Essen. Die Deutschen arbeiten vergleichsweise wenig, heißt es in einer Studie. Das mag für manche stimmen, verkennt aber eine andere Realität.
Stimmt es wirklich, dass die Arbeitnehmer hierzulande zu wenig arbeiten? Quasi nicht so fleißig sind wie in anderen Ländern, wie jetzt eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft unterstellt? Wer sich umhört, erlebt ganz andere Verhältnisse. Da gibt es die vielen Berufsanfänger, die wie selbstverständlich einen Arbeitsvertrag mit 40-Stunden-Woche unterschreiben.
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Oder die vielen Beschäftigten von Galeria-Karstadt, die mit jeder von Eignern und Managern verursachten Notlage ihre Arbeitszeiten erhöhten und dazu auch noch auf Geld verzichteten? Oder blicken wir auf die zahllosen Boten der Paktdienste: Man sieht sie auch abends oder Samstagnachmittags noch Pakete schleppen. Eine Stechuhr werden sie kaum haben. Genauso nicht wie die Mitarbeiter in der Pflege, in den medizinischen Berufen oder solche in den kleinen Handwerksbetrieben: Sie alle arbeiten mehr, wenn die Lage es erfordert.
Die „bequemen deutschen Arbeitnehmer“ gibt es nicht
Keine Frage: Es gibt Beschäftigte, die in den Genuss einer 35-Stunden-Woche kommen: Die Eisenbahner etwa, viele in der Stahlindustrie oder im Öffentlichen Dienst.
Dennoch ist es nicht in Ordnung, wenn jetzt besonders liberal-konservative Politiker oder Arbeitgebervertreter von den „bequemen deutschen Arbeitnehmern“ sprechen. Denn die gibt es so einfach nicht. Die Studie des arbeitgeber-nahen Instituts DIW ist daher leider nur pauschal und verkennt die Wirklichkeit. Die sogenannten Experten sollten lieber mal untersuchen, warum es diese großen Zeit- und Lohnunterschiede bei den Arbeitnehmern hierzulande gibt.
Und wenn jetzt FDP-Chef Christian Lindner fordert, dass Überstunden künftig teils steuerfrei sein sollten, dann ist das sicher keine schlechte Idee. Er sollte aber auch wissen, dass Überstunden bei sehr vielen Beschäftigten überhaupt nicht bezahlt werden.