Orsoy. Das Café „Frau Ella“ in Orsoy bietet frischgebackene Torten an. Doch der Besuch lohnt sich auch aus einem anderen Grund.
Vorm Genießen kommt das Gucken! Denn „Frau Ella“ ist mehr als nur ein Café, es ist auch Wohnzimmer, Kaufladen, Inspirationsquelle, Kunstgalerie... kurz: „Hier kann man entschleunigen“, so fasst es Martin Kurz zusammen. Und das beginnt schon beim Hereinkommen. An den großen Holztischen stehen bunte Stühle, nix sieht gleich aus und doch passt alles zusammen, an den Wänden hängen Blumendrucke neben Porzellantellern, und mitten in dem verrückten Bildermeer prangt die alles entscheidende Frage: „Käffchen?“ Auf jeden Fall! Allerdings muss der Chef nun ein kleines Geständnis abgeben: „Ich bin kein Held an der Kaffeemaschine.“ Kein Problem, dafür zaubert seine Angestellte schnell einen Milchkaffee, den sie gleich ins Hinterzimmer bringt.
Hier, zwischen aufgeklappten Büchern an den Wänden und einer weißen Kirchenbank in der Ecke, ist es etwas ruhiger. Ganz schön trubelig für einen Vormittag unter der Woche! Martin Kurz lächelt. „Es ist Wahnsinn, was bei uns immer los ist“, sagt er. Aber er kann verstehen, weshalb der Ort im Herzen von Orsoy so beliebt ist, immerhin war er bis vor einem Jahr selbst noch regelmäßiger Gast. „Das war immer mein Lieblingscafé“, erklärt der Kamp-Lintforter. „Man ist wie in einer anderen Welt und kann sich eine kleine Auszeit nehmen.“ Deshalb war der Schock groß, als eines Tages auf jedem Tisch ein Zettel mit folgender Information lag: „Wir schließen!“ Er erfuhr, dass die Besitzerin mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen wollte... und traf eine Entscheidung.
Über 50 Torten
„Ich wollte nicht nach einem neuen Lieblingsort suchen“, sagt Martin Kurz. Zwar ist er eigentlich in einer anderen Branche tätig, er führt eine Firma für Brandschutz und eine für Gebäudereinigung, doch er hat auch schon Erfahrungen in der Gastronomie gesammelt. Also wagte er den Schritt und übernahm das Café. Vieles hat er beim Alten gelassen, „es war ja schon ein funktionierendes System“, deshalb ist auch die Speisekarte gleich geblieben. Kaffee in allen Formen gibt‘s, klar, außerdem Frühstück und Torten. Allein beim Gedanken daran kommt er ins Schwärmen: „Der Käsekuchen mit Blaubeeren ist richtig gut!“ Welche Sorten es noch gibt, da muss er aber doch kurz nachfragen...
Bei über 50 Kuchen, die wöchentlich die sechs Angestellten backen, kann chef schon mal den Überblick verlieren. Seine Mitarbeiterin Anja Bolick braucht dagegen nicht lange zu überlegen, was aktuell beliebt ist: „Stachelbeerbaiser, Kirschmohnstreusel und die Spaghettieistorte kommt auch mega gut an.“ Außerdem gibt‘s mal Donauwelle, „vegan oder normal“, mal Schokobanane, Heidelbeermascarpone, Zitronensahne oder, oder, oder... Mmmh! „Ja, das ist alles gut“, betont Martin Kurz, „sehr zu meinem Leidwesen.“ Er lacht. Aber es geht bei „Frau Ella“ nicht nur ums Essen, sondern auch ums Ambiente. Deshalb gibt‘s beispielsweise kein einheitliches Geschirr, sondern unterschiedliche Tassen und Teller – die an Kaffeekränzchen bei Oma erinnern...
Wie bei Oma
„Manchmal kommen Gäste zu uns und sagen, dass sie selbst noch solches Geschirr haben, das sie nicht mehr benutzen“, erzählt Martin Kurz. Das bringen sie dann vorbei, „und freuen sich, wenn sie beim nächsten Mal den Kuchen auf ihrem Teller bekommen.“ Doch obwohl das Café schon vorher gut gelaufen ist, gibt‘s dann doch auch einige Neuerungen. „Das hier war früher ein Privatraum“, erklärt er. Achja, die Idee mit den Büchern an der Wand, „die habe ich von einem Café in Holland.“ Eine solche Deko passt einfach so gut zu den dicken Perserteppichen und blumigen Lampenschirmen! Allein deshalb ist der Ort längst auch zum Fotomotiv für Instagram geworden. Doch er hat noch mehr geplant! Dazu führt er nun in den nächsten Raum, in dem es sich mindestens genauso gut stöbern und schauen lässt.
„Frau Ella“ in Rheinberg
Das Café „Frau Ella“, Kuhstraße 6 in Rheinberg, hat montags und dienstags von 9 bis 12 Uhr geöffnet sowie donnerstags bis samstags von 9 bis 18 Uhr und sonntags von 12 bis 18 Uhr. Frühstück gibt‘s nicht sonntags, Torten nur donnerstags bis sonntags.
Weitere Informationen sind zu finden unter: www.frau-ella-orsoy.eatbu.com oder auf Instagram unter „frau_ella_orsoy“ oder auf Facebook unter „Frau Ella Kaufladen & Café“. Telefon: 028443992059
In alten Weinkisten stehen Kerzen, Tassen, Kräuter... „Alles, was man als Mitbringsel mal eben mitnehmen kann“, erklärt Martin Kurz. Doch nun bitte einmal durchs Fenster schauen! Denn draußen tut sich bald etwas, wie er verrät: „Dort hinten, wo die Hecke etwas lichter ist, kommt ein Rosenbogen rein, der in einen zweiten Gartenbereich führt.“ Bleibt nur noch eine Frage: Wer ist eigentlich Frau Ella? Etwa die Dame auf dem Bild, das direkt über der Kirchenbank hängt? Nee, „die Nichte der Vorbesitzerin hieß Ella.“ Auf dem Foto dagegen ist seine 103-jährige Oma abgebildet, wobei, zum Zeitpunkt der Aufnahme war sie erst schnittige 100 Jahre alt. Und ja, „sie ist noch richtig gut drauf“, das zeigt auch die langstielige Rose, die sie zwischen Nase und Mund balanciert. Im Café war sie natürlich auch schon. „Sie hatte einen Sonderwunsch, den wir ihr erfüllt haben: Frankfurter Kranz.“ Und das war, kann er so bestätigen, wahrlich ein Genuss!