An Rhein und Ruhr. Bei einem landesweiten „Bildungsprotest“ demonstrieren Schülerinnen und Schüler in NRW gegen Missstände. Politik lobt den Protest.

Der Hausmeister der Werner-von-Siemens-Realschule ist hochgradig irritiert. Auf seinem Schulhof stehen mehrere Hundert junge Menschen, sie tragen Schilder und Transparente und schreien laut: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“. Protest schön und gut, aber das hätte man ihm sagen müssen, weil er dann die Gehwege vernünftig abgeklebt hätte, sagt der Mann. Für längere Aufwallung ist aber keine Zeit, nach wenigen Minuten zieht der Protestzug weiter. Hinter den Fenstern winken andere Schüler, sie haben Unterricht, und zwar in einem Schulsystem, von dem die Demonstrierenden glauben, dass es marode ist und krank macht.

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Düsseldorf, Ecke Wehrhahn und Weidelstraße, gegen 12 Uhr. Der Himmel ist grau, der Nieselregen hat aufgehört. Hunderte Kinder und Jugendliche haben sich versammelt. Manche tragen Schilder, auf denen steht „Veraltetes Schulsystem – der Schlüssel zur Zukunft liegt nicht im Gestern“, „Kein Stress! Mehr Freizeit!“ oder „Klausuren – nein danke!“.

Es sind Schülerinnen und Schüler, die dem Aufruf der Landesschülervertretung zu einem „Bildungsprotest“ gefolgt sind. Landesweit demonstrieren an diesem Mittwoch in fast einem Dutzend Städte junge Leute gegen das, was ihrer Meinung nach im Schulsystem falsch läuft. Für viele hier ist es die erste Demonstration in ihrem Leben. Polizei und Presse sind da, die Jüngeren wirken entsprechend aufgeregt. Sie fotografieren sich gegenseitig, lachen, drängeln sich zu Interviews. Sie wollen erzählen, was sie umtreibt.

Die Schüler sollten mehr mitreden können in der Schule, zum Beispiel, dass die Lehrer nicht immer das Thema entscheiden sollen.
Lukas (10) - Gymnasiast

„Ich finde, an meiner Schule sollten die Toiletten sauberer sein“, sagt Lukas, 10. Er ist Gymnasiast und mit seiner Mutter hier, die auch auf einige seiner Klassenkameraden aufpasst. Wichtig ist dem Jungen auch: „Die Schüler sollten mehr mitreden können in der Schule, zum Beispiel, dass die Lehrer nicht immer das Thema entscheiden sollen.“ Lars, ebenfalls Fünftklässler, ist da, weil er es „generell lieber hätte, dass die Schulen moderner werden“. Außerdem, sagt er, nervt es ihn, dass sie an seiner Schule ständig Vertretung haben. Außerdem wünscht er sich, dass „die Technik mal endlich funktioniert“.

Weniger Stress und mehr Freizeit fordern die Schülerinnen und Schüler.
Weniger Stress und mehr Freizeit fordern die Schülerinnen und Schüler. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Unter den Älteren sind etliche, denen man die Erfahrung früherer Demonstrationen anmerken kann, etwa bei den Fridays-For-Future-Protesten. Rednerinnen beklagen die „strukturellen Probleme im Schulsystem“, sprechen sich gegen „veraltete Lerninhalte und Leistungsdruck“ und für „mehr Mitbestimmung für die Schüler:innen“ aus. Sarah, Mitglied der Landesschülervertretung, ist heute hier, weil sie für „ein besseres Schulsystem kämpfen“ will, in dem „Schüler:innen gehört werden, wo die Meinungen von uns in die Entscheidungen einfließen und wo die Politik auf unsere Meinungen achtgibt“. Sie treibt die marode Schulinfrastruktur um, der Leistungsdruck, der Lehrermangel.

Schulministerin lobt den Protest der Schülerinnen und Schüler

Mit ihrem Protest rennen die jungen Leute bei der Politik offene Türen ein. Die Schülerinnen und Schüler wiesen „zurecht auf die zentralen Herausforderungen im Schulsystem“ hin, so Schulministerin Dorothee Feller (CDU). Sie könne „die Unzufriedenheit und die Ungeduld der Schülerinnen und Schüler nachvollziehen“, insbesondere angesichts des Lehrermangels. Die Kinder und Jugendlichen seien jetzt in der Schule und brauchten einen guten Unterricht.

„Gleichwohl lässt sich der Lehrkräftemangel leider nicht auf Knopfdruck lösen“, sagt die Ministerin, um zugleich zu betonen, welche Anstrengungen die Landesregierung für die Lösung des Problems unternehme: Seit Ende 2022 sei es gelungen, „mehr als 5000 Menschen zusätzlich für die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern zu gewinnen.“ Es sei für die Politik „sehr wertvoll, wenn junge Menschen für ihre Interessen einstehen“, lobt Feller den Bildungsprotest, weswegen sie ein Projekt für neue Beteiligungsformate für Schülerinnen und Schüler gestartet habe.

Schülerin: Unser Bildungssystem macht uns kaputt

Aber es geht manchen der Jugendlichen in Düsseldorf nicht nur um Einzelmaßnahmen und Projekte. Sie sehen das gesamte System kritisch. Als der Demonstrationszug auf dem Schulhof der Werner-von-Siemens-Schule ankommt, der ersten von fünf Schulen, die auf der Route liegen, berichtet eine Rednerin von ihren psychischen Problemen. „Unsere mentale Gesundheit leidet wegen des Stresses“, sagt sie, und: „Unser Bildungssystem macht uns kaputt.“

Mit bunten Plakaten weisen die Schülerinnen und Schüler auf Probleme hin.
Mit bunten Plakaten weisen die Schülerinnen und Schüler auf Probleme hin. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Ihr verzweifelter Appell wird von den anderen Schülerinnen und Schüler auf dem Hof beklatscht. In den Klassen hinter den Fenstern läuft der Unterricht weiter. Plakate, die die Demonstrierenden am Gebäude befestigen, müssen sie wieder abnehmen. Ordnung muss sein.