kolpingsfamilien aus ganz Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus. Am Nachmittag wird um 15 Uhr die erste Pilgerandacht der neuen Wallfahrtszeit in der Basilika gefeiert.
Die Menschen suchen also - Frieden vor allem in diesen Zeiten. „Natürlich. Und an so besonderen Orten wie Kevelaer, in denen eine bestimmte Magie ist, kann man innere Ruhe finden, Kraft und Geborgenheit spüren.“ Weihrauch, Choräle, festliche Gewänder - „ja, wir legen uns am 1. Mai natürlich mächtig ins Zeug. Das ist ja das Fest, der Auftakt. Aber beten kann man natürlich überall, im stillen Kämmerlein, in der Natur, wo auch immer. Das Besondere an solchen Kraft-Orten wie Kevelaer ist ja das gemeinsame erleben. Als Pilgerin und Pilger bist du gemeinschaftlich unterwegs, man ist miteinander verbunden. Und das darf durchaus eine Mischmotivation sein, nach Kevelaer zu kommen.“
Wallfahrtsstädtchen seit 1642
Also Geselligkeit, Freizeit, sich austauschen und dann eben vielleicht auch doch ein kleines Gebet zulassen. „Vielleicht bleibt irgendetwas hängen“, so der Geistliche. „Eine Zeile aus einem Psalm, eine verzaubernde Musik, ein Wort aus der Predigt. Hier kann man still werden, zur Ruhe kommen, man kann nachdenken, in sich hineinhören - das macht jeder und jede individuell mit sich aus. Wir werden tagtäglich beschallt und überflutet mit Bildern, Krieg und Gewalt kommen dazu überall auf der Erde. Da tut es gut, selbst still zu werden, zu hören, was sich dann in einem tut.“
Glaube, ein Muttergottes-Bildchen, das seit Hunderten von Jahren verehrt wird, Kerzen und Gesang - „gehört alles dazu“, sagt Stefan Dördelmann. „Das Himmlische übersteigt die Wirklichkeit. Aber da ist auch die Suche nach dem Mehr, was steckt hinter allem.“ Geheimnis des Glaubens. „Innehalten zum Himmlischen hin“, würde ich sagen“, sagt Pfarrer Dördelmann. Und strahlt wieder übers ganze Gesicht. In Zeiten abnehmender Kirchenakzeptanz kein leichtes Tun.
Eine Einladung, mit Menschen ins Gespräch zu kommen
Man müsse ja nicht alle zu einer totalen Regelmäßigkeit in Sachen Gottesdienst und Beten verdonnern. „Es ist doch auch wunderbar, wenn wir punktuell mit dem lieben Gott in Berührung kommen. Das ist so individuell wie das Leben. Der eine mag die Musik, dem anderen ist sie zu laut. Die eine mag den Weihrauch, die andere findet das doof und verstaubt. Aber wichtig ist, dass wir als Kirche ein Angebot machen, eine Einladung aussprechen, mit Menschen ins Gespräch kommen.“
Stefan Dördelmann ist nicht allein nach Kevelaer gekommen. Mit seinen beiden Pfarrekollegen Paul Hagemann (70) und Sebastian Frye (35) ist er in eine WG gezogen, in einem Einfamiienhaus etwas abseits der Innenstadt. „Die WG ist gewollt“, so Dördelmann, „wir haben das schon einmal in Ibbenbühren so gemacht.“ So eine Art Familiengefühl, man isst zusammen, tauscht sich aus. Irgendwann, wenn das Priesterhaus (Tagungs-, Exertien-, Veranstaltungshaushaus und Hotel) fertig renoviert ist, werden die drei dann zum Kapellenplatz umziehen. „Ein bisschen fühle ich mich als Herbergsvater“, so Dördelmann. „Ist ein komishes Wort, aber offen sein für alle, miteinander sein, zuhören, Impulse geben und annehmen - das ist das, was ich möchte.“